Die unbekannte Sicherungsaufklärung
Die Aufklärungspflicht vor der zahnärztlichen Heilbehandlung kann als bekannt vorausgesetzt werden. Wird dieser Aufklärungspflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen, können Haftungsansprüche des Patienten entstehen. Auch das ist weithin geläufig. Die sogenannte Sicherungsaufklärung aber führt im Haftungsbewusstsein der Praxen wohl eher ein Schattendasein.
Die sogenannte Sicherungsaufklärung stellt einen Sonderfall der Aufklärung dar und erfährt eine eigene rechtliche Einordnung. Auch unter dem Begriff „therapeutische Aufklärung“ bekannt, zählt sie nicht zur Aufklärungspflicht, sondern vielmehr als Teil der Behandlung. Inhalt der Sicherungsaufklärung ist die Information des Patienten darüber, wann er sich wie nach dem Eingriff verhalten darf und was er beachten muss. Beispiele hierfür sind die Warnung vor einer eingeschränkten oder gar ausgeschlossenen Verkehrstüchtigkeit oder der Hinweis darauf, wie die nächsten Mahlzeiten eingenommen werden müssen. Es soll also gewährleistet werden, dass der Patient nicht zu Schaden kommt und der Behandlungserfolg erhalten bleibt.
Gerichtliche Abgrenzung zur klassischen Aufklärung
Das OLG Hamm grenzt die Sicherungsaufklärung von der klassischen Aufklärung in seinem Urteil vom 23.03.2018 (Az. 26 U 125/17) anschaulich ab:
„Es liegt damit ein Fall der therapeutischen Sicherungsaufklärung vor. Die Risiko- oder Selbstbestimmungsaufklärung dient dazu, dem Patienten die Entscheidung zu ermöglichen, ob und welcher Behandlung er sich unterzieht. Dem Patienten sollen dabei von dem Arzt die gestellte (Verdachts-)Diagnose, die Behandlungsmöglichkeiten und die damit verbundenen Risiken dargestellt werden. Demgegenüber dient die therapeutische Aufklärung der Gewährleistung des Heilerfolgs und der Abwendung eines Schadens, der dem Patienten durch ein falsches Verhalten nach der Behandlung entstehen kann. Die therapeutische Aufklärungspflicht setzt also regelmäßig erst nach der Behandlung ein.“
Das OLG Koblenz (Beschluss vom 17.07.2017, Az. 5 U 644/17) beschreibt die Sicherungsaufklärung ebenfalls und macht
dabei den wichtigen Hinweis auf die Beweislast:
„Bei dem Vorwurf, der Beklagte habe nicht auf die erforderliche Wiedervorstellung zur Behandlung der Parodontitis hingewiesen, handelt es sich um die Beanstandung einer unzureichenden therapeutischen Aufklärung bzw. Beratung. Die Verpflichtung des Zahnarztes zur therapeutischen Beratung bezieht sich darauf, den Patienten über die Umstände zu informieren, die zur Sicherung des Heilerfolgs und zu einem therapiegerechten Verhalten und zur Vermeidung möglicher Selbstgefährdung des Patienten erforderlich sind […]. Verletzt der Arzt bzw. Zahnarzt die Pflicht zur therapeutischen Aufklärung bzw. Beratung, ist hierin kein Aufklärungs-, sondern ein Behandlungsfehler zu sehen. Insofern muss der Patient den Beweis führen, dass ein therapeutischer Hinweis nicht erteilt wurde.“
Beweislast
In einem Prozess kann die Beweislast entscheidend sein, denn sie bestimmt, wer in einem Rechtsstreit was beweisen muss. Obliegt einer Partei die Beweislast für einen Umstand und kann sie diesen nicht beweisen, geht das zu ihren Lasten.
Besonderheiten und Beweislastumkehr in Einzelfällen außer Betracht lassend, lässt sich festhalten, dass der Patient den angeblichen Behandlungsfehler beweisen muss und der Behandler die ordnungsgemäße Aufklärung.
Da die Sicherungsaufklärung Teil der Behandlung ist, stellt ein Verstoß einen Behandlungsfehler und keinen Aufklärungsfehler dar mit der Konsequenz, dass der Patient beweisen muss, dass er nicht richtig über das erforderliche Verhalten nach dem zahnärztlichen Eingriff aufgeklärt worden ist.
Sicherungsaufklärung ist Teil der Behandlung
Das OLG Hamm erläutert dies in seinen Entscheidungsgründen zu seinem Urteil vom 23.03.2018 (Az. 26 U 125/17) und führt zu der in dem konkreten Fall streitigen Aufklärung über eine notwendige Nachuntersuchung aus: Stütze ein Patient einen Arzthaftungsanspruch auf fehlerhafte therapeutische Aufklärung hinsichtlich der Bedeutung eines Wiedervorstellungstermins zur Nachuntersuchung, könne er Beweiserleichterungen nicht in Anspruch nehmen. Ihn treffe die volle Beweislast dafür, dass er zu einer aus medizinischer Sicht notwendigen Nachuntersuchung nicht ordnungsgemäß einbestellt worden sei. Die Behandlungsseite müsse eventuelle Hinweise anlässlich der Vereinbarung einer Wiedervorstellung vortragen. Der Patient habe dagegen als Fehler der therapeutischen Aufklärung zu beweisen, dass er nicht im Zusammenhang mit der Erläuterung des Risikos einer Nichtbeachtung gebotener Wiedervorstellung darauf aufmerksam gemacht worden sei, dass ein Nachuntersuchungstermin erhebliche Bedeutung für seine Gesundheit habe.
Die Sicherungsaufklärung gehört zur ordnungsgemäßen Behandlung dazu und dient nicht zuletzt dem Zweck, den Erfolg der Behandlung und damit die Gesundheit des Patienten zu schützen. Wenn auch Erleichterungen im Zusammenhang mit der Beweislast bestehen, müssen die Anforderungen erfüllt werden und dies nachvollziehbar dokumentiert werden.
Die Expertin
Dr. Susanna Zentai
ist Rechtsanwältin in der Kanzlei Dr. Zentai – Heckenbücker in Köln und als Beraterin sowie rechtliche Interessenvertreterin (Zahn-)Ärztlicher Berufsvereinigungen tätig.
kanzlei@d-u-mr.de