Endodontie

Wurzelkanalbehandlung: So erreichen Sie eine sichere Langzeitprognose

Die Chancen, Zähne durch eine endodontische Therapie zu erhalten, haben sich in den vergangenen Jahren stetig verbessert. Für eine gute Langzeitprognose nach erfolgreicher Wurzelkanalbehandlung stellt die Menge an belassenem natürlichem Dentin einen wichtigen Parameter dar. Aktuell schafft dafür ein neues endodontisches Behandlungskonzept, bestehend aus Feilen, Spülkanüle und darauf abgestimmten Papier- und Guttaperchaspitzen, noch bessere Voraussetzungen.


Wurzelkanalbehandlung Langzeitprognose

Die klinische Ausgangssituation mit deutlichen Aufhellungen im gesamten Bereich der Wurzelkanäle (l.) und der Erfolg der endodontischen Behandlung (M. und r.). © Dr. Ahmed Salman


Insbesondere bei nicht oder nur gering vorgeschädigten Zähnen tut es geradezu weh, zur Darstellung der Kanaleingänge gesunde Substanz opfern zu müssen. Aber was tun, wenn das Endodont von Bakterien befallen ist, der Patient über Schmerzen klagt und ein Übergreifen des Entzündungsgeschehens auf den Kieferknochen und letztlich sogar Knochenabbau drohen? Intuitiv möchte man doch möglichst viel Zahnhartsubstanz erhalten, und das ist auch die richtige Strategie für eine langfristig erfolgreiche endodontische Behandlung. Dies trifft sowohl auf nicht oder gering als auch auf bereits stärker geschädigte Zähne zu. Ganz allgemein gilt: Dentinschonung verbessert bei einer Wurzelkanalbehandlung die Langzeitprognose [1].

Bessere Sicht – geringeres Bruchrisiko

Andererseits hat man zwei Dinge gelernt:

  • Zuallererst braucht der Behandler eine gute Sicht auf die Kanaleingänge. Nur dann kann er deren Anatomie richtig einschätzen, einen guten Zugang präparieren und den Gleitpfad optimal für die anschließende Aufbereitung gestalten.
  • Zweitens muss der Behandler alle Feilen gerade in den Wurzelkanal einführen. Denn selbst Nickel-Titan-Feilen kennen eine Grenze der Flexibilität, und die Krümmung der Kanäle lässt sich kaum je hundertprozentig vorab einschätzen. Ein gewisses Bruchrisiko ist daher stets vorhanden und deshalb ist grundsätzlich ein Sicherheitspuffer zu empfehlen.
  • Sowohl das Streben nach einer optimalen Sicht als auch die Minimierung des Bruchrisikos können, je nach der klinischen Ausgangssituation, dafür sprechen, im Zweifelsfalle etwas mehr Zahnhartsubstanz zu entfernen.

Schonendere Wurzelkanalbehandlung – bessere Langzeitprognose

Der möglicherweise besseren Sicht und der Bruchrisikominimierung steht bei der Wurzelkanalbehandlung die Verbesserung der Langzeitprognose durch ein dentinschonendes Vorgehen gegenüber. Jüngste Entwicklungen in der Endodontie lassen es jetzt häufiger in den Bereich des Möglichen rücken.

Eine dieser Entwicklungen betrifft die bessere Abschätzung der Kanalanatomie dank moderner bildgebender Verfahren, konkret: der dreidimensionalen Röntgentechnik. Sie ermöglicht eine genauere Einschätzung der Wurzelkanalanatomie und damit eine stringente Behandlungsplanung. In welcher Phase der Gleitpfad-Anlegung und der Wurzelkanal-Aufbereitung tatsächlich ein erhöhtes Feilenbruchrisiko bestehen könnte, ist dem Behandler damit von vorneherein klar, und er kann sich bei der Behandlung danach richten.


Schlankere Feilen für möglichst kleine Zugangskavität

Eine andere Entwicklung betrifft die Endo-Feilen. Über viele Jahre hat man zwar eine stetige Verbesserung der Flexibilität gesehen, doch aktuell schlägt sich dies in neuen, qualitativ besseren Verfahren nieder. Mit schlankeren Feilen, die insbesondere in ihrem oberen Bereich keine große Zunahme des Durchmessers aufweisen, verzichtet man bewusst auf eine ausgedehnte Erweiterung des Kanals nach koronal.

Es schließt sich natürlich gleich die Frage an: Wie führe ich die Feile dann gerade in den Kanal ein? Antwort: Das braucht man nicht. Denn bei bestimmten Feilentypen (TruNatomy, Dentsply Sirona) haben die Forscher und Entwickler inzwischen eine derart hohe Flexibilität erreicht, dass kein geradliniger Zugang mehr notwendig ist. Somit lässt sich eine Präparation der Zugangskavität so klein wie möglich, aber gleichzeitig so groß wie nötig, um ausreichende Sicht zu haben, durchführen.

Bei bestimmten Feilentypen haben Forscher und Entwickler inzwischen eine derart hohe Flexibilität erreicht, dass kein geradliniger Zugang mehr notwendig ist. <span class="su-quote-cite">Dr. Christian Ehrensberger</span>

Geeignete Indikationen

Solche Instrumente mit einer stark regressiven Konizität eignen sich grundsätzlich für jeden endodontischen Fall. Besonders empfehlen lassen sie sich beispielsweise für endodontisch erkrankte, aber kariesfreie Seitenzähne. Bei Molaren mit starker Wurzelkanalkurvatur erweisen sich die Instrumente als fehlerverzeihend und helfen, ohne Stufen auf Arbeitslänge zu kommen. Eine weitere „Paradeindikation“ stellt der Inzisivus im Unterkiefer dar, der bei der visuellen Prüfung eine eher grazile Anatomie vermuten lässt.

Jeder wird sich spontan an solche Fälle aus der eigenen Praxis erinnern. Heute gibt es dafür neue endodontische Verfahren für eine Erhaltung von mehr Dentin und damit für eine bessere Langzeitprognose. Auch eröffnet der Erhalt von mehr Zahnhartsubstanz mehr Alternativen für die postendodontische restaurative Versorgung. Zum Beispiel lässt sich öfter statt einer indirekten eine direkte Restauration wählen, oder es kann zumindest auf einen Wurzelstift verzichtet werden. Besonders zu empfehlen ist für die direkte postendodontische Versorgung ein fließfähiges Bulkfüll-Material mit besonders geringem Schrumpfungsstress (SDR flow+, Dentsply Sirona) [1]. Die zugrundeliegende Werkstoff-Technologie ist bereits seit zehn Jahren erfolgreich.


Fazit für die Praxis: immer öfter dentinschonend

Die angesprochenen neuen Verfahren umfassen idealerweise über das Feilensortiment hinaus ein System von abgestimmten Komponenten. Dazu gehören zum Beispiel eine flexible Spülkanüle sowie Papierspitzen und Obturatoren in zu den Feilen passenden Größen (Conform Fit, Dentsply Sirona). Damit kann das „Endo-Praxisteam“ noch ein Stück weit sicherer zum Erfolg gelangen.

Auf diese Weise bietet ein solches Behandlungskonzept die Voraussetzungen für eine effektive Desinfektion des Kanals, für einen spürbar präzisen Tug-Back-Effekt und für eine formschlüssige Abdichtung. So lässt sich selbst bei stark gekrümmten Kanälen oder eingeschränktem Zugang ein vorhersagbarer endodontischer Erfolg erzielen und für den betreffenden Zahn eine gute Prognose stellen.


Literatur
  1. Gluskin AH, Peters CI, Peters OA. Minimally invasive endodontics: challenging prevailing paradigms. British Dent J 2014; 216(6): 347-353. doi: 10.1038/sj.bdj.2014.201