Die ganz besondere Praxis
Im schwäbischen Kernen steht die Praxis von Dr. Guido Elsäßer. Der Zahnarzt hat sich auf die Behandlung von Menschen mit Behinderung spezialisiert. Zwischen mobilen Röntgengeräten und weisen Wandsprüchen erwartet die Patienten hier besonders eins: Herzlichkeit!
Wenn Dr. Guido Elsäßer donnerstagsmorgens seine Praxis aufschließt, weiß er: Heute wird es wieder ein bisschen lauter. Der Donnerstag ist nämlich für Patienten mit Behinderung reserviert. Mitten in der schwäbischen Provinz, zehn Kilometer östlich von Stuttgart, haben sich Elsäßer und seine beiden Praxiskollegen Dr. Daniel Schöller und ZÄ Sophia Killat mit dem Schwerpunkt Behindertenzahnheilkunde über die Stadtgrenzen hinaus bereits einen Namen gemacht.
Elsäßer gibt regelmäßig Kurse und Vorträge zum Thema Behindertenzahnheilkunde und setzt sich als Mitglied der DGZMK und der DZOI vermehrt für die Sensibilisierung im Umgang mit diesem Bereich ein. 2017 nahm FOCUS Gesundheit Elsäßer in die Liste der empfohlenen Ärzte aus der Region auf.
Mobiler Einsatz
Die Praxis mit dem Schwerpunkt Behindertenzahnheilkunde befindet sich mitten auf dem Gelände des Gesundheits- und Therapiezentrums der Diakonie Kernen-Stetten. Seit 2018 besucht Elsäßer seine Patienten auch in den umliegenden Wohngruppen. „Manche Patienten sind natürlich nicht mehr so mobil und auch für die anderen Patienten kann es durchaus angenehmer sein, im gewohnten Umfeld untersucht zu werden“, erklärt Elsäßer.
Behandlung im Stehen
Heute ist das Haus mit der Nummer 8 dran. Elsäßer und seine Assistentin, die ZFA Manuela Müller, stehen in dem großen Raum im zweiten Stock und haben ihre mobilen Gerätschaften dabei. Das Ganze sieht zwar ein bisschen spärlich aus, erfüllt aber voll und ganz seinen Zweck. Müller geht stehend die Patientenlisten durch, die Wohngruppenbetreuer bringen die Patienten in das Zimmer, und Elsäßer greift zu Spiegel und Sonde. Manche Patienten haben keine große Lust, sich hinzusetzen – dann wird eben im Stehen geschaut.
Andere Patienten hingegen sind bettlägerig und müssen dementsprechend auch dort untersucht werden. „Wir schauen uns natürlich alle Patienten an. Die Mundgesundheit soll möglichst bis zum Schluss aufrechterhalten werden“, erklärt Elsäßer. Auch mit Patienten zu arbeiten, die wohl nicht mehr lange zu leben haben, gehört dazu. Aber das gehört auch in zahlreichen anderen Jobs dazu. Wenn es dann aber auch mal Kinder trifft, geht das auch an Elsäßer und seinem Team nicht spurlos vorbei.
An den Wänden der Elsäßer-Praxis stehen zahlreiche herzerwärmende Zitate. „Wenn du jemanden ohne Lächeln siehst, gib ihm deines“, heißt es zum Beispiel an einer Stelle. In der Praxis wird in jedem Fall viel gelächelt. Gerade donnerstags. Die Patienten kommen gerne in die Praxis – und welcher Zahnarzt kann das schon überzeugend von sich behaupten? Das liegt mit Sicherheit nicht nur an den weisen Sprüchen an den Wänden, sondern auch an dem generell positiven Grundtenor, der in der Praxis herrscht.
Während Elsäßer noch in der Wohngruppe zugange ist, hält sein Kollege Daniel Schöller die Stellung in der Praxis. Der nächste Patient hat das Down-Syndrom und klagt über Schmerzen im Prämolaren. Schöller fragt genau nach und bekommt bis ins kleinste Detail erzählt, wo es schmerzt. Nach einigen Minuten ist die Behandlung vorbei, die Schmerzen sind gelindert, und der Patient steht freudestrahlend auf. Ein “High Five” zum Abschluss darf nicht fehlen. So einfach kann es sein …
XXL-Räume und Schreibprogramme
Die Patienten fühlen sich einfach gut aufgehoben. Auch, weil die Räumlichkeiten in den letzten Jahren behindertengerecht angepasst wurden. Extragroße Behandlungsräume bieten nicht nur Platz für Rollstühle, sondern auch noch für eventuelle betreuende Begleitpersonen oder Eltern. Die mobilen Röntgengeräte können flexibel in der ganzen Praxis eingesetzt werden. Eine weitere Besonderheit sind die Computer mit Schreibprogrammen, die in den Behandlungsräumen stehen und dann genutzt werden, wenn beispielsweise ein taubstummer Patient auf dem Stuhl sitzt. Dies vereinfacht die Kommunikation. Elsäßer und seine Kollegen können damit die Diagnosen und möglichen Therapien problemlos an die Patienten vermitteln.
Kosten und Abrechnung von Leistungen in der Behindertenzahlheilkunde
Der Umbau der Praxis ist natürlich auch immer eine Kostenfrage. Durch den Standort auf dem Diakoniegelände hat sich für Elsäßer diese Investition aber natürlich gelohnt. Es gibt Fahrstühle und behindertengerechte Toiletten – Elsäßer weiß aber auch, dass das nicht in jeder Praxis rentabel ist. Dennoch ruft er seine Kollegen dazu auf, zumindest über kleine Schritte in Sachen Behindertenzahnheilkunde nachzudenken. In den vergangenen Jahren konnte er schon einen positiven Weg erkennen. „Immer mehr Praxen rüsten mittlerweile auf und erweitern ihren Tätigkeitsschwerpunkt um Behindertenzahnheilkunde“, erklärt der Zahnarzt. Für die Zukunft hofft Elsäßer, dass Menschen mit Behinderung bundesweit nicht mehr allzu weit fahren müssen, um eine passende Praxis zu finden. Auf den Webseiten der Landeszahnärztekammer können Patienten schon heute Praxen nach ihren Bedürfnissen finden.
Elsäßer ist auch glücklich über die Entscheidung aus dem Jahr 2018, als die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) durchsetzen konnte, dass Menschen mit Behinderung Anspruch auf präventive Leistungen gemäß § 22a SGB V haben. Für die Praxen bedeutet das: Zusätzliche Informationen und Pflegeanleitungen für die betroffenen Patienten sind nun abrechenbar. Dies erleichtert die Arbeit ungemein.
Behindertenzahnheilkunde: Ein großes Privileg
Auch Elsäßers Team kann dadurch noch entspannter ans Werk gehen. Probleme, Mitarbeiter zu gewinnen, hat Elsäßer nicht. „Die, die sich hier bewerben, wissen natürlich, dass wir uns auf die Behandlung von Menschen mit Behinderung spezialisiert haben. Deswegen kommt da eigentlich nie die große Überraschung und wenn doch, dann wissen wir, dass die Stellenausschreibung nicht richtig gelesen wurde. Dann hat sich das Thema eh erledigt“, sagt Elsäßer lächelnd.
Teil des Elsäßer-Teams zu sein ist für die Mitarbeiterinnen ein großes Privileg. „Einige Kolleginnen aus der Berufsschule haben mich immer wieder gefragt, wie es ist, mit behinderten Patienten zu arbeiten. Für mich ist es aber ganz normal. Und ich glaube, in anderen Praxen würde ich mich vielleicht sogar langweilen“, beschreibt ZFA Britta Kraft ihre Job-Motivation.
Auch Elsäßer kann sich nicht mehr vorstellen, in einer „normalen“ Praxis zu arbeiten. „Das ist natürlich eine Herzensangelegenheit, und wenn man einmal mit diesen Patienten gearbeitet hat, möchte man diese Erfahrung nicht mehr missen“, erklärt er und weist dabei auf einen weiteren klugen Spruch an der Praxiswand hin: „Ein Lächeln ist oft das Wesentliche“.
Die Praxis-Website von Dr. Guido Elsäßer finden Sie unter zahnarzt-kernen.de