Bulk-Fill-Komposit: Die substanzschonende Alternative zur Teilkrone
Für die substanzschonende Restauration von großen Kavitäten mit Höckerbeteiligung im okklusionstragenden Seitenzahnbereich wird die Verwendung von direkten Kompositen als Alternative zu indirekten Onlays und Teilkronen immer beliebter. Besonders einfach und schnell gelingt das mit einem thermoviskosen Bulk-Fill-Komposit.
Eine 50-jährige Patientin erschien in unserer Sprechstunde zum Austausch der Kompositfüllung in Zahn 46, da sich aufgrund des fehlenden distalen Approximalkontakts regelmäßig eine Speiseimpaktion im Zahnzwischenraum zum zweiten Molaren einstellte. Der Zahn reagierte auf den Kältetest ohne Verzögerung sensibel und zeigte auf den Perkussionstest ebenfalls keine Auffälligkeiten. Nach der Aufklärung über mögliche Behandlungsalternativen und deren Kosten entschied sich die Patientin für eine plastische Füllung mit dem thermoviskosen Bulk-Fill-Komposit VisCalor bulk (VOCO) in der Bulk-Fill-Technik.
Vorbereitungen für die Restauration mit Bulk-Fill-Komposit
Zu Beginn der Behandlung wurde der betreffende Zahn mit fluoridfreier Prophylaxepaste und einem Gummikelch gründlich von externen Auflagerungen gesäubert. Anschließend wurde die passende Kompositfarbe am noch feuchten Zahn ermittelt. Das alte Kompositmaterial wurde nach der Verabreichung von Lokalanästhesie vorsichtig aus dem Zahn entfernt. Nach dem Exkavieren wurde die Präparation mit Feinkorndiamanten finiert. Im Bereich des distalen Kastens verlief die Defektbegrenzung deutlich subgingival, der distolinguale Höcker fehlte und musste nachfolgend somit komplett mit Komposit wieder rekonstruiert werden. Die Kompositfüllung in Zahn 47 wurde an der mesialen Fläche rekonturiert, da sie eine unphysiologische Ausbuchtung aufwies. Nachfolgend wurde das Behandlungsareal durch das Anlegen von Kofferdam isoliert, der im distalen Approximalraum des zu behandelnden Zahns in der Langlochtechnik positioniert wurde. Im Anschluss wurde die Kavität mit einer zirkulären Metallmatrize eingegrenzt, die im distalen Bereich mit einem lichthärtenden Provisoriumsmaterial (Clip, VOCO) stabilisiert wurde. Auf einen distalen Keil wurde verzichtet, da die Gefahr bestand, dass dieser die Matrize beim Einbringen auf den Kastenboden disloziert hätte.
Total-Etch-Vorbehandlung
Für die adhäsive Vorbehandlung der Zahnhartsubstanz wurde das Universaladhäsiv Futurabond M+ (VOCO) ausgewählt. Bei Futurabond M+ handelt es sich um ein modernes Einflaschen-Universaladhäsiv, das mit allen gebräuchlichen Konditionierungstechniken und sämtlichen derzeit angewendeten Adhäsivstrategien kompatibel ist („Multi-mode“-Adhäsiv): der phosphorsäurefreien Self-Etch-Technik und beiden phosphorsäurebasierten Etch-and-Rinse-Konditionierungstechniken (selektive Schmelzätzung bzw. komplette Total-Etch-Vorbehandlung von Schmelz und Dentin mit Phosphorsäure). Auch bei diesen Universaladhäsiven resultiert die vorangehende Phosphorsäurekonditionierung des Zahnschmelzes (selektive Schmelzätzung) in einer besseren Haftvermittlung. Im Gegensatz zu den klassischen Self-Etch-Adhäsiven verhalten sich die neuen Universaladhäsive unempfindlich gegenüber einer Phosphorsäureätzung des Dentins. Die Möglichkeit, bei Verwendung dieser Universaladhäsive das Applikationsprotokoll in Abhängigkeit von intraoralen Notwendigkeiten ohne Wechsel des Haftvermittlers jederzeit kurzfristig variieren zu können, reduziert die Techniksensitivität und gibt dem Behandler die nötige Freiheit, auf unterschiedliche klinische Situationen (z. B. pulpanahes Dentin, Blutungsgefahr der angrenzenden Gingiva etc.) flexibel reagieren zu können.
Im vorliegenden Fall wurde die Total-Etch-Vorbehandlung von Schmelz und Dentin mit Phosphorsäure eingesetzt. Hierzu wurde 35%ige Phosphorsäure (Vococid) zuerst zirkulär entlang der Schmelzränder aufgetragen und wirkte dort für 15 sec ein. Danach wurde zusätzlich das gesamte Dentin der Kavität mit Ätzgel bedeckt (total etch). Nach weiteren 15 sec Einwirkzeit wurden die Säure und die damit aus der Zahnhartsubstanz herausgelösten Bestandteile gründlich mit dem Druckluft-Wasser-Spray für 20 sec abgesprüht und anschließend überschüssiges Wasser vorsichtig mit Druckluft aus der Kavität verblasen. Abbildung 7 der Bildergalerie zeigt die Applikation einer reichlichen Menge des Universalhaftvermittlers Futurabond M+ auf Schmelz und Dentin mit einem Microbrush. Das Adhäsiv wurde für 20 sec mit dem Applikator sorgfältig in die Zahnhartsubstanzen einmassiert. Nachfolgend wurde das Lösungsmittel mit trockener, ölfreier Druckluft vorsichtig verblasen und der Haftvermittler danach mit einer Polymerisationslampe für 10 sec ausgehärtet.
Sorgfältiges Adhäsivprotokoll
Es resultierte eine glänzende und überall gleichmäßig von Adhäsiv benetzte Kavitätenoberfläche. Dies sollte vor dem Einbringen des Restaurationsmaterials sorgfältig kontrolliert werden, da matt erscheinende Kavitätenareale ein Indiz dafür sind, dass nicht ausreichend Adhäsiv auf diese Stellen aufgetragen wurde. Im schlimmsten Fall könnte sich dies in einer verminderten Haftung der Füllung an diesen Bereichen auswirken. Parallel dazu einhergehend wäre auch eine optimale Versiegelung betroffener Dentinareale gefährdet. Eine mangelhafte Versiegelung einzelner Dentinabschnitte kann bei vitalen Zähnen zu persistierenden postoperativen Hypersensibilitäten führen. Diese Komplikation, die oft den Austausch einer neu angefertigten Restauration bedingt, lässt sich aber in den meisten Fällen durch ein sorgfältiges Adhäsivprotokoll vermeiden. Werden daher bei der visuellen Kontrolle derartige, nicht von Adhäsiv abgedeckte, matt aussehende Areale entdeckt, so wird dort korrigierend selektiv nochmals Haftvermittler aufgetragen, um die Adhäsivschicht zu optimieren.
VisCalor bulk fließt in der erwärmten Phase optimal an die Kavitätenwände an, auch in engen und untersichgehenden Bereichen. Prof. Dr. Jürgen Manhart
Applikation des Bulk-Fill-Komposit
Das in einem Kompositofen (Caps Warmer, VOCO) auf 68 °C erwärmte thermoviskose Komposit VisCalor bulk wurde zuerst nur im Bereich des distalen Kastenbodens in geringer Menge appliziert. Die schmale, biegsame Kanüle der VisCalor bulk-Kompule erleichtert dabei eine direkte Applikation auch in schwer zugänglichen Bereichen und engen Kavitätenarealen. Ein spezielles Handinstrument (Easy Contact Point, Helmut Zepf Medizintechnik GmbH, Seitingen-Oberflacht) zur Gestaltung eines straffen Approximalkontaktes wurde in die noch nicht polymerisierte Kompositmasse eingesetzt. Durch kontrolliertes, festes Andrücken des an der Spitze des Arbeitsendes gabelförmig gestalteten Instrumentes gegen den Nachbarzahn wurde die Matrize im Kontaktbereich in die gewünschte Form gebracht und der Zahn sowie auch der Nachbarzahn wurden – wie bei der Verwendung eines Holzkeils – minimal aus der Ruheposition ausgelenkt, um die Matrizenbanddicke zu kompensieren.
Modellierung des fehlenden Höckers
Gleichzeitig wurde ein zervikaler Kompositsteg ausgeformt, der nach dem Aushärten des Füllungsmaterials für 20 sec mit einer Polymerisationslampe (Lichtintensität ≥ 1.000 mW/cm²) – das Instrument bleibt beim Polymerisationsvorgang in der Kavität – die Matrize in dieser vorverspannten Position gegen den Nachbarzahn stabilisiert und dadurch einen straffen Approximalkontakt gewährleistet. Nachfolgend wurde mit dem nächsten Inkrement VisCalor bulk das restliche Kavitätenvolumen (maximale Schichtstärke 4 mm) komplett in der Bulk-Fill-Technik aufgefüllt und die Außenkontur des fehlenden distolingualen Höckers modelliert. Diese Schicht wurde wiederum für 20 sec mit Licht polymerisiert. Nach Entfernung der Metallmatrize wurde die Restauration auf Imperfektionen kontrolliert und anschließend noch zusätzlich für jeweils 10 sec von mesiobukkal, mesiolingual, distobukkal und distolingual nachbelichtet.
Die Fließfähigkeit eines flowable Komposits während der Applikation wird mit der Modellierbarkeit eines stopfbaren Komposits vereint. Prof. Dr. Jürgen Manhart
Finish der Restauration
Nach Abnahme des Kofferdams wurde die höckerersetzende direkte Restauration mit Bulk-Fill-Komposit sorgfältig mit rotierenden Instrumenten (okklusal) und abrasiven Scheibchen (approximal) ausgearbeitet und die statische und dynamische Okklusion adjustiert. Danach wurde mit diamantimprägnierten Silikonpolierern (Dimanto, VOCO) eine glatte und glänzende Oberfläche der Restauration erzielt. Die letzte Abbildung der Bildergalerie zeigt die fertige direkte Kompositrestauration mit Höckerersatz, welche die ursprüngliche Zahnform mit anatomisch funktioneller Kaufläche, physiologisch gestaltetem Approximalkontakt und ästhetisch akzeptabler Erscheinung wiederherstellt. Zum Abschluss wurde mit einem Schaumstoffpellet Fluoridlack (Bifluorid 12, VOCO) auf die Zähne appliziert.
- Mit dem thermoviskosen Bulk-Fill-Komposit VisCalor bulk hat VOCO ein bei Raum- und Körpertemperatur hochviskoses Kompositmaterial auf den Markt gebracht, das durch Erwärmung in einem Kompositofen oder einem speziellen Dispenser mit Aufwärmfunktion auf die Temperatur von 68 °C in eine fließfähige Konsistenz überführt wird (Thermo-Viscous-Technology).
- Das Material fließt in der erwärmten Phase optimal an die Kavitätenwände an, auch in engen und untersichgehenden Bereichen, und erleichtert somit die Applikation des Füllungsmaterials in den Zahndefekt.
- VisCalor bulk erreicht bei Zahnkontakt innerhalb kurzer Zeit Körpertemperatur und geht somit wieder in den hochviskosen, modellierbaren Zustand über.
- Das Material vereint somit die Fließfähigkeit eines flowable Komposits während der Applikation mit der Modellierbarkeit eines stopfbaren Komposits.
- Da die gesamte Kavität mit demselben Material gefüllt werden kann, ergibt sich auch eine Zeitersparnis gegenüber kombinierten Systemen aus fließfähigen und modellierbaren Kompositmaterialien.
Der Experte
Prof. Dr. Jürgen Manhart
Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Uniklinik München, bietet Fortbildungskurse im Bereich der ästhetisch-restaurativen Zahnheilkunde
manhart@manhart.com