Wenn Bakterien den aufbereiteten Wurzelkanal besiedeln
Wenn eine Wurzelkanalbehandlung fehlschlägt, können dafür im Wurzelkanal verbliebene Bakterien oder eine erneute Infektion aufgrund von koronalen Undichtigkeiten verantwortlich sein. Doch welche Bakterien genau verursachen die Beschwerden? Brasilianische Wissenschaftler haben das jetzt in einer Studie untersucht.
Perkussionsempfindlichkeit, Druckdolenz im Wurzelspitzenbereich oder akuter Schmerz – ein endodontischer Misserfolg äußert sich durch verschiedenste Beschwerden. Die dafür verantwortlichen Bakterienspezies waren Gegenstand einer aktuellen Untersuchung brasilianischer Forscher, die im Fachjournal „Clinical Oral Investigations“ veröffentlicht wurde. Für ihre Studie setzten die Wissenschaftler sowohl Kulturtechniken als auch molekulare Techniken des Keimnachweises ein. Sie versuchten, die je nach Phase der Revisionsbehandlung auffindbaren Bakterien mit klinischen und radiologischen Anomalien der endodontisch behandelten Zähne in Verbindung zu bringen.
Beschwerden traten zehn Jahre nach Wurzelkanalbehandlung auf
Dazu schlossen die Forscher insgesamt 20 Patienten in ihre Analyse ein. Alle Studienteilnehmer waren im Durchschnitt zehn Jahre zuvor an der Wurzel eines einwurzeligen Zahns behandelt worden – zumeist im Bereich der oberen Frontzähne. Zum Zeitpunkt des Untersuchungsbeginns litten sie an Symptomen wie Druckschmerz an den Wurzelspitzen, Perkussionsempfindlichkeit oder einer periapikalen Läsion von durchschnittlich 3,5 Millimetern Radius. Keiner der Probanden klagte über akute Schmerzen.
Das Forscherteam nahm an drei definierten Zeitpunkten Proben aus dem Wurzelkanal:
- Die Probenentnahme 1 fand statt, nachdem die Wissenschaftler das alte Guttapercha-Material mittels Crown-Down-Technik ohne chemisches Lösungsmittel extrahiert hatten. Stellte sich der Wurzelkanal für die Entnahme der Proben als zu trocken heraus, nutzten sie eine Kochsalzlösung zur Befeuchtung.
- Die Probenentnahme 2 fand statt, nachdem die Forscher die Wurzelkanäle der Probanden auf Arbeitslänge chemomechanisch aufbereitet hatten. Sie verwendeten dafür Reciproc R40-Feilen und spülten den Wurzelkanal mit 5,25-prozentigem Natriumhypochlorit. Dieses wurde nach der Aufbereitung mittels Kochsalzlösung aus dem Kanalsystem ausgewaschen. Anschließend spülten die Wissenschaftler den Wurzelkanal mit fünfprozentigem Natriumthiosulfat, dann mit 17-prozentiger Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA)-Lösung sowie 0,5-prozentiger Zitronensäure, um die EDTA-Lösung zu neutralisieren.
- Die Probenentnahme 3 erfolgte, nachdem die Forscher die medikamentöse Einlage, ein Kalziumhydroxidpulver mit zwei Prozent Chlorhexidin-Gel in einem Verhältnis von 1:1 nach 30-tägiger Einwirkzeit entfernt hatten.
89 verschiedene Bakterien im Wurzelkanal
Mit Hilfe diverser Methoden zur Keimbestimmung entdeckte das brasilianische Forscherteam insgesamt 89 verschiedene Bakterien im Wurzelkanal. Die Gattungen variierten, je nach Entnahmezeitpunkt der Proben.
- Zum Zeitpunkt der Probenentnahme 1 fanden die Wissenschaftler 65 verschiedene Bakterien. Darunter waren die Gattungen Enterococcus faecalis, Staphylococcus epidermidis, Streptococcus sanguis und Aerococcus viridans am häufigsten vertreten.
- Zum Zeitpunkt der Probenentnahme 2, also nach der chemomechanischen Aufbereitung des Wurzelkanals, konnten die brasilianischen Forscher immerhin noch 15 Bakterienspezies identifizieren. Darunter zählten Enterococcus faecalis ebenso wie Staphylococcus epidermidis und Propionibacterium acnes.
- Auch nach der medikamentösen Einlage zum Zeitpunkt der 3. Probeentnahme waren noch Bakterien im Wurzelkanal nachweisbar: insgesamt neun Stämme, darunter vorwiegend Keime des Typs Enterococcus faecalis.
Durch die chemomechanische Aufbereitung konnten die Wissenschaftler den Keimbefall im Wurzelkanal im Vergleich zum Beginn der Revisionsbehandlung um 77 Prozent reduzieren. Eine weitere Reduktion des Mikrobioms ließ sich durch die medikamentöse Einlage erzielen. So fanden sich nach der Medikation 9 Prozent weniger Bakterien im Wurzelkanal als zum Zeitpunkt der Probenentnahme 2. Nach Abschluss der Revisionsbehandlung war die Keimbelastung insgesamt um 86 Prozent gesunken.
Auffällig war zudem ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten bestimmter bakterieller Spezies und klinischen bzw. radiologischen Merkmalen. Die Keime Porphyromonas gingivalis und Parvimonas micra beispielsweise traten gehäuft dort auf, wo Schmerzen nach der Wurzelbehandlung aufgetreten waren. Porphyromonas gingivalis war zusätzlich auch mit einer Perkussionsempfindlichkeit oder einer periapikalen Läsion von mehr als drei Millimetern assoziiert. Ebenfalls im Zusammenhang mit größeren Läsionen stand das Vorkommen der Bakterienspezies Enterococcus faecalis und Fusobacterium nucleatum.
Keine Einzelspezies verantwortlich, sondern Kombinationen von Bakterien
Das Forscherteam aus Brasilien gelangte zu dem Schluss, dass für eine sekundäre Infektion im endodontisch behandelten Wurzelkanal keine einzelne Gattung von Bakterien verantwortlich ist. Vielmehr handele es sich aus Sicht der Wissenschaftler um bestimmte pathogene Kombinationen von Bakterien, die die Beschwerden auslösen und sich gegenseitig noch in ihrem Wirkungspotenzial befördern. Die Gattungen Enterococcus faecalis und Porphyromonas gingivalis stachen dabei in allen Phasen der endodontischen Revision hervor.
Quelle: Barbosa-Ribeiro M, Arruda-Vasconcelos R, Louzada LM, Dos Santos DG, Andreote FD, Gomes BPFA: Microbiological analysis of endodontically treated teeth with apical periodontitis before and after endodontic retreatment. Clin Oral Investig 2020 Aug 28. doi: 10.1007/s00784-020-03510-2.