Episode 1: Praxisgründung von A bis Z

Eine vorbildliche Gründerstory

In den vergangenen Jahren, oder besser gesagt Jahrzehnten, begleitete Praxisberater Michael Kreuzer aus München einige Zahnärzte und Ärzte bei ihren Existenzgründungsvorhaben. Mit dieser beginnenden Artikelserie stellt er die konkrete Praxisgründung einer Münchener Zahnärztin vor, die sowohl für künftige Praxisgründer als auch Praxisabgeber als positive Vorlage dienen kann.


Foto: stock.adobe.com/stockpics


An einem sonnigen Donnerstag – es war der 1. März 2018 – suchte mich die sympathische Zahnärztin Dr. Theresa Hammann für ein erstes Beratungsgespräch auf. Sie bat mich um Unterstützung in meiner Funktion als Zahnärzte- und Existenzgründungsberater, da sie ihre Existenzgründung, eine eigene Zahnarztpraxis, plante. Meine Aufgabe sollte darin bestehen, sie bei der Auswahl der geeigneten Praxis sowie der weiterführenden Strategie zu unterstützen.

Lebenssituation der Mandantin
Dr. Hammann ist verheiratet und Mutter zweier Kinder, die zum damaligen Zeitpunkt ein und drei Jahre jung waren. Ihre Familie ist im Münchener Stadtteil Obermenzing tief verwurzelt. Daher hatte sie auch den Wunsch, sich möglichst in diesem Stadtteil niederzulassen. Aufgrund der noch recht kleinen Kinder wollte sie sich jedoch erst frühestens ab Anfang 2020 niederlassen. Mit diesem großzügigen zeitlichen Vorlauf hatte sie bereits ein paar Tage zuvor eigeninitiativ einige Zahnarztpraxen im lokalen Umfeld angeschrieben und angefragt, wer Interesse daran hätte, in den kommenden drei Jahren seine Zahnarztpraxis abzugeben. Ein so langer Planungsvorlauf für eine Praxisgründung kommt recht selten vor – daher hatte Dr. Hammann sofort mein Interesse für ihr Projekt geweckt.
Nun könnte man meinen, dass eine so frühzeitige Auswahl und Übernahme einer Praxis in erster Linie vorteilhaft sei. Grundsätzlich ja, jedoch birgt ein großer Zeitvorlauf von rund zwei Jahren auch einige organisatorische Herausforderungen:

Wert-/Kaufpreisermittlung einer Zahnarztpraxis
Wie soll der faire Wert bzw. Kaufpreis einer Zahnarztpraxis bestimmt werden, die erst in circa zwei Jahren übernommen werden soll? Denn: Wertermittlungen beziehen sich immer auf einen aktuellen Zeitpunkt – meist unter Berücksichtigung der letzten drei Wirtschaftsjahre. Zwei Jahre in die Zukunft gerechnet kann sich sowohl die Ertragslage, also der immaterielle Wert, als auch das Inventar, der materielle Wert, wieder verändert haben. 
Ein Lösungsvorschlag: Praxisabgeber und -käufer einigen sich auf einen Praxisbewerter und dessen Bewertungsmethode. Es wird der aktuelle Wert berechnet und beide Seiten haben eine Ausgangsbasis. Kurz vor der Übergabe wird dann lediglich das Wertgutachten aktualisiert und Abgeber sowie Übernehmer sind sich im Vorfeld einig, dass der neue Wert dann den Verkaufspreis darstellt.

Finanzierung des Wertgegenstands Praxis
Wie soll eine Bank die Finanzierung eines „Wertgegenstandes“ genehmigen, dessen Wert rund zwei Jahre im Voraus noch gar nicht bekannt ist? Die Herausforderung eines fairen Kaufpreises kommt auch spätestens wieder auf, wenn dafür eine Finanzierung benötigt wird. Denn einerseits stellt sich die Frage, wie hoch die Finanzierung sein soll – der abschließende Kaufpreis ist ja noch gar nicht bekannt – und auf welchen „aktuellen Zahlen“ soll die Liquidität abgestellt werden.
Natürlich kann die Bank die aktuellen Zahlen fortschreiben. Das birgt aber trotzdem das Risiko, dass die Ertragslage der Praxis in zwei Jahren nicht ausreichen wird, um den Darlehensbetrag bedienen zu können.
Erfreulicherweise stellen sich viele Banken – insbesondere diejenigen, die mehr Erfahrungen bei der Finanzierung von Zahnarztpraxen haben – auf diese Herausforderung ein. Stimmt das Gesamtkonzept, so sind Banken schon in der Lage, Finanzierungen zuzusagen, selbst wenn diese erst in zwei Jahren ausgereicht werden.

Finanzierung, öffentliche Darlehensprogramme
Passt das Finanzierungsvorhaben zu den Rahmenbedingungen von öffentlichen Darlehensprogrammen? Öffentliche Darlehen sind – zumeist – langfristige Kredite, die bei der Hausbank beantragt und ausgereicht werden, jedoch durch ein Institut des Landes, in Bayern z. B. die Landesanstalt für Aufbaufinanzierung (LfA) oder des Bundes, hier vor allem die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) refinanziert werden. Diese Darlehen verfügen zumeist über sehr günstige Konditionen. In jedem Darlehensprogramm ist aber festgeschrieben, wer und zu welchem Zweck das jeweilige Darlehensprogramm beantragen darf.
Bei den Existenzgründungsprogrammen ist die Voraussetzung, dass der Antrag für das Darlehen „vor Eingang wesentlicher Verpflichtungen“ gestellt worden sein muss. Das bedeutet: Bevor ein bindender Kauf- oder Mietvertrag unterzeichnet wird, muss ein Antrag gestellt bzw. ein Bankgespräch geführt worden sein. Hinzu kommt, dass Darlehensmittel nach Zusage des öffentlichen Instituts nach spätestens einem Jahr abgerufen sein müssen. Beide Bedingungen – frühzeitige Antragstellung und zeitiger Abruf der Mittel – machen einen Vorlauf von zwei Jahren fast unmöglich. Will man nicht auf die günstigen Fördermittel verzichten, muss das Timing indi­viduell ausbalanciert werden, das heißt: Wann schließt man einen eher unver­bindlichen Vorvertrag und wann muss es ein bindender Vertrag sein, bzw. wann stellt man den Antrag auf das öffentliche Darlehen? In der Situation von Dr. Hammann stellte sich gerade an diesem Punkt eine zeitliche ­Herausforderung.

Staatlich geförderte Existenzgründungsberatung
In manchen Bundesländern ist es möglich, Existenzgründungsberatung staatlich fördern zu lassen. In Bayern gibt es hierfür beispielsweise das „Vorgründungscoaching Bayern“, das durch das Institut für Freie Berufe (IFB) in Nürnberg genehmigt wird. Auch hier sind gewisse Voraussetzungen zu erfüllen, damit potenzielle Gründer in den Genuss dieser Förderung kommen:
• Der Existenzgründer muss mindestens die letzten 12 Monate angestellt gewesen sein.
• Die Selbstständigkeit darf noch nicht – im Vollerwerb – gestartet worden sein.
• Es muss geplant sein, innerhalb der nächsten 12 Monate in die Selbstständigkeit zu gehen.
• Der gewählte Berater muss für dieses Förderprogramm qualifiziert und gelistet sein.
Somit waren zu dem frühen Zeitpunkt, als Dr. Hammann und ich das Projekt gedanklich starteten, die Voraussetzungen für das Existenzgründercoaching nicht erfüllt. Dr. Hammann hätte also diese Förderung nicht in Anspruch nehmen können.
Die Ausgangssituation war also durchaus spannend und nicht ganz einfach. Welche Lösungen wir in diesem Fall gefunden haben, damit im späteren Zeitverlauf sowohl die Kaufpreisfindung, Bankfinanzierung und auch die Förderung sehr gut realisiert werden konnten, werden in den folgenden Artikelserien dargestellt.

Michael Kreuzer
ist Geschäftsführer und Inhaber der ZahnÄrzteBeratung BestPraxis in München.
Seit über 25 Jahren ist der Diplom-Kaufmann auf die Beratung von Mandanten
aus dem Bereich der akademischen Heilberufe spezialisiert.
www.bestpraxis.de
Foto: privat