Unbedingt porös
Die Architektur und Porosität des KEM spielt mit Blick auf die Knochenregeneration eine entscheidende Rolle. Deshalb ist die Wahl des richtigen Biomaterials ausschlaggebend für den Erfolg – sowohl in funktioneller als auch struktureller und ästhetischer Hinsicht. Beim Weichgewebsmanagement punkten vor allem die gleichmäßige Konsistenz und der Strukturerhalt der dreidimensionalen Architektur des Biomaterials. PD Dr. Gerhard Iglhaut, Memmingen, beschreibt im Interview seine Erfahrungen mit einem neuen porcinen Knochenersatzmaterial und einer neuen azellulären Matrix porciner Herkunft.
Stichwort Knochenneubildung, worauf kommt es bei Knochenersatzmaterial an?
Iglhaut: Auf die Wahl des richtigen Knochenersatzmaterials. Es ist wichtig, dass sich aus dem osteokonduktiven Knochenersatzmaterial (KEM) vorhersehbar und zeitnah Knochen bildet. Und dabei spielt die Porosität des Biomaterials eine bedeutende Rolle. Kurz: Je poröser das Material, desto zügiger kann die für die Wundheilung wichtige Revaskularisation ablaufen. Studien belegen diese bedeutende Eigenschaft mit porcinem KEM.
Gibt es Vergleichsstudien zwischen bovinem und porcinem Knochenersatzmaterial?
Iglhaut: Es gibt eine Vergleichsstudie von bovinem (MinerOss X) und porcinem (MinerOss XP) KEM in Extraktionsalveolen eines Molars und eines Prämolars. Die Daten deuten darauf hin, dass bei Alveolen, die mit einer Membran und porcinen Knochentransplantaten (MinerOss XP) behandelt wurden, im Vergleich zu Alveolen, die mit bovinen Knochentransplantaten (MinerOss X) behandelt wurden, weniger Biomaterial pro Zeiteinheit zurückbleibt. Dies könnte auf einen unterschiedlichen Einfluss der bovinen und porcinen Materialien auf den Knochenheilungsprozess hinweisen (siehe Kasten unten).
Kann man klinisch Unterschiede erkennen?
Iglhaut: Die Knochenheilung scheint schneller abzulaufen, wie ich bei Re-entries beobachten kann. Nach vier bis sechs Monaten entsteht vorhersagbar ein solider, vitaler Knochen. Entsprechende Studienprotokolle sind in der Vorbereitung.
Kommen wir vom Hartgewebs- zum Weichgewebsmanagement. Auch da konnten Sie neue Biomaterialien testen …
Iglhaut: Richtig, es handelt sich hierbei um eine azelluläre dermale Matrix (ADM) porciner Herkunft, die nach meinen klinischen Erfahrungen über drei Jahre das Potenzial besitzt, autologe Bindegewebstransplantate zu ersetzen. Die Resultate nach der Verwendung dieser Matrix sind bei den Pilotanwendern durchweg positiv, sodass diese im nächsten Jahr unter dem Namen NovoMatrix in den europäischen Markt eingeführt wird.
Was ist das Besondere?
Iglhaut: Das Processing. Es gewährleistet, dass dem Gewebe die Zellen entzogen werden, die eine Infektionsquelle und Antigenaktivität darstellen könnten. Das Gewebe wird dabei kaum verändert, weder die Kollagenfasern noch die elastischen Fasern. Das belegen Histologien: Das Gewebe sieht identisch aus, nur sind keine Zellen mehr vorhanden.
Wie wird die porcine ADM eingesetzt?
Iglhaut: NovoMatrix kann gebrauchsfertig aus der Packung direkt eingebracht werden.
Als besonders verträglich werden allogene Matrices gelobt …
Iglhaut: Allogene Matrices unterliegen in Deutschland jedoch einer besonderen Zulassungspflicht und werden als Arzneimittel behandelt. Bei menschlichen Spendern sind Alter und Entnahmeorte stets unterschiedlich und beeinflussen sowohl die Wundheilung als auch die Eigenschaften. Die klinische Erfahrung bei porcinen Biomaterialien zeigt dagegen eine exzellente, sehr sichere Wundheilung.
Worauf ist das zurückzuführen?
Iglhaut: Unter anderem auf das Spendeprocedere: Porcine Materialien stammen stets von sechs Monate alten Tieren und werden immer an der gleichen Stelle entnommen. Die NovoMatrix stellt damit ein standardisiertes Biomaterial mit vorhersagbaren Ergebnissen dar.
Es gibt derzeit eine ganze Reihe von porcinen Matrices am Markt.
Iglhaut: Richtig, aber die Haptik ist nicht zu vergleichen. Die meisten Bindegewebsersatztransplantate lassen sich ohne zu reißen kaum in Weichgewebstunnel einziehen.
Man muss also aufklappen?
Iglhaut: Genau, denn mit Tunneltechnik lässt sich da häufig nicht arbeiten. Bei NovoMatrix handelt es sich dagegen um ein solides Gewebe, wie Bindegewebe eben, mit stets gleichmäßiger Dicke. Das ist der grundlegende Unterschied. Das Einsatzgebiet des Bindegewebsersatzes ist immens. Ich setze es bei der Rezessionsdeckung, bei der GTR oder auch als Membrane ein.
- Obwohl die CE-Kennzeichnung die sofortige Einführung eines Produkts auf dem Markt gestattet, haben sich BioHorizons und Camlog Biomaterials für einen evidenzbasierten Ansatz vor der Einführung der rekonstruktiven Gewebematrix NovoMatrix entschieden.
- Sowohl die Markteinführung europaweit als auch der Vertriebsstart in Deutschland verlaufen parallel zum OR Foundation Symposium in New York im April 2020. In den USA ist NovoMatrix nicht zugelassen.
Der Experte
PD Dr. Gerhard Iglhaut
seit 1987 in freier Praxis in Memmingen niedergelassen, Dozent und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uniklinik Freiburg, Tätigkeitsschwerpunkt Implantologie (DGI), Spezialist Parodontologie (EDA), ehemaliger DGI-Präsident.