Knochen natürlich regenerieren
Pflanzliches Knochenaufbaumaterial gewinnt als Alternative zu xenogenen und allogenen Produkten neue „Fans“. Dr. Anne Benhamou hat dies früh erkannt und setzt seit mehr als 15 Jahren in ihrer Praxis in Paris erfolgreich auf die „vegane“ Knochenregeneration. Wir trafen sie auf dem Osteology-Symposium in Barcelona.
Knochenersatzmaterial aus Rotalgen gibt es schon ewig – wie erklären Sie sich den aktuellen Hype?
Benhamou: Natürliche Knochenregeneration ist „in“. Aus Rotalgen gewonnene phykogene Knochenaufbaumaterialen sind eine hervorragende Option für Patienten, die nicht mit Materialien tierischen oder menschlichen Ursprungs behandelt werden möchten. Und diese Patientengruppe nimmt definitiv zu.
Wie funktioniert das Material?
Benhamou: Die wabenartige Struktur fördert nachweislich das Einwachsen von Gewebe und die Anlagerung von neuem Knochen. Die chemische Zusammensetzung ist mit der des menschlichen Knochens vergleichbar. Das Material ist einfach zu applizieren und resorbiert sehr langsam. Ich präsentiere derzeit sehr viele Fälle. Denn Zahnärzte sollten sich darauf einstellen, dass immer mehr Patienten Augmentationen mit xenogenem und allogenem Material ablehnen. Diese Erfahrung mache ich jedenfalls in meiner Praxis in Paris.
Was sind „Ihre“ Hauptindikationen?
Benhamou: Wir setzen Symbios Algipore in erster Linie zur Knochenregeneration ein. Das Indikationsspektrum ist breit. Es gibt vorhersagbare Behandlungsergebnisse von Augmentationen im atrophierten Oberkiefer über das Füllen von Periimplantitisläsionen bis hin zum Sinuslift. Das Material funktioniert aus meiner Sicht wirklich fantastisch.
Dentsply Sirona hat auf den Trend zur natürlichen Knochenregeneration mit einem zweiten Rotalgenprodukt reagiert. Wie unterscheidet sich das bewährte Symbios Algipore vom neuen Symbios Biphasischen Knochenaufbaumaterial?
Benhamou: Das Symbios Biphasische Knochenaufbaumaterial verwenden wir seit 2015. Es resorbiert deutlich schneller im Vergleich zu Algipore. Genau diese schnellere Resorption ist das biphasische Markenzeichen. Symbios Biphasisches Knochenaufbaumaterial besteht zu 20 Prozent aus Hydroxylapatit und zu 80 Prozent aus ß-Trikalziumphosphat. Aufgrund des hohen Anteils an ß-Trikalziumphosphat gelingt die schnellere Resorption, reines Hydroxylapatit wie bei Algipore resorbiert langsamer.
Gibt es Unterschiede bei den Indikationen von Knochenersatzmaterial aus Rotalgen?
Benhamou: Ja! Die Indikationen sind nicht wirklich ähnlich: Ich verwende das Symbios Biphasische Knochenaufbaumaterial, wenn ich eine schnelle Resorption benötige, und verwende mehr Algipore, wenn ich eine langsame Resorption benötige oder eine Unterstützung des Gewebes für einen längeren Zeitraum. Alle Indikationen können unterschiedlich behandelt werden, sie haben jedoch verschiedene Verwendungsmöglichkeiten für unterschiedliche Situationen.
- In den 1980er-Jahren war Prof. Dr. Dr. Rolf Ewers – Ärztlicher Leiter und Gründer des Instituts für Cranio-, Maxillo-, Faciale und Orale Rehabilitation (C.M.F.) in Wien – mit seinem Team auf der Suche nach einem alternativen Knochenaufbaumaterial zu den seinerzeit üblichen Produkten tierischen Ursprungs. Sein Ziel war ein natürlicher, nachwachsender Rohstoff mit einer großen Ähnlichkeit zum menschlichen Knochen. Er experimentierte mit Rotalgen. Denn sie lagern zur Stabilisierung Kalziumkarbonat in die Zellwände ein, und die Algenzellen stehen über Mikroporen miteinander in Kontakt. Auf diesen Erfahrungen basiert Symbios Algipore.
- Dank der großen Porosität und der hohen Anzahl an Zellräumen ist Symbios Algipore sehr effizient bei der Knochenbildung und sorgt mit seiner Volumenstabilität und den sehr langsamen Resorptionseigenschaften für ein formstabiles Gerüst während der gesamten Phase der Knochenneubildung. Das Material wird nach einigen Jahren nahezu vollständig durch neu gebildeten vitalen Knochen ersetzt (Restitutio ad integrum). Die Biokompatibilität als proteinfreies phykogenes Material natürlichen Ursprungs macht das Material universell einsetzbar.
Der Experte
Dr. Anne Benhamou
ist niedergelassen in eigener privater Praxis in Paris. Zudem ist sie an der Universität Paris tätig. Tätigkeitsschwerpunkt: Ästhetische Implantologie.