Europäische Konsensuskonferenz 

Praxisleitfaden Periimplantitis

Den bereits dritten Praxisleitfaden zum Thema Periimplantitis hat die Europäische Konsensuskonferenz am Vortag des 15. Expertensymposiums des Bundesverbandes der implantologisch tätigen Zahnärzte in Europa e.V. (BDIZ EDI) verabschiedet. Anders als noch 2015 wurde nun auch die Implantoplastik als invasive Methode der Implantatreinigung aufgenommen, wie PD Dr. Jörg Neugebauer, Landsberg am Lech, verantwortlich für die Literaturrecherche, im Interview bestätigte.


Praxisleitfaden Periimplantitis 2020

Der BDIZ EDI hat einen neuen Praxisleitfaden zum Umgang mit Periimplantitis veröffentlicht. | © BDIZ EDI


Bereits zum dritten Mal hat die Europäische Konsensuskonferenz einen Praxisleitfaden Periimplantitis auf den Weg gebracht. Was wurde analysiert?

Neugebauer: Wir haben verschiedenste Aspekte untersucht, von der Diagnostik über mögliche Ursachen bis hin zu den therapeutischen Optionen. Bei den Therapieoptionen differenzieren wir zwischen Weichgewebsaugmentation, Mukositis-Therapie und dem chirurgischen Vorgehen.

Wir unterscheiden beim chirurgischen Vorgehen zwischen augmentativen und nichtaugmentativen Maßnahmen:

  • Für die nichtaugmentativen Maßnahmen können chirurgisches Debridement, die Implantoplastik, lokale Dekontamination und apikaler Verschiebelappen in der nichtästhetischen Zone positive Ergebnisse bei horizontalen Knochenabbau erzielen.
  • Mit der augmentativen Therapie lassen sich klinische Parameter bei vertikalen periimplantären Knochendefekten verbessern.

Was ist anders am neuen Praxisleitfaden Periimplantitis?

Neugebauer: Wir waren überrascht, dass der alte Praxisleitfaden nach wie vor stabil ist. Wir mussten keine Handlungsempfehlungen streichen. Die aktuelle Literatur stützt nach wie vor die Thesen aus dem Jahr 2015. Allerdings gibt es eine Inflation neuer Reviews zu dem Thema Periimplantitis, sogar Review-Arbeiten, die die Qualität der einzelnen Reviews beurteilen. Neue randomisierte Studien sind dagegen Mangelware. Deshalb gibt es auch nicht viele neue Erkenntnisse.

Wie steht es mit der Periimplantitis-Prävalenz? Das Thema wird ja nach wie vor kontrovers diskutiert. Gibt es neue, allgemeingültige Zahlen?

Neugebauer: Eine aktuelle Übersichtsarbeit – ausgewertet wurden 29 Studien – schätzt die Prävalenz auf 18 Prozent der Patienten und 12 Prozent der Implantate.

Viele Reviews, kaum Studien

Die Zahl der Arbeiten zum Thema Periimplantitis stieg jedes Jahr, bis zuletzt auf 368. Darunter waren im Jahr 2019 89 Übersichtsarbeiten, von denen viele Fallberichte sind. Dennoch wurden zwischen 2010 und 2019 nur sechs randomisierte kontrollierte Studien veröffentlicht. Auf Initiative und Einladung des BDIZ EDI erstellt die Europäische Konsensuskonferenz mit wechselnden Experten jährlich ein Konsensuspapier zu einer aktuellen Fragestellung in der Implantattherapie, nun zum dritten Mal zum Thema Periimplantitis.

Welche Rolle spielen bei der Entwicklung einer Periimplantitis das Implantatdesign und die richtige Innenverbindung?

Neugebauer: Bei Betrachtung der weltweit zur Verfügung stehenden Daten zeigt sich: Es gibt derzeit keine Hinweise darauf, dass konische Implantate mit einem höheren Periimplantitisrisiko behaftet sind als zylindrische Implantate oder umgekehrt. Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Art der Abutmentverbindung einen Einfluss auf das Periimplantitisrisiko hat.

Welche Risikofaktoren bergen die prothetischen Versorgungen, Stichwort Zementieren versus Verschrauben?

Neugebauer: Generell besteht weder bei verschraubten noch bei zementierten Suprakonstruktionen ein erhöhtes Risiko. Bei den entsprechenden Behandlungsprotokollen dagegen schon. Dazu zählen:

  • Fehlpositionierung der Suprakonstruktion relativ zum Weichgewebeniveau,
  • mangelhafte Hygienefähigkeit,
  • mangelhafte Technik der subgingivalen Zementierung,
  • statische Belastung durch prothetische Fehlpassung,
  • Mikrobewegungen des Abutments und/oder der Suprakonstruktion (z. B. Schraubenlockerung, Zementversagen)
  • und Fehlbelastung.


Was ist mit der Keimidentifikation?

Neugebauer: Die Keimsystematik ist kompliziert. Es gibt zwar deutlich mehr Keime, die heutzutage nachgewiesen werden können. Doch ein einzelner Parodontitis- oder Periimplantitiskeim lässt sich nicht identifizieren.

Parodontitispatienten tragen aber doch ein höheres Risiko, eine Periimplantitis zu entwickeln?

Neugebauer: Ja, aber wenn die Patienten engmaschig betreut werden im Rahmen einer unterstützenden Parodontitistherapie (UTP) oder regelmäßiger professioneller Implantat- und Zahnreinigung, ist es nicht höher als bei Patienten ohne Parodontalerkrankung.

Haben Sie auch neue Therapiemethoden in den Leitfaden aufgenommen, zum Beispiel die elektrolytische Biofilmentfernung?

Neugebauer: Nein, dazu fehlen noch ausreichende Daten. Eine ausreichende Datenlage haben wir nur bei der Photodynamischen Therapie. Die anderen Maßnahmen – etwa lokale Dekontaminationen mit chemischen oder physikalischen Maßnahmen – zeigen keinen Vorteil in der Literatur und sind – wie auch im Paper von 2015 – weiterhin nicht zu empfehlen. Chirurgisches Débridement, Implantoplastik, lokale Dekontamination und apikale Lappenreposition außerhalb des ästhetischen Bereichs haben bei horizontalem Knochenverlust nachweislich positive Ergebnisse gezeigt.


Konkrete Empfehlungen zu Periimplantitis-Behandlung

Im Video erklärt PD Dr. Jörg Neugebauer, welche Neuerungen es gibt und welche konkreten Empfehlungen die Fachgesellschaft bei der Behandlung von Zementitis, Mukositis und periimplantären Erkrankungen gibt.


Der Experte

Dr. Jörg Neugebauer

© privat

Priv.-Doz. Dr. Jörg Neugebauer

Habilitation an der Universität Köln, seit 2010 in der Gemeinschaftspraxis Dr. Bayer & Kollegen in Landsberg tätig, seit 2015 Partner, Vorstandsmitglied BDIZ EDI

Kontakt: neugebauer@implantate-landsberg.de