Aerosole durch Absaugung reduzieren
Das A und O einer effektiven intraoralen Spraynebel-Absaugung ist ein hohes Saugvolumen an der Kanüle im Patientenmund. Nur das gewährleistet, dass das Aerosol massiv reduziert wird. Worauf es noch bei der Spraynebel-Absaugung ankommt, erklären der niedergelassene Parodontologe Dr. Dirk Vasel und Volker Walz, Leiter Produktmanagement Equipment bei Dürr Dental.
Herr Dr. Vasel, nicht erst seit SARS-COV-2 sind Sie und Ihr Team in Ihrer parodontologischen Schwerpunktpraxis Aerosolen in einem besonders hohen Ausmaß ausgesetzt …
Vasel: Richtig, denn beispielsweise das Präparieren von Zähnen, das Entfernen von Füllungen, Kronen und Brücken oder das Beseitigen von Zahnbelag erfordern den Einsatz hochtouriger Instrumente. Diese bringen aber nicht nur Arbeitserleichterungen mit sich, sondern auch Risiken. Denn um Schäden im Pulpa-Dentin-Bereich zu vermeiden, ist eine wirksame Kühlung mit Wasser nötig. Dabei entsteht Spraynebel, der aus Spritzern und Tröpfchen besteht, die unter anderem Kühlwasser, Blut, Speichel und vor allem auch Mikroorganismen enthalten. Wird der Spraynebel nicht fachgerecht im Mund des Patienten abgesaugt, entsteht Aerosol. Diese sogenannte Aerosolwolke kann tatsächlich über mehrere Stunden in einem geschlossenen Raum verbleiben, wenn nicht für genug Luftaustausch gesorgt ist.
Walz: Darum ist es auch so wichtig, eine intraorale Spraynebel-Absaugung zu benutzen, die ein hohes Saugvolumen von ungefähr 300 l/min an der Kanüle im Patientenmund hat. Denn nur dann ist gewährleistet, dass wir Aerosole massiv reduzieren. Laut einer Studie ist die Absaugung mit einer leistungsstarken Spraynebel-Absauganlage das einzig wirksame Verfahren, Aerosole zu reduzieren [Tillner, 2016].
Vasel: Das Saugvolumen spielt in der Tat eine ganz entscheidende Rolle. Die Saugkanüle muss zwingend groß genug sein. Ein Speichelzieher oder eine Absaugkanüle mit kleinem Durchmesser würde das Saugvolumen reduzieren. Und genau das wollen wir vermeiden. Wichtig bei den Absaugkanülen ist auch, dass sie entsprechende Nebenlufteinlässe haben. Das verhindert den Reflux, also das Zurückfließen von abgesaugter Flüssigkeit in den ‧Patientenmund. Und: Um die Bildung von Aerosol so weit wie möglich zu vermeiden, ist die korrekte Handhabung der Absaugkanüle notwendig. Die Assistentin muss den Einsatz lernen und üben, damit sie direkt am Zahn effektiv absaugen kann. Nur dann lassen sich der Spraynebel und Aerosole so reduzieren, wie wir uns das vorstellen.
Worauf kommt es dabei vor allem an?
Walz: Es ist wichtig, den Spraynebel schon im Mund des Patienten abzusaugen, um die Bildung von Aerosol so weit wie möglich zu vermeiden. Denn was den Mund nicht verlässt, muss nicht nachträglich eliminiert werden. Die richtige Absaugtechnik trägt einen großen Anteil dazu bei, Aerosole zu reduzieren. Dürr Dental bietet für die Praxen direkt vor Ort Schulungen rund um die Hygiene in der Zahnarztpraxis an. Eine dieser beinhaltet auch die Ergonomie am Arbeitsplatz und die richtige Handhabung und Abhaltetechnik nach Hilger (siehe Kasten unten).
Wichtig, vor allem in Corona-Zeiten: Was passiert mit dem abgesaugten Luft-/Flüssigkeiten-Gemisch?
Walz: Durch die Luft-Wasser-Separierung im Saugsystem entweder in der Behandlungseinheit oder an der zentralen Saugmaschine werden Luft, Wasser und Partikel effizient separiert, das Amalgam abgeschieden und getrennt abgeführt. Bei der Abluft ist weiterhin eine Kontamination durch Mikroorganismen möglich, daher empfehlen wir grundsätzlich den Einsatz eines Abluftfilters. Auch sollte die Abluft immer ins Freie geführt werden. Die Abluftfilter von Dürr Dental wurden von der Università di Camerino mit dem Testvirus PhiX174 auf die Filtrierungswirksamkeit getestet. Dabei wurde ein Rückhalt von >99,99% bestätigt.
Der Spraynebel sollte schon im Mund des Patienten abgesaugt werden, um die Bildung von Aerosol so weit wie möglich zu vermeiden. Volker Walz, Dürr Dental
Wie kann sichergestellt werden, dass diese Maßnahmen, Aerosole zu reduzieren, auch effektiv wirken?
Walz: Gerade bei der Saugmaschine kann es über die Jahre zu einer Reduktion des Volumenstroms an den Behandlungseinheiten kommen, bspw. aufgrund einer Praxiserweiterung ohne Anpassung der Saugmaschine oder auch wegen unzureichender Desinfektion und Reinigung des Saugsystems. Eine regelmäßige und intensive Reinigung und Desinfektion mit MD 555 cleaner und Orotol plus wird dringend empfohlen. Bei bereits bestehenden Systemen sollte der Techniker des Fachhandels regelmäßig mit entsprechenden Messgeräten das Saugvolumen an jeder Kanüle testen.
Wird das auch bei Praxisbegehungen besonders überprüft?
Vasel: Im Rahmen der Praxisbegehung wird überprüft, ob regelkonforme Arbeitsanweisungen für die einzelnen Hygiene- und Aufbereitungsmaßnahmen in der Praxis vorliegen und die dafür eingesetzten Geräte und (Desinfektions) Lösungen den Anforderungen entsprechen. Die korrekte Durchführung der Maßnahmen muss dokumentiert werden. Dies gilt selbstverständlich auch für den Bereich Absaugung und die Aufbereitung der mehrfach verwendbaren Absaugkanülen.
Welche Saugsysteme sind heute Standard, trockene oder nasse?
Walz: Heutzutage kommen überwiegend nasse Saugsysteme zum Einsatz. Sie sind vor allem für Praxen mit mehreren Stühlen kostengünstiger. Bei einem nassen Saugsystem wird das Luft-Wassergemisch an der zentralen Saugmaschine separiert. Trockene Saugsysteme bieten mehr Flexibilität bei der Installation. Gerade in älteren Gebäuden kann dies ein entscheidendes Kriterium sein, zum Beispiel wenn die Saugmaschine über den Praxisräumen installiert werden muss.
Herr Dr. Vasel, welches Saugsystem nutzen Sie?
Vasel: In meiner 2016 neu gegründeten Praxis habe ich eine zentrale Nassabsaugung der Fa. Dürr vom Typ VS 900 S.
Lässt sich ein einmal angeschafftes Saugsystem aufrüsten? Oder sollte man es nach 10 oder 15 Jahren komplett austauschen?
Walz: Aufgrund von Abnutzung und Kontamination der Saugsysteme sollte man diese eher austauschen als aufrüsten. Eine Aufrüstung eines bestehenden konventionellen Saugsystems auf eine radiale Saugmaschine ist nicht möglich.
Was muss man bei der Installation beachten?
Walz: Heutzutage sollte man darauf achten, ein wirklich energiesparendes und zuverlässiges Gerät zu beschaffen. Oft wird mit Schlagworten wie „Drehzahlregelung“ der Eindruck erweckt, dass es sich um energiesparende Systeme handelt. Das ist aber keineswegs immer der Fall. Ein Blick auf die technischen Daten kann hier zur Klärung führen.
Wie vermeidet man Verstopfungen und Ablagerungen in den Leitungen?
Walz: Eine tägliche Desinfektion der Sauganlage ist Standard in jeder Praxis. Dennoch sind ungefähr die Hälfte aller Anlagen durch Ablagerungen und Verstopfungen in ihrer Leistung eingeschränkt. Der Grund: Die meisten Sauganlagen werden zwar desinfiziert, aber keiner zusätzlichen Reinigung unterzogen. Dies ist jedoch dringend notwendig, schließlich hat man es hier mit vielen hartnäckigen Stoffen zu tun, wie z.B. Blut, Sekret, Zahnmaterial, Füllungswerkstoff oder Prophylaxe-Pulver. Diese können einen zähen Schlamm bilden, was zu Verstopfungen führen kann, die einen Leistungsabfall und im schlimmsten Fall einen kompletten Praxisstillstand durch den Ausfall der Sauganlage zur Folge haben können. Generell sollte nach jeder Behandlung ein Glas Wasser abgesaugt werden, um das Saugsystem zu spülen. Zusätzlich können sogenannte Spüleinheiten zum Einsatz kommen, diese sorgen automatisch für mehr Spülung.
Bei der Installation von Sauganlagen kommen die strangförmige und die sternförmige Rohrverlegung infrage. Welche empfehlen Sie?
Walz: Die sternförmige, auch wenn sie teurer ist. Bei der kostengünstigeren strangförmigen Verlegung, kann es – unabhängig von der eingesetzten Saugmaschine – zu unterschiedlichen Druck- und Volumenverhältnissen an den Dentaleinheiten kommen.
Gibt es neben einem intakten zentralen Saugsystem weitere Möglichkeiten, die Absaugung flexibel zu erweitern – je nach Praxisgegebenheit?
Walz: Oft kommt es natürlich vor, dass ein Saugsystem kurzfristig nicht angepasst werden kann. Auch sind bauliche Anpassungen gelegentlich schwierig. Daher bietet Dürr Dental mit dem Produkt Variosuc eine hochvolumige, mobile Spraynebel-Absaugung mit 300 l/min Saugvolumen an. Diese ist ‧sofort einsatzbereit und benötigt nichts weiter als einen Stromanschluss.
Um die Bildung von Aerosol so weit wie möglich zu vermeiden, ist die korrekte Handhabung der Absaugkanüle notwendig. Dr. Dirk Vasel
Kommen wir zu den Kosten. Was muss der Zahnarzt für ein modernes Absaugsystem investieren?
Walz: Das hängt natürlich von der Größe der Praxis, der Anzahl der Behandlungseinheiten und einigen anderen Bedingungen ab. Eine pauschale Aussage kann hierzu nicht gemacht werden. Das Dental Depot berät dazu kompetent.
Gibt es bei den aktuellen Saugsystemen neben dem Thema Aerosole zu reduzieren noch weitere wichtige Trends?
Walz: Modernere Saugsysteme nehmen die guten Eigenschaften der bestehenden Systeme auf und überzeugen darüber hinaus durch die Schonung natürlicher Ressourcen, bspw. durch Energieeinsparung, Lärmreduzierung und die Möglichkeit, die Geräte in das Praxisnetzwerk zu integrieren und dadurch Vereinfachungen und noch einen zuverlässigeren Betrieb zu ermöglichen.
Wie hoch ist das Einsparpotenzial mit modernen Saugsystemen?
Walz: Je nach Anwendung kann dies schon mal über 50 % der elektrischen Energie sein. Ein Beitrag zur CO2-Reduktion kann somit auch die Anschaffung einer Tyscor-Saugmaschine von Dürr Dental sein.
Die Teamschulungen von Dürr Dental finden stets in den Behandlungsräumen statt und liefern konkrete lösungs‧orientierte Praxistipps, die sich direkt umsetzen lassen. So optimiert die Schulung „Ergonomie am Arbeitsplatz“ die Arbeitshaltung von Zahnarzt und Assistenz bei der Patientenbehandlung. Auf Basis der von Dr. Richard Hilger entwickelten „Systematischen Absaug- und Haltetechnik“ werden neue Arbeitsabläufe trainiert und umgesetzt.
Inhalte und Ziele:
- Ergonomische Sitz- und Arbeitshaltung zur Vermeidung von Haltungsschäden
- Patientenposition und Patientenlagerung für ungehinderte Sicht auf alle Quadranten
- Absaugtechnik mit System für Infektionsprophylaxe gegen Aerosole
- Übung der Vier-Hand-Technik (Zahnarzt – Assistenz)
- Übungen zur Kräftigung und Entspannung
- Aufgaben- und Arbeitsteilung im Behandlungsteam
- Inkl. Wangenhalter nach Hilger, Vorteile und Nachteile der Rechtwinkel-Paralleltechnik
Weitere Schulungen und Anmeldung unter www.duerrdental.com/services/schulungen/duerr-dental-teamschulungen
Die Experten
Dr. Dirk Vasel
ist seit 28 Jahren Zahnarzt, ‧niedergelassen in eigener Praxis in ‧Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart. Spezialist für Parodontologie, DGPARO
info@dr-vasel.de
Volker Walz
ist seit sieben Jahren Leiter Produktmanagement Equipment bei Dürr Dental.
volker.walz@duerrdental.com