Gesetz zur Stärkung der Versorgung

Relevanz des neuen Gesetzes für die Zahnarztpraxis

Zum 1. August 2015 ist das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung in Kraft getreten und auch für die vertragszahnärztliche Versorgung relevant. Einige Neuregelungen sind für Zahnärzte besonders zu beachten.


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Das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VSG) hat am 10.07.2015 den Bundesrat passiert. Gemäß den Empfehlungen des Ausschusses für Gesundheit hat die Länderkammer nicht den Antrag auf Einberufung des Vermittlungsausschusses (Art. 77 Abs. 2 GG) gestellt. Mittlerweile wurde das Gesetz ausgefertigt und verkündet, so dass es am 23. Juli in Kraft getreten ist.

Grundsätzlich finden alle Vorschriften des vierten Kapitels des SGB V auch auf Zahnärzte entsprechende Anwendung, sofern nichts Abweichendes bestimmt ist (§ 72 Abs. 1 S. 2 SGB V). Dementsprechend finden die meisten Neuregelungen auch auf die vertragszahnärztliche Versorgung Anwendung. Überwiegend zielen sie jedoch ausdrücklich oder nach ihrem Sinn und Zweck ausschließlich auf die vertragsärztliche Versorgung und die Krankenhausbehandlung ab (siehe Ziffer 6). Die im Folgenden unter den Ziffern 1–5 dargestellten Neuregelungen des GKV-VSG sind jedoch für Zahnärzte von besonderer Bedeutung.

1. Präventionsmanagement

Menschen mit Behinderungen haben einen Anspruch auf Leistungen zur Verhütung von Zahnerkrankungen (§ 22a SGB V). Nachdem zuletzt die aufsuchende Behandlung in Pflegeheimen bereits durch das Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG) mit Änderungen in § 119 b SGB V verbessert wurde, wird nun der Anspruch auf ein Präventionsmanagement geschaffen. Konkret geht es um die Erhebung eines Mundgesundheitsstatus, die Aufklärung über die Bedeutung der Mundhygiene und über Maßnahmen zu deren Erhaltung, die Erstellung eines Plans zur individuellen Mund- und Prothesenpflege sowie die Entfernung harter Zahnbeläge. Pflegepersonen sollen dabei einbezogen werden.

Der Plan zur individuellen Mund- und Prothesenpflege enthält Angaben zu den jeweils notwendigen und sinnvollen Maßnahmen zur täglichen Mund- und Prothesenhygiene. Abhängig von den Einschränkungen des Patienten beschreibt der Plan, welche Maßnahmen vom Patienten oder von seiner Pflegeperson in welcher Häufigkeit durchzuführen sind. Der Erfolg der Maßnahmen ist in regelmäßigen Abständen zu überprüfen und dann der Plan gegebenenfalls anzupassen. Der Gesetzgeber erkennt also für diese Personen einen besonderen Bedarf an individualprophylaktischen Leistungen an, unabhängig davon, ob sie zu Hause oder in einer Einrichtung betreut oder gepflegt werden.

Die nähere Ausgestaltung, insbesondere also die Bestimmung von Art und Umfang der Leistungen, erfolgt durch den Gemeinsamen Bundesausschuss in Richtlinien.

2. Fachgleiche Medizinische Versorgungszentren

Das Merkmal „fachübergreifend“ in § 95 Abs. 1 SGB V ist für Medizinische Versorgungszentren zukünftig kein Gründungs‧erfordernis mehr. Damit können beispielsweise reine Zahnarzt-MVZ, Hausarzt-MVZ oder Psychotherapeuten-MVZ gegründet werden.

Da es in der vertragszahnärztlichen Versorgung keine Zulassungssperren gibt, könnte dies erhebliche Auswirkungen auf die Versorgungsstruktur haben. Anders als im vertragsärztlichen Bereich können zahnärztliche MVZ nämlich gegründet werden, ohne bestehende Zulassungen zu übernehmen, das heißt zu kaufen.

Neben den erforderlichen Räumlichkeiten und Gerätschaften reichen zwei zulassungsfähige Zahnärzte für die Errichtung eines MVZ. Die Etablierung von Versorgungsangeboten, beispielsweise auch „Kettenpraxen“, völlig unabhängig von der eigenen inhabergeführten Praxis, ist damit relativ unproblematisch möglich. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) sehen in der Neuregelung eine Vergrößerung der Möglichkeit für marktwirtschaftlich organisierte Gesellschaften, an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilzunehmen und dabei eventuell andere ökonomische Zielsetzungen und Behandlungskonzepte zu verfolgen als niedergelassene Vertragszahnärzte. Insofern wird eine dem Selbstverständnis des Berufsstands zuwiderlaufende Vergewerb‧lichung befürchtet.

Eine vermehrte MVZ-Gründung würde aber sicher auch Berufschancen für Zahnärzte der sogenannten „Generation Y“ bieten. Scheuen Zahnärzte das wirtschaftliche Risiko einer Niederlassung oder wollen sich nicht mit den administrativen Seiten derselben befassen, gibt es hier möglicherweise Perspektiven.

3. Selektivverträge

Mit Argusaugen wird von der Bundesärztekammer (BÄK) und der BZÄK der neugefasste § 140a SGB V betrachtet. Diese Vorschrift fasst die bisher in §§ 73a, 73c und § 140a SGB V geregelten Möglichkeiten der gesetzlichen Krankenkassen, Verträge über eine besondere ambulante ärztliche Versorgung zu schließen, zusammen. Zudem besteht die Möglichkeit für Krankenkassen, selektiv mit den verschiedenen Leistungserbringern Verträge abzuschließen und Vereinbarungen zu treffen, die nur die Organisation der Versorgung betreffen.

Nach der Neuregelung des § 71 SGB V entfällt die Pflicht, Selektivverträge vor dem Abschluss den zuständigen Aufsichtsbehörden vorzulegen, was grundsätzlich zu einer Entbürokratisierung des Verfahrens bei Selektivverträgen führt. Von vielen Seiten wird die Ausweitung der Möglichkeiten im selektivvertraglichen Bereich als Angriff auf die Freiberuflichkeit gesehen.

4. Vertretung von angestellten Zahnärzten

In § 32b Zahnärzte-Zulassungsverordnung ist klargestellt, dass auch angestellte Zahnärzte bei Vorliegen eines Vertretungsgrundes (Krankheit, Fortbildung etc.) für die Dauer von sechs Monaten vertreten werden können, aber auch wenn das Anstellungsverhältnis durch Tod, Kündigung oder aus anderen Gründen endet und sogar wenn der Angestellte freigestellt wird.

5. Hochschulambulanzen/Behandlungszentren

Ambulanzen, Institute und Abteilungen der Hochschulkliniken (Hochschulambulanzen) bedürfen künftig keiner Ermächtigung durch den Zulassungsausschuss mehr. Vielmehr sind sie nach der Neuregelung kraft Gesetzes zur Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung ermächtigt, und zwar in dem für Forschung und Lehre erforderlichen Umfang sowie für Personen, die wegen Art, Schwere oder Komplexität ihre Erkrankung einer Untersuchung oder Behandlung durch die Hochschulambulanzen bedürfen.

Bezogen auf die zahnärztliche Versorgung kann die Neuregelung eine gewisse Bedeutung erlangen, wenn eine Sedierung oder Narkose erforderlich wird. Zu denken ist da vor allem an die Behandlung von Kindern und Menschen mit Behinderungen.

6. Zweitmeinungsverfahren/Terminservicestellen/Einziehung von Zulassungen nicht für Zahnärzte

Das im Gesetz angelegte Zweitmeinungsverfahren (§ 27b) hat bei Zahnärzten keine Relevanz. Seit geraumer Zeit haben die meisten Kassenzahnärztlichen Vereinigungen Zweitmeinungsmodelle, in deren Rahmen zu Heil- und Kostenplänen Zweitmeinungen eingeholt werden können. Zudem gibt es im zahnärzt‧lichen Bereich keine „mengenanfälligen“ planbaren Eingriffe, die der Gesetzgeber hier im Blick hatte. Die Regelungen zu den Terminservicestellen gelten für den zahnärztlichen Bereich ausdrücklich nicht (§ 75 Abs. 1a S. 12 SGB V). Auch die Regelungen, die das Ausschreibungsverfahren bei vertragsärztlichen Zulassungen zum Abbau von Überversorgung betreffen, spielen in der vertragszahnärztlichen Versorgung keine Rolle, da die Vorschriften nicht anwendbar sind (§ 103 Abs. 8 SGB V).

RA Jens-Peter Jahn

ist Fachanwalt für Medizinrecht in der Kanzlei DR. HALBE RECHTSANWÄLTE in Köln mit einem Tätigkeitsschwerpunkt im Zahnarztrecht.

koeln@medizin-recht.com