Direktes Veneering mit Hightech-Kompositen



Die Ästhetische Zahnheilkunde liegt seit Jahren absolut im Trend [5]. In diesem Bereich hat sich speziell im letzten Jahrzehnt viel getan, sowohl im Bereich innovativer Materialien und Techniken seitens der Industrie als auch hinsichtlich Kompetenz, Fachwissen und Erfahrung der Behandler und Zahntechniker. Gleichzeitig beobachten wir bei unseren Patienten immer mehr den Wunsch nach einer schonenden Behandlungsmethode, möglichst ohne Zahnhartsubstanzverlust.

Auf vielen Zahnarzt-Homepages geht das Thema Ästhetische Zahnheilkunde scheinbar automatisch mit der Herstellung von Keramikveneers in der Subtraktivmethode einher. Doch ist dem wirklich so? Je nach Ausgangssituation und Wunsch des Patienten haben wir heute viele Möglichkeiten, ein ästhetisch ansprechendes Ergebnis zu erzielen. Eine immer bedeutendere Rolle spielt dabei das direkte Veneering mittels Hightech-Kompositen, das viele Vorteile mit sich bringt. Wie sich diese Technik sowohl als Haupttherapie als auch zur Optimierung ästhetischer Voraussetzungen in der Präprothetik einsetzen lässt, zeigt das Fallbeispiel.

Der konkrete Fall

Ein 52-jähriger Patient stellte sich in unserer Praxis mit dem Wunsch der ästhetischen Verbesserung seiner Zähne sowie Maßnahmen zur Verbesserung der parodontalen Situation vor. Er war mit seiner Frontzahnbrücke im Unterkiefer aus ästhetischer sowie hygienischer Sicht höchst unzufrieden, und ihn störten die ausgeprägten Lücken im Ober- und Unterkiefer. Gleichzeitig war es ihm ein großes Anliegen, dass keine zusätzlichen Zähne mehr beschliffen werden. Extraoral fallen beim Lächeln das große Diastema und die stark nach distal divergierenden Zahnachsen der mittleren oberen Schneidezähne auf. Die Zunge ist durch diese Lücken hindurch gut sichtbar. Bei seitlicher Ansicht sind eine protrudierte Achsenstellung der mittleren Inzisivi sowie Lücken zwischen den mittleren und seitlichen Schneidezähnen zu sehen (Abb. 1a, 2a, 10a).

In den Abbildungen 3a bis 7a ist die intraorale Situation in der Frontal- sowie Aufsicht dargestellt. Im Oberkiefer erkennt man zusätzlich eine Abplatzung der distalen Schneidekante des Zahns 11 (Abb. 4a). Im Unterkiefer fällt der metallkeramische Zahnersatz durch seine abweichende Zahnfarbe sowie die fächerförmig gestalteten Zahnachsen auf (Abb. 6a). Außerdem sind Lücken zwischen 42/43 und 43/44 vorhanden (Abb. 7a).

Der Zahn 32 ist mit seiner Achse nach distal geneigt, somit steht seine mesiale Schneidekante höher als die distale. Dadurch entsteht eine ästhetische Disharmonie des Inzisalkantenverlaufs. Außerdem fehlt dadurch die entsprechende Konvexität seiner mesialen Wand, und der Zahn 32 erscheint schmal. Offensichtlich hat dies zum Zeitpunkt der Brückenherstellung 31 bis 42 dazu geführt, eine lückige Stellung zwischen 32 und 31 in Kauf zu nehmen, um nicht den Zahn 31 gegenüber 32 zu breit zu gestalten. Dies gilt im Übrigen auch entsprechend für den Bereich 42/43 (Abb. 6a).

Ästhetische Planung

Das Material Komposit und im Speziellen die Methode des direkten Komposit-Veneerings bieten die großartige Möglichkeit der echten Visualisierung. Da es sich bei dieser Methode um ein rein additives Verfahren handelt, können wir schon in der Planungsphase das mögliche Ergebnis recht realitätsnah für den Patienten darstellen. Dabei ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Visualisierung in Form eines Mock-ups im Mund des Patienten stattfindet. So hat der Patient die Möglichkeit, die neue Optik der Zähne im Zusammenspiel mit den Lippen und dem Lächeln sowie den Gesamteindruck im Gesicht zu betrachten. Zusätzlich kann er die neuen Dimensionen im Mund erfühlen und die Sprache kontrollieren. Unserer Erfahrung nach gibt das dem Patienten ein sicheres Gefühl und erleichtert seine Entscheidungsfindung enorm. Gleichzeitig erleichtert das Mock-up für uns als Behandler die ästhetische Kommunika‧tion mit unseren Patienten. Der Patient weiß exakt, welches Ergebnis er erwarten kann, und Missverständnisse werden vermieden. Dieser Aspekt sorgt für eine Entspannung auf beiden Seiten und wirkt sich positiv auf das gegenseitige Vertrauensverhältnis aus. So haben wir auch im hier dargestellten Fall für den noninvasiven Therapiebereich eine Simulation in Form eines direkten Mock-ups durchgeführt. Im Fokus standen dabei die ästhetische Beseitigung der Zahnlücken im Oberkiefer-Frontzahnbereich und die diversen Zahnlücken im ästhetisch relevanten Unterkieferbereich sowie die Optimierung der ästhetischen Voraussetzungen vor der Neuanfertigung der Frontzahnbrücke 31 bis 42 im Sinne einer Präprothetik.

Dazu wurde Folgendes angestrebt:

  • Schließen der Zahnlücken zwischen den seitlichen und mittleren Oberkieferschneidezähnen
  • Schließen des Diastemas, ohne dass die Zähne zu breit erscheinen
  • Optische Aufrichtung des Zahns 32 nach mesial sowie dessen Verbreiterung nach mesial
  • Verbreiterung von 43 im zervikalen Bereich und damit Verkleinerung des interproximal-zervikalen Dreiecks zwischen 42 und 43 (nach der Neuanfertigung der Brücke 31–42)
  • Reduzierung der Zahnlücke zwischen 43 und 44

Nach Auswahl der passenden Komposit-Farbe wurde das Material im Chairside-Verfahren in recht großen Schichtstärken auf die Zähne aufgetragen, in die geplante Form gebracht und polymerisiert. Zum Einsatz kamen die Kompositfarben A3,5B und A2B und A2E (Filtek Supreme XTE, 3M Espe). Die extraorale Lächeln-Ansicht des fertigen Mock-ups der Oberkieferfront ist in der Abb. 8 dargestellt.

Anschließend hatte der Patient Gelegenheit, sich das neue Erscheinungsbild im Spiegel anzuschauen, die neuen Zahnformen zu erfühlen und die Phonetik zu kontrollieren. Dabei hat es sich bewährt, den Patienten selbst und in seinem eigenen Tempo sich seinem neuen Spiegelbild nähern zu lassen. Genauso lassen wir den Patienten auch gern für einige Minuten allein. Es ist in der Regel angenehmer für die Entscheidungsfindung, wenn man sich nicht „beobachtet“ fühlt. Anschließend wurde das Mock-up fotografiert, um es zusammen mit den Ausgangsfotos dem Patienten zur Verfügung zu stellen. So hat er Gelegenheit, sich zu Hause in Ruhe mit der Vorher-Nachher-Situation auseinandersetzen. Je nach Wunsch des Patienten wird das Mock-up für ein bis zwei Tage belassen oder direkt abgenommen.

Farbauswahl

Zunächst erfolgte die definitive Farbauswahl. Dazu wurden die entsprechend ausgewählten Kompositfarben (ohne Adhäsiv) direkt auf den Schmelz aufgebracht und polymerisiert. Beim Universalkomposit Filtek Supreme XTE (3M Espe) ist eine breite Farbpalette vorhanden, unterteilt in die Gruppen D (Dentin), B (Body), E (Enamel) und T (Translucent), die in dieser Reihenfolge von der Opazität abnehmen. Des Weiteren sind die Farben in der jeweiligen Opazität in den klassischen Vita-Farben (A1, B2 usw.) aufgeführt. So steht z. B. die Farbe A1E für die sehr helle Farbe A1 mit der Transluzenz einer Schmelzschneide und die Farbe A3,5B für eine satte Farbe mit einer guten Opazität. Dies macht – zusammen mit der individuellen Erfahrung des Behandlers – die Farbauswahl verlässlich und simpel.

Nach absoluter Trockenlegung mittels Kofferdam wurde ein reines Schmelz-Etching mit Phosphorsäure durchgeführt (Ultra-Etch 35 %, Ultradent Products) (Abb. 9a).

Für die Verbreiterung der Zähne wurde jeweils eine individualisierte Matrize aus Klarsichtfolie angefertigt. Diese wurde – nachdem sie mit den Fingern konvex vorgeformt wurde – in vertikaler Richtung (also hochkant) in den Aproximalbereich eingebracht und am betreffenden Zahn subgingival unter den Gingivalsaum geschoben. Dies gewährleistet einen dichten Abschluss am Zahn sowie die benötigte Länge. Von palatinal wurde die Matrize an den Zahn angedrückt, was natürlich für eine gute Adaptation von palatinal notwendig ist (Abb. 9c).

Gegebenenfalls kann vorab mit einem Flowable (Filtek Supreme XTE Flowable, 3M Espe) ein palatinaler Shell aufgebaut werden. Anschließend wurde mit der Schichtung des Komposits (Filtek Supreme XTE, 3M Espe) in den gewählten Farben und Opazitäten begonnen (Abb. 9c). Abbildung 9d zeigt am Beispiel des Zahns 12 die fertig modellierte Kompositschicht nach der Ausarbeitung

Um zu starke Transparenzen bzw. die Entstehung eines Grauschleiers zu vermeiden, haben sich die Bodyfarben sehr gut bewährt. Auch der Einsatz von recht kontrastreichen Farbschlüsseln (wie hier das Zusammenspiel aus den Farben A3,5B und A2E) erzeugt eine hochästhetische Spannung.

Workflow

Die Zähne wurden nacheinander aufgebaut. Um einen besseren Workflow zu gewährleisten, haben wir uns in diesem Fall dazu entschieden, zunächst alle Randleisten, die in die gleiche Richtung zeigen, aufzubauen (siehe Aufsicht Abb. 9f). Im Anschluss erfolgte die Ausarbeitung und Politur dieser Bereiche mit Composhape-Diamanten, Silikonpolierern und Diamant-Polierpaste. Aufgrund der Nanotechnologie des hier verwendeten Komposits kann relativ schnell ein gutes Politurergebnis erreicht werden. Für die Konturierung der inzisalen Schneidekanten kamen Soflex-Scheiben (3M Espe) zum Einsatz.

Es hat sich bewährt, den jeweiligen Zahn in puncto Ausarbeitung und Politur nahezu vollständig fertigzustellen, bevor man mit der Modellation der angrenzenden Zahnleiste beginnt. So ist eine bessere Zugänglichkeit gewährleistet und eine definitiv fertiggestellte Form gibt eine verlässliche Orientierung für die Gestaltung des Nachbarzahns. Lediglich die subgingivale Politur des zerviko-labialen Bereichs wurde zuletzt durchgeführt, da diese natürlich eine Blutung induziert. Dieser Bereich ist aber auch nach Abschluss der Modellation sehr gut erreichbar.

Das präprothetische Veneering an den Zähnen 32, 43 und 44 erfolgte nach der gleichen Technik wie oben beschrieben. Dazu wurde zunächst die alte Brücke abgenommen, um sowohl eine bessere Zugänglichkeit als auch die maximale Gestaltungsfreiheit zu gewinnen. Die an die Brücke angrenzenden Zähne 32 und 43 wurden verbreitert und optisch „aufgerichtet“ (Abb. 6b). Auf dem Foto für die Farbbestimmung der Keramik (Abb. 5c) ist die vorher stark nach distal gerichtete Achse des Zahns 32 besonders gut sichtbar. Der Zahn 43 wurde zur Schließung der Zahnlücken nach mesial und distal hin verbreitert sowie insbesondere im mesio-zervikalen Bereich stark aufgebaut, um so – zusammen mit der später entsprechend konvex geschichteten Keramik – das „schwarze Dreieck“ zu schließen. Ebenso erfolgte die Verbreiterung des Zahns 44 für den Lückenschluss zwischen 43 und 44.

Anschließend folgte das klassische prothetische Präparations- sowie Eingliederungsprotokoll für die Unterkiefer-Frontbrücke. Aus Gründen der Biokompatibilität sowie der Ästhetik wird diese aus Zirkon und individuell geschichteter Keramik hergestellt. Bei der Gestaltung des Provisoriums sollten nach Möglichkeit die geplanten ästhetischen Formänderungen eingearbeitet werden, um diese optimal und realitätsnah mit dem Patienten besprechen zu können.

Behandlungsergebnis

Durch das Komposit-Veneering und die Neuanfertigung der Brücke konnten die Ästhetik, die Hygienefähigkeit und die Parodontalsituation verbessert werden. Durch das direkte Komposit-Veneering konnten im Unterkiefer präprothetisch die zur Brücke angrenzenden Nachbarzähne 32 und 43 verbreitert und optisch aufgerichtet werden. Die Form ihrer Randleisten wurde eher konvex gestaltet. So wurden die Voraussetzungen für die zahntechnische Herstellung der neuen Unterkieferbrücke deutlich optimiert, und es konnte sowohl aus ästhetischer als auch aus hygienischer Sicht ein bei weitem hochwertigerer Zahnersatz hergestellt werden. Ferner wurden die Zahnlücken zwischen 43 und 44 geschlossen. So ergibt sich im Unterkiefer ein sauberes und helleres Bild; die Zahnlücken sind geschlossen und der Verlauf der Inzisalkanten sowie die Zahnachsen harmonisiert (Abb. 6b, 7b).

Im Oberkiefer konnten mit dieser Behandlungsmethode die zum Teil großen Zahnlücken zwischen den Frontzähnen erfolgreich geschlossen werden, ohne dass diese Zähne zu breit erscheinen. Die Neigung der Zahnachsen wurde ästhetisch optimiert sowie die fehlende Ecke am Zahn 11 ersetzt (Abb. 3b, 4b, 5b). Die extraoralen Aufnahmen von frontal, seitlich rechts und links zeigen, dass sich die neuen Zahnformen sehr harmonisch in das Lippenbild einfügen (Abb. 1b, 2b). Das Gesamt-Erscheinungsbild wurde damit insgesamt aufgehellt und verjüngt, und nicht zuletzt konnte das Lächeln an Charme gewinnen (Abb. 10b).

Fazit

Aufgrund der heute zur Verfügung stehenden Hightech-Komposite sowie der verlässlichen Adhäsivsysteme stellen der Verbund und die Stabilität der direkten Komposit-Veneers kein Problem mehr dar. Aufgrund der reinen Schmelzätzung und des Bondings (Etch & Rinse) ohne Dentinbeteiligung sind die Haftwerte sogar deutlich höher als bei klassischen Keramik-Veneers oder Füllungen [1, 2, 3]. Bekanntermaßen bestimmen sowohl die Haftwerte als auch die Dichtigkeit einer Restauration entscheidend ihre Lebensdauer [3]. Die bislang wenigen Studien zum speziellen Thema ästhetischer Formkorrekturen mittels Komposit zeigen, dass ihr Einsatz vielversprechend ist [4, 6].

Sicherlich sollte berücksichtigt werden, dass die Oberflächenbeschaffenheit von Kompositrestaurationen nicht genauso glatt wie eine Keramikoberfläche ist. Unserer Erfahrung nach ist in der Regel – je nach Lebensgewohnheiten des Patienten – eine Nachpolitur der Oberfläche alle zwei bis fünf Jahre sinnvoll. Diese nimmt zwar höchstens zehn Minuten Zeit in Anspruch, und der Ursprungsglanz ist wieder hergestellt, aber es erscheint wichtig, vor der Behandlung mit dem Patienten darüber zu sprechen. Der zahnbewusste und gut informierte Patient von heute möchte schöne, ästhetische Ergebnisse – nach Möglichkeit aber, ohne die Zähne zu beschleifen. Die Methode des direkten Komposit-Veneerings ist in erster Linie schonend zur Zahnhartsubstanz, und das macht sie so zukunftsweisend [7].

Insgesamt bringt die Praxis dieser Behandlungsmethode eine Reihe von Vorzügen mit sich: Sie ist hochästhetisch, stabil und in einer Sitzung abgeschlossen. Außerdem ist sie bei Bedarf reparierbar und dadurch, dass keine Laborkosten anfallen, auch bezahlbar. Zusätzlich bleibt für den Patienten die Möglichkeit etwaiger anderer Behandlungsmethoden (Keramik-Veneers, Kronen usw.) für die Zukunft erhalten. Komposit-Veneering ist besonders vielseitig einsetzbar[8]. Wie im vorliegenden Fall gezeigt, sowohl im Sinne einer ästhetischen Hauptbehandlung (das Veneering der Oberkieferfront) als auch als scheinbar unsichtbares Element im Sinne einer Präprothetik (Unterkiefer).

In der modernen Welt der minimalinvasiven ästhetischen Zahnheilkunde muss man sich nicht für die „Keramik- oder Kompositfraktion“ entscheiden. Beide Materialien haben ihre Wertigkeit und Einsatzgebiete.

Dr. Hanni Lohmar

studierte Zahnmedizin in Bonn und ist seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis in Bonn. Ihr Tätigkeitsschwerpunkt liegt in der Ästhetischen Zahnmedizin.

Kontakt: dr.h@nnilohmar.de