Eine vorbildliche Gründerstory
In dieser Serie steht die Niederlassung der Münchner Zahnärztin Dr. Theresia Hammann mit ihren besonderen Herausforderungen im Mittelpunkt. Auf ihre Eigeninitiative bei der Praxissuche reagierten mehrere Praxisinhaber. Zwei Praxen schafften es in die engere Auswahl. Begleitet wird die Zahnärztin von Praxisberater Michael Kreuzer aus München, der eine Vielzahl an Zahnärzten und Ärzten bei ihren Existenzgründungsvorhaben unterstützt.
Während viele Existenzgründer ihre Wunschpraxis über einen Praxisvermittler suchen – in der Regel ein erfolgversprechender Weg – hat meine Mandantin Dr. Theresia Hammann ihre eigene Vorgehensweise gewählt: Sie ergriff die Eigeninitiative und schrieb Zahnarztpraxen in ihrem Wunschgebiet München-Obermenzing an. In ihrem Schreiben fragte sie bei den Praxisinhabern an, ob diese sich vorstellen könnten, innerhalb der nächsten drei Jahre ihre Zahnarztpraxis abzugeben. Und obwohl es sich bei dem Münchener Stadtteil Obermenzing um kein sehr großes Gebiet handelt, hatte die Zahnärztin schon nach wenigen Wochen die ersten Rückläufer von Praxisinhabern erhalten, die sich eine Abgabe vorstellen konnten.
Abgabewille und Abgabefähigkeit
Die Vorstellung, die eigene Praxis abzugeben, haben viele Zahnärzte – und das betrifft nicht nur ältere Zahnärzte. Man stellt sich vor, wie schön es wäre, der ganzen Bürokratie mit den vielen Regeln und Gesetzen und auch dem Stress zu entfliehen. Wenn man jemanden finden würde, der sich gut um die eigenen Patienten sowie Mitarbeiter kümmert und außerdem einen ausreichend hohen Kaufpreis zahlt, würde man – lieber heute als morgen – die Praxis verkaufen.
Aber ist es wirklich so einfach? Die Realität zeigt, dass es doch komplexer ist. Es ist leicht gesagt, dass man seine Praxis abgeben möchte, aber oft schwerer, es auch zu tun. Deshalb war in diesem konkreten Fall besondere Vorsicht geboten. Möglicherweise waren bei den Praxisinhabern, die sich auf die Anzeige von Dr. Hammann gemeldet hatten, einige dabei, bei denen die Idee zur Praxisabgabe erst durch die Anzeige entstanden war. Aber vielleicht sind diese Praxisinhaber innerlich noch gar nicht so weit, tatsächlich abgeben zu wollen und zu können.
In der Realität kommt es immer wieder vor, dass mit Praxisabgebern über Monate Verhandlungen geführt werden, diese dann aber abgebrochen werden. Denn jedes weitere Gespräch ist sinnlos, wenn der Abgeber entweder emotional noch gar nicht in der Lage ist, die Praxis abgeben zu können, oder wenn er unrealistische Vorstellungen hat. Das betrifft zumeist den Verkaufspreis.
In der ehemals eigenen Praxis mitarbeiten
Diese Diskrepanz zwischen den eigenen Gedanken und der Realität trifft oft auch auf die Vorstellung zu, nach dem Praxisverkauf in der eigenen Praxis mitzuarbeiten. Das kann für eine Übergangszeit von mehreren Monaten oder auch über einen längeren Zeitraum sein, dann gegebenenfalls regelmäßig für ein paar Stunden oder Tage.
Es ist emotional oftmals eine Herausforderung, wenn man als „Alpha-Tier“ in der ehemals eigenen Praxis nur noch die Kompetenzen eines Angestellten hat und sich unterordnen soll bzw. muss.
Der erste Kontakt mit Praxisabgebern
Von den Zahnärzten, die sich auf die Anzeige von Dr. Theresia Hammann meldeten, waren drei so weit, dass sie auch erste Praxiszahlen zur Verfügung stellten. Damit konnten wir beurteilen, ob eine Übernahme überhaupt sinnvoll sein konnte.
Der Fokus der ersten Gespräche zwischen den potenziellen Praxisabgebern und meiner Mandantin lag jedoch im Wesentlichen auf einem persönlichen Kennenlernen und nicht auf Zahlen, Daten, Fakten oder gar dem Kaufpreis. Bevor es um konkrete Verhandlungen ging, war es wichtig, die Lebenssituation des jeweiligen Abgebers zu verstehen, auch um beurteilen zu können, ob Verhandlungen hier überhaupt die Aussicht auf Erfolg haben könnten.
Verkauf eines Lebenswerkes
Andererseits war es für Dr. Hammann wichtig, den Abgebern zu zeigen, dass sie versteht, dass es bei dem Verkauf einer Zahnarztpraxis fast immer um den Verkauf eines Lebenswerkes geht und nicht um eine emotionslose Ware. Deshalb nahm sie sich bei den Praxisbesichtigungen auch bewusst Zeit für Lob und Anerkennung des Lebenswerkes des jeweiligen Abgebers. Wer eine Praxis übernimmt, braucht keine Sorge haben, dass dadurch der Kaufpreis steigt. Lob und Anerkennung bringen Verständnis und schaffen eine gemeinsame Ebene.
So getan, hat sich die Praxisgründerin zwei Praxen näher angesehen und hier sogar hospitiert.
Zwei Praxen zur Auswahl
Diese zwei Praxen, die kaum unterschiedlicher hätten sein können, hatten beide ihren individuellen Charme. Sie verfügten über folgende Rahmenbedingungen:
Praxis Nummer eins von Dr. M.:
- Die Praxis lag in einer guten und relativ ruhigen Lage in einem attraktiven Wohngebiet im ersten Stock eines gepflegten Mehrparteienhauses. Darunter befanden sich ein gut frequentiertes Lebensmittelgeschäft und weitere Gewerbeeinheiten.
- Neben der Praxis gab es Räumlichkeiten, die zwar vermietet waren, aber möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt hätten dazu genommen werden können. Damit war das Potenzial für eine Praxiserweiterung gegeben.
- Die Räumlichkeiten und deren Ausstattung waren schon etwas in die Jahre gekommen und machten Investitionen in Räumlichkeiten und Technik notwendig.
- Der Praxisumsatz und auch der -gewinn lagen weit über dem Durchschnitt.
- Es wurden alle regulären zahnärztlichen Leistungen angeboten.
- Ein nennenswerter Umsatzanteil wurde über Implantologie erwirtschaftet, die Dr. Hammann jedoch zu dem Zeitpunkt der Gespräche noch gar nicht beherrschte.
- Dr. M. selbst hatte immer Vollzeit gearbeitet und war sehr gut strukturiert – auch bei den Besichtigungen und Verkaufsgesprächen.
- Seine Frau kümmerte sich um den Empfang sowie die Praxisorganisation und hatte die Steuerung der Praxis gut im Griff.
- Die Kaufpreisvorstellungen von Dr. M. waren hoch bis sehr hoch.
Praxis Nummer zwei von Dr. F.:
- Die Praxis lag an einer sehr verkehrsreichen und auch lauten Hauptverkehrsstraße.
- Die Immobilie, in der die Praxis im ersten Stock (über einem Lieferservice) lag, war wenig ansprechend, da sie schon in die Jahre gekommen war.
- Die Räumlichkeiten waren jedoch äußerst ansprechend und eine sehr positive Überraschung.
- Aufgrund eines Wasserschadens waren die Räumlichkeiten kürzlich fast vollkommen renoviert worden. Dies geschah zu einem hohen Anteil in Eigenleistung, die auch durch den Sohn (Messebauer) erbracht worden war und im Wert sowie in der Qualität nur schwer zu beurteilen war.
- Die Räume waren mit sehr schönen und ansprechenden Kunstwerken (des Sohnes) ausgestattet. Dies vermittelte der Praxis ein besonderes und ansprechendes Flair.
- Wegen des schlechten Gesundheitszustands seiner Frau hatte Dr. F. in den vergangenen Jahren nur 22 bis 24 Stunden pro Woche gearbeitet.
- Deshalb waren der Praxisumsatz und -gewinn ebenfalls weit unterdurchschnittlich.
- Die Kaufpreisvorstellungen wurden anfänglich nicht genannt und sollten über ein Gutachten später mitgeteilt werden.
Damit waren zwei Praxen im Rennen, die sehr unterschiedlich waren und die Entscheidung für Dr. Theresia Hammann nicht gerade leicht machten:
- Eine große Praxis, die zu renovieren war, in der man selbst die Implantologie gar nicht anbieten konnte und somit den Umsatz bzw. Gewinn nicht würde halten können, und deshalb möglicherweise einen zu hohen Kaufpreis zahlte
- und eine kleine Praxis, bei der nichts zu investieren war, die aber noch umsatz- und ertragstechnisch hätte stark gesteigert werden müssen.
Existenzgründer wie Dr. Theresia Hammann stehen oftmals vor der Entscheidung, ob sie lieber eine kleine Praxis (zu einem günstigeren Preis) oder doch eine große (teure) Praxis mit einem hohen Umsatz wählen sollen.
Welche Kriterien schließlich relevant waren und wie sich Dr. Hammann entschieden hat, lesen Sie in Episode 3.
Michael Kreuzer
ist Geschäftsführer und Inhaber der ZahnÄrzteBeratung BestPraxis in München.
Seit über 25 Jahren ist der Diplom-Kaufmann auf die Beratung von Mandanten
aus dem Bereich der akademischen Heilberufe spezialisiert.
www.bestpraxis.de
Foto: privat