Diese Allgemeinerkrankungen fördern das Risiko einer Periimplantitis
Dass Parodontitispatienten ein erhöhtes Periimplantitisrisiko haben, gilt als belegt. Wie aber sieht es mit dem Zusammenhang von systemischen Erkrankungen und der Entwicklung einer Periimplantitis aus? Antworten liefert Prof. Dr. Dr. Christian Walter im Interview.
Welchen Einfluss haben Allgemeinerkrankungen auf das Entstehen einer Periimplantitis? Gelten die gleichen Annahmen wie beim Entstehen einer Parodontitis?
Walter: Pauschal lässt sich das nicht beantworten. Dass systemische Erkrankungen orale Symptome aufweisen und/oder deren medikamentöse Therapie den Mundgesundheitszustand nachhaltig negativ beeinflussen können, steht außer Frage. Genetische Veränderungen und erworbene Immunveränderungen wie HIV und Autoimmunerkrankungen können zudem maßgeblich das Entstehen einer parodontalen Entzündung beeinflussen. Doch im Gegensatz zu dem Zusammenhang zwischen Allgemeinerkrankungen und Parodontitis ist der Einfluss auf das Entstehen einer Periimplantitis als Folge systemischer Erkrankungen kaum belegt. Dazu fehlen meist Daten.
Aber ein Diabetespatient dürfte doch häufiger von Periimplantitis betroffen sein als ein Nichtdiabetiker?
Walter: Diabetespatienten müsste man im Grunde einteilen
- in gut eingestellte Patienten und
- Patienten mit Hyperglykämie, das heißt, Patienten mit schlecht eingestelltem Diabetes und Patienten, bei denen die Diagnose noch nicht gestellt wurde.
Patienten mit einem gut eingestellten Diabetes haben ein kaum erhöhtes Risiko. Patienten mit schlecht eingestelltem Diabetes oder einer Hyperglykämie weisen hingegen ein deutlich erhöhtes Risiko auf.
Wie kann man dem entgegenwirken?
Walter: Genau das ist das Problem. Es fehlt noch ein Tool, um Patienten sicher mit einem nicht detektierten Diabetes identifizieren zu können. Eine Möglichkeit sind beispielsweise spezielle Anamnesebögen, die diabetestypische Komplikationen abfragen. Auch Veränderungen in der Mundhöhle – Mundtrockenheit, Karies, Parodontitis oder Wundheilungsstörungen nach Eingriffen – liefern Hinweise, so dass daraufhin weitere Diagnostik eingeleitet werden kann. Bei nicht erkannten Diabetikern, das sind in Deutschland schätzungsweise 1,3 Millionen Personen, ist das Periimplantitisrisiko wahrscheinlich sehr hoch. Doch die Datenlage ist schwach. Immerhin, es gibt Studien, die gut eingestellte Diabetiker mit schlecht eingestellten verglichen haben [Al-Zahrani S. et al 2019]. Nach sieben Jahren war der mittlere Knochenabbau bei schlecht eingestellten Diabetikern deutlich höher als bei den gut eingestellten.
Wie sieht es bei anderen Allgemeinerkrankungen mit dem Risiko für Periimplantitis aus, etwa bei Rheumapatienten?
Walter: Unter dem Begriff Rheuma subsumieren sich mehr als 450 Krankheiten. Die Patientengruppe ist ausgesprochen inhomogen. Es kommt insofern auf die jeweilige Erkrankung und die damit verbundene medikamentöse Therapie an. Es gibt vier Hauptgruppen (dazu jeweils einige Beispiele):
- Entzündliche rheumatische Erkrankungen: Juvenile idiopathische Arthritis, Rheumatoide Arthritis, Morbus Bechterew Psoriasis Arthritis, Kollagenosen ANCA-assoziierte Vaskulitiden
- Degenerative Gelenk- und Wirbelsäulenerkrankungen: Arthrose, Spondylose
- Weichteilrheumatismus wie Fibromyalgie
- Stoffwechselerkrankungen mit rheumatischen Beschwerden: Osteoporose, Gicht, Diabetes [Jepsen S. et al. 2019]
Für viele dieser Erkrankungen fehlt es mit Blick auf das Periimplantitisrisiko an Evidenz. Manche der jeweiligen medikamentösen Therapien haben zwar Einfluss auf die Implantateinheilung, nicht aber zwangsläufig auch auf die Entwicklung einer Periimplantitis. Dazu zählen beispielsweise Immunsuppressiva und auch antiresorptive Substanzen. Bei rheumatischer Erkrankung kann natürlich die fortschreitende Einschränkung der manuellen Fähigkeiten des Patienten zu einer mangelhaften Mundhygiene und damit zur Entwicklung einer Periimplantitis führen. Doch auch bei schweren Krankheitsverläufen hat man bei dieser Patientengruppe eine mittlere bis langfristige Verweildauer der Implantate beobachtet.
Gilt das auch für Osteoporose? Sie wird immerhin sehr häufig als Periimplantitisrisikofaktor genannt …
Walter: … doch die Literatur zeigt: Es gibt keinen Unterschied zwischen Implantatverlust bei Osteoporosepatienten und gesunden Patienten. Aber: Beim Implantieren ist eine Modifikation des Bohrprotokolls – die unterdimensionierte Aufbereitung, Bone Condensing, Linkslauf des Bohrers – zu empfehlen. Selbst die Gabe von Bisphosphonaten verursacht per se keine Periimplantitis, sondern birgt vor allem das Risiko einer Osteonekrose. Bei diesen Patienten bedarf es partiell auch wiederum einer veränderten Implantatbettaufbereitung. Durch die Sklerosierung kann der Knochen deutlich fester sein und muss deshalb weiter aufbereitet werden als üblich.
Aber nach wie vor gilt: Parodontitispatienten haben ein höheres Periimplantitisrisiko als parodontal Gesunde?
Walter: Richtig, ob sich tatsächlich eine Periimplantitis entwickelt, hängt vor allem vom Ausmaß und der Art der Parodontitis sowie der Suffizienz der jeweiligen PA-Therapie ab.
Was empfehlen Sie dem Praktiker?
Walter: Vor jeder Implantation bedarf es einer ausführlichen Anamnese und Diagnostik. Der Patient muss auf prospektiv zu berücksichtigende Probleme angesprochen werden. In vielen Fällen lässt sich das Risiko der Entwicklung einer Periimplantitis über eine gute Compliance des Patienten deutlich reduzieren.
- Abwesenheit von klinischen Entzündungszeichen wie Rötung, Schwellung, Bluten auf Sondieren und Suppuration.
- Unter Mukusitis versteht man die plaque-assoziierte Entzündung periimplantärer Weichgewebe ohne periimplantären Knochenabbau.
- Die Periimplantitis-Prävalenz liegt bei 22 Prozent der Implantate, die Prävalenz einer periimplantären Mukositis bei 43 Prozent [Derks J. et al. 2015]
- Patientenseitige Risikofaktoren sind: Rauchen, Bestrahlung, Diabetes, Geschlecht und Belastungszeit der Implantate. Zu den lokalen Risikofaktoren zählen Zementüberschüsse, Parodontitis, schlechte Mundhygiene, Compliance und ggf. die Menge an fixierter und/oder keratinisierter Gingiva.
Der Experte
Prof. Dr. Dr. Christian Walter
ist seit Juli 2016 Partner der MKG-Chirurgie Mediplus-Praxisklinik in Mainz. Zuvor arbeitete er mehr als 13 Jahre an der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, plastische Operationen, Universität Mainz.
walter@mainz-mkg.de