(Digital-Sleep Apnea Device)Unterkiefer-Protrusionsschiene

Digitale Lösung beim Schlafapnoe-Syndrom

Störungen des Schlafs können gravierende gesundheitliche Konsequenzen haben. Umso wichtiger ist es, Symptome wie intensives Schnarchen und Atemaussetzer zu behandeln. Ein niedergelassener Zahnarzt aus München mit mehr als 20 Jahren Erfahrung in der Behandlung von Schlafapnoe-Syndromen berichtet von einem Fall, in dem eine komplett digitale Protrusionsschiene für den Unterkiefer das Problem einer 50-jährigen Patientin löste.


Schlafapnoe-Syndrom

Abb. 12a, 12b UK-Protrusionsschiene in situ © Rauscher


Ein gesunder Schlaf gehört zur Erholung von Körper und Geist. Wird der Schlaf dauerhaft gestört, kann dies zu gesundheitlichen Schäden führen. Tagesmüdigkeit als Folge fehlender Tiefschlafphasen wird zu einem gefährlichen Risiko, insbesondere bei der Bedienung von Maschinen und Fahrzeugen. Die Ursache dafür ist häufig ein Schlafapnoe-Syndrom. Laut der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie leiden rund 14 Prozent aller Männer und etwa sieben Prozent der Frauen darunter [1].

Unterkiefer-Protrusionsschiene als Alternative beim Schlafapnoe-Syndrom

Das obstruktive Schlafapnoe-Syndrom ist die häufigste schlafbezogene Atmungsstörung (SBAS) [2]. Dabei erschlafft die Muskulatur des weichen Gaumens im Schlaf. Das kann zu einer kritischen Verengung der oberen Atemwege führen. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Zungenmuskel, der im erschlafften Zustand in den Rachen rutschen kann. Aber auch ein zu weit zurückliegender Unterkiefer kann die kritische Verengung begünstigen. Im Ergebnis bekommt der Schlafende zu wenig oder gar keine Luft mehr. Das zeigt sich dann vor allem in lautem Schnarchen beziehungsweise in Atemaussetzern. Wie schwer Patienten betroffen sind, kann in einem Schlaflabor bestimmt werden.

Der Goldstandard für die Behandlung ist die CPAP-Maske (Continuous Positive Airway Pressure). Doch nicht jeder Patient toleriert solch eine Maske beim Schlafen. Alternativ kann eine Unterkiefer-Protrusionsschiene helfen [3]. Auch bei leichteren Formen des Schnarchens ohne Apnoe ist sie indiziert. Dabei wird der Unterkiefer protrudiert, um ein Nachhintenfallen des Unterkiefers und damit des Zungengrundes beim Schlafen zu verhindern. Unterkiefer-Protrusionsschienen entsprechen heute einer international leitlinienkonformen Therapie bei leicht- bis mittelgradiger obstruktiver Schlafapnoe [4]. Studien zeigen zum einen, dass sich die subjektiven Beschwerden signifikant verringern, zum anderen wird eine hohe Compliance beobachtet [5]. Bekannt sind unter vielen anderen die sogenannte „IST“- und die „TAP“-Schiene. Diese Geräte sind in der Regel tiefgezogene Schienen für beide Kiefer mit Vorrichtungen zur Protrusion des Unterkiefers. Im folgenden Fall wird eine Unterkiefer-Protrusionsschiene vorgestellt, die mit dem Intraoralscanner Primescan (Dentsply Sirona, Bensheim), spezieller Software und einem 3D-Druck-Verfahren der Firma Panthera (Quebec, Kanada) voll digital hergestellt wurde.

Kasuistik

Eine langjährige Patientin (50) kam zu mir in die Praxis, weil sich ihr Partner über ihr nächtliches Schnarchen beklagt hatte. In der Anamnese zeigte sich eine Neutralverzahnung, die Kiefergelenke und Kaumuskulatur waren klinisch unauffällig (Abb. 1). Ein Termin im Schlaflabor zur Sicherung der Diagnose war von der Patientin nicht gewünscht. Es wurde die Versorgung mit einer D-SAD-Unterkiefer-Protrusionsschiene beschlossen (Digital-Sleep Apnea Device).

Zum Start der Fertigung wurde auf der Primescan-Aufnahmeeinheit die Connect Software 5.1.2 geöffnet. Durch Klick auf „Connect Software“ oben rechts am Bildschirmrand und anschließend auf das Connect Case Center öffnet sich das Connect Portal (Abb. 2a). An dieser Stelle wurde das Labor „Panthera“ hinzugefügt. Nach der Eingabe der Patientendaten in der Connect Software wählte ich die Option „Kieferaufnahme und Abdruck“ aus (Abb. 2b). Es folgte der exakte Scan beider Kiefer. Wichtig war dabei eine genaue und vollständige Aufnahme auch der distalen Zähne sowie mindestens 3 mm der Gingiva (Abb. 3a-b).


Im nächsten Schritt ging es um die Bissregistrierung, die die geplante Unterkieferprotrusion und die Bisssperrung vorwegnehmen soll. Dazu habe ich die „George-Gauge-Bissgabel“ verwendet (Abb. 4). Sie ermöglicht schnelle, sichere und präzise Angaben für die Konstruktionsbissnahme. Mithilfe der mm-Skala erhält man genau ablesbare und reproduzierbare Werte zur individuellen Protrusion des Patienten. Auf dieser Grundlage kann die für die jeweilige Indikation optimale Protrusion für den Konstruktionsbiss eingestellt werden. Gemessen wurde damit die maximale Protrusion und Retrusion des Unterkiefers der Patientin, zur Einstellung wurde der Mittelwert genutzt. Damit entsteht bei der Protrusionsschiene genügend Spielraum zur Feinjustierung in beide Richtungen. In dieser Einstellung wurde die George-Gauge-Bissgabel mit einem Silikon beschickt und im Patientenmund inseriert. In dieser Position erfolgte die beidseitige bukkale Bissregistrierung mit der Primescan (Abb. 5). Dabei sollte darauf geachtet werden, dass das Silikon auf der Bissgabel die bukkalen Zahnflächen nicht bedeckt, sodass der Scanner und die Software den Biss korrekt korrelieren können. Eventuell muss das Registrat etwas zurückgeschnitten werden (Abb. 6). In der Connect Software wurde das virtuelle Modell berechnet, anschließend erfolgte die Eingabe der Bestelldaten. Mit dem Klick auf „Einkaufswagen senden“ war der Bestellvorgang in der Connect Software bereits abgeschlossen (Abb. 7).


Aktuell muss noch die genaue Spezifikation der Schlaftherapieschiene im Internetportal von Panthera bestimmt werden. Dazu wird nach erfolgreicher Registrierung auf der Haupt-Website von Panthera die Anwendung D-SAD ausgewählt. Danach wird der Anwender sukzessive durch das Bestellmenü geführt (Abb. 8a-b). Auf den ersten Blick erscheinen die Detailabfragen sehr umfangreich (Abb. 8c), doch nach meiner Erfahrung mit analog gefertigten Protrusionsgeräten kann in den allermeisten Fällen die von Panthera vorgeschlagene Vorgehensweise übernommen werden. Als Zahnarzt muss ich jedoch eine Entscheidung über die Einstellung der Protrusionslänge treffen. Es werden Austauschstangen in 0,5-mm-Schritten mitgeliefert. Ich präferiere die Auswahl unter Punkt 3 („retrude 1 mm and protrude 4 mm“), da ich zuvor bei der Bissregistrierung schon den gewünschten Protrusionswert eingestellt habe. Das bedeutet: Das Gerät kann später noch bei Bedarf in beide Richtungen titriert werden. Die Auswahl auf dieser Seite muss also in Abhängigkeit von der Bissnahme erfolgen (Abb. 9).

Der Bestellprozess wurde dann auf der letzten Seite mit dem Menüpunkt „Intraoral scanner inbox“ abgeschlossen (Abb. 10). Wer die Modelldaten nicht über das Connect Portal versenden möchte, kann an dieser Stelle auch STL-Daten hochladen. Die Bestätigung der Bestellung erfolgte per E-Mail, die Schiene war nach ca. 3 Wochen in der Praxis (Abb. 11).

Die Schlaftherapieschiene wurde dann zur Überprüfung der Passgenaugkeit inseriert, die Passung war sehr gut, und die Patientin berichtete am folgenden Kontrolltermin, dass sie nicht mehr schnarchen würde und gut zurechtkomme (Abb. 12a-b).

Nach etwa einer Woche traten jedoch leichte Kiefergelenksbeschwerden und -verspannungen auf. Daraufhin habe ich 1 mm längere Stangen eingesetzt, um die Protrusion zu verringern (Abb. 13). Ich riet der Patientin, das Gerät ein paar Tage lang nicht zu tragen. Die Beschwerden verschwanden, und das Schnarchen trat trotz geringerer Protrusion auch nicht mehr auf.


Die Schiene wurde im 3D-Druckverfahren aus Typ 12 Polyamid hergestellt, ein gedrucktes Kiefermodell zur Kontrolle gehörte zum Lieferumfang. Bei der Konstruktion wurde auf maximalen Platz für die Zunge geachtet. Die Protrusionsschiene ist sterilisierbar, und für den Patienten gibt es auch eine Reinigungsbox.

Diskussion zum Schlafapnoe-Syndrom

Patienten mit einem Schlafapnoe-Syndrom lassen sich auf verschiedene Weise behandeln. In diesem Fall wünschte die Patientin eine Lösung, die sie wenig beeinträchtigt und die Qualität ihres Schlafs verbessert. Die Schiene ist im Gegensatz zu Geräten mit metallischen Schubstangen sehr grazil und für Patienten sehr angenehm zu tragen. Das Besondere an der Erstellung dieser Protrusionsschiene war der unkomplizierte digitale Workflow, für den ich meine bestehende Infrastruktur mit der Primescan und der Connect Software nutzen konnte. Mit diesem Set-up erhalten Anwender die Möglichkeit, voll digital Protrusionsschienen herzustellen und erweitern damit ihr Behandlungsspektrum.

Literatur
[1] Viele Behandlungsmöglichkeiten beim Schlafapnoe-Syndrom (aerzteblatt.de), Abruf: 23.09.2021
[2] S3-Leitlinie Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörung. Kapitel „Schlafbezogene Atmungsstörungen bei Erwachsenen“. AWWF-Register Nr. 063/001. 063–001l_S3_SBAS_2017-08_2_verlaengert_und_Hinweis_Teil-Aktualisierung_2020–07.pdf (awmf.org) Abruf: 23.09.2021
[3] S3-Leitlinie (Langfassung) Diagnostik und Therapie des Schnarchens des Erwachsenen AWMF-Register-Nr. 017/068. Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e. V. 2019
[4] SCHWARTING, S. Unterkieferprotrusionsschienen zur Therapie der Schlafapnoe. Somnologie – Schlafforschung und Schlafmedizin
2013;17(3):149–158.
[5] FRANSSON A. A mandibular protruding device in obstructive sleep apnea and snoring. Swed Dent J Suppl 2003;27(163):1–49.PMID: 14713187.

Der Experte

Foto: Privat

Dr. Otmar Rauscher
International zertifizierter CEREC-Ausbilder, niedergelassen in eigener Praxis in München
praxis@dr-otmar-rauscher.de