Kreidezähne: 230.000 Sechs- bis Neunjährige in Deutschland betroffen
Neben Karies ist auch die Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) ein zunehmendes Problem für Kinderzähne: Einer Analyse der BARMER zufolge waren 2019 in Deutschland rund 230.000 Kinder im Alter zwischen sechs und neun Jahren wegen dieser Erkrankung in zahnärztlicher Behandlung. Die Untersuchung offenbart auch, wo Kreidezähne bei Kindern in Deutschland am häufigsten anzutreffen sind – und welche Faktoren bei der Entstehung der Mineralisationsstörung offenbar doch keine Rolle zu spielen scheinen.
Den Zahlen der BARMER zufolge weisen mindestens acht Prozent aller Sechs- bis Neunjährigen, die bei der Versicherung registriert sind, einen viel zu weichen Zahnschmelz auf. Da Kreidezähne in leicht ausgeprägter Form keiner invasiven Behandlung bedürfen, könnte die Häufigkeit tatsächlich sogar noch höher liegen, vermutet Dr. Ursula Marschall, Leitende Medizinerin bei der BARMER.
Ebenfalls auffällig: Die Analyse förderte deutliche regionale Unterschiede beim Auftreten der Erkrankung zutage, die rein medizinisch nicht erklärbar sind. So kommen Kreidezähne in einigen Bundesländern annähernd doppelt so häufig vor wie in anderen Teilen Deutschlands. Für die Untersuchung suchte die Versicherung nach Mustern, die für die Behandlung von MIH-Patienten typisch sind.
Kreidezähne: Häufigkeit regional extrem unterschiedlich
Mit 10,2 Prozent lag der Anteil der Sechs- bis Neunjährigen mit einer behandlungsbedürftigen MIH im Jahr 2019 in Nordrhein-Westfalen am höchsten. Hamburg hingegen verzeichnete mit 5,5 Prozent die geringste Quote an MIH-Patienten in dieser Altersspanne. Der Analyse zufolge ist eine schwere MIH bei Heranwachsenden im Westen und Nordosten Deutschlands besonders häufig.
Bei einer genaueren Untersuchung der Fallzahlen in den einzelnen Landkreisen und kreisfreien Städten traten noch größere Differenzen zutage. Hier reichte die berechnete Prävalenz von 3,3 Prozent in Memmingen bis hin zu 14,7 Prozent in Kaiserslautern. Damit lasse sich belegen, dass Kreidezähne regional offenbar extrem unterschiedlich auftreten, schlussfolgerte Marschall. Ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten von MIH und der Verteilung der Zahnärzte in Stadt und Land ließe sich der leitenden Medizinerin der BARMER zufolge jedoch nicht nachweisen. Auch mit der Zahnarztdichte in einer Region habe man die Häufigkeit der Erkrankung nicht in Beziehung setzen können.
Erkrankung unabhängig vom Einkommen der Eltern
Die Analyse wirft zudem ein neues Licht auf einen Faktor, der bislang als Einflussgröße für das Auftreten einer MIH vermutet wurde. So spielte das Einkommen der Eltern in der Untersuchung keine Rolle für die Entwicklung von Kreidezähnen. Wegen der Erkrankung in Behandlung befanden sich gleichermaßen Kinder aus einkommensstarken wie einkommensschwachen Familien. „MIH scheint auch bei Kindern aus wohlhabenden Elternhäusern häufiger aufzutreten. Dabei sind einige Studien bisher davon ausgegangen, dass Kinder aus einkommensschwachen Schichten besonders betroffen sind“, so Marschall.
Vertiefende Analysen zu möglichen Ursachen für das Auftreten von Kreidezähnen sollen nach Angaben der BARMER im Zahnreport 2021 veröffentlicht werden. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten verschiedener Fachrichtungen versuche man, den Ursachen der MIH weiter auf die Spur zu kommen, erklärte Marschall. Dabei stellten die Daten der Auswertung ihrer Meinung nach eine wichtige Forschungsgrundlage dar, um Zusammenhänge zur Entstehung der Mineralisationsstörung enthüllen zu können.
Warum eine MIH auftritt, ist wissenschaftlich noch nicht geklärt. Forscher diskutieren verschiedene Ursachen, z.B. Mikroplastik in Spielzeugen oder Kosmetika, Kunststoffweichmacher wie Bisphol A in Babyprodukten, Probleme in der Schwangerschaft, eine Antibiotika-Einnahme oder Vorerkrankungen wie Windpocken. Die Schmelzbildungsstörung beginnt meist bei den ersten bleibenden Molaren, häufig auch an den bleibenden Frontzähnen. In manchen Fällen sind bereits die Milchzähne betroffen. Steht die Diagnose fest, müssen verstärkt Prophylaxe-Maßnahmen ergriffen werden. Ansonsten steigt das Risiko, dass die Porosität der Zähne zunimmt und einzelne Stücke abbrechen.
Quelle: BARMER