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Freie Berufe: Kippt die Selbstverwaltung?

„Die EU-Kommission demontiert die freien Berufe“, warnt die Bundeszahnärztekammer. Auch die Gesundheitsberufe seien betroffen. Könnte das eine Umstrukturierung der Kammerorganisation nach sich ziehen? Muss die Bundeszahnärztekammer eine Körperschaft des öffentlichen Rechts werden? Fakt jedenfalls ist: Brüssel ist die Zergliederung ein Dorn im Auge.



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Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit hat die EU-Kommission einen Tag vor dem Tag der Deutschen Einheit eine Mitteilung vorgelegt, die eine komplette Überprüfung aller reglementierten Berufe in Europa ankündigt. Das Ziel: Es gelte, Hindernisse im Binnenmarkt abzubauen. Der EU-Vorstoß sei „professioneller und systematischer“ als vergleichbare Aktionen in der Vergangenheit, urteilt RA Arno Metzler, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Beratender Ingenieure (VBI) und bis 2012 Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Freier Berufe (BFB). Aktuell ist er Berichterstatter im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss zu den freien Berufen.

In den Prüfauftrag einbezogen werden insbesondere Berufsausübungsregeln und Regeln zum Berufszugang sowie die Mitgliedschaft in Berufskammern. Das könnte sich auch auf die ärztliche Selbstverwaltung auswirken. 17 Landesärztekammern und 17 Landeszahnärztekammern sind in Deutschland als Körperschaften des öffentlichen Rechts für die Wahrung der beruflichen Belange der Ärzteschaft bzw. Zahnärzteschaft verantwortlich. Jeder Arzt, jeder Zahnarzt ist Pflichtmitglied der Kammer des Bundeslands, in dem er seine Tätigkeit ausübt, und folgt dem jeweiligen Recht. „Diese Zergliederung kommt in Brüssel gar nicht gut an“, weiß Metzler, der seit mehr als 20 Jahren die Interessen der freien Berufe vertritt. „Das beginnt bereits bei den Sprachtests für ausländische Ärzte. Da gibt es in Schleswig-Holstein andere Ergebnisse als in Bayern“, führt er an.

Die einzige Lösung, die ärztliche und zahnärztliche Selbstverwaltung zu erhalten, sieht Metzler in einer deut‧lichen Straffung dieser Organisation. Folgendes schwebt ihm vor: „Die Bundesärztekammer und die Bundeszahnärztekammer werden analog zur Kassenärztlichen Bundesvereinigung und KZBV Körperschaften des öffentlichen Rechts. Die einzelnen Landeskammern fungieren als Pflichtmitglieder. Ein Bundes-Ärzte-und-Zahnärzte-Gesetz regelt zentral alle Kammerbelange, vor allem auch die Aus- und Weiterbildung.“

Da entsprechende Gesetze zustimmungspflichtig seien, rechnet er damit, dass sich eine zentrale Organisation erst 2020 realisieren lässt. In einem Punkt ist er sich allerdings sicher: „Ohne diese Straffung kippt die ärztliche Selbstverwaltung.“ Das Kompetenzgerangel lasse sich Brüssel nicht länger gefallen. Wäre das möglicherweise auch im Sinne der Zahnärzte? Denn: Nach wie vor können sich die Länder nicht auf eine gemeinsame Approbationsordnung einigen, wie Christian Berger, Vizepräsident der Bayrischen Landeszahnärztekammer in diesem Zusammenhang anführt. Studierende würden immer noch nach Regeln ausgebildet, die aus dem Jahr 1955 stammten, kritisiert der Präsident des Bundesverbands der implantologisch tätigen Zahnärzte in Europa (BDIZ EDI). Allerdings ist es ihm ein Rätsel, „wie die EU die föderalen Strukturen in Deutschland abschaffen kann“.

Droht womöglich das Aus der ärztlichen und zahnärztlichen Selbstverwaltung? „So weit darf es nach unserem Verständnis nicht gehen“, betont der Präsident der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), Dr. Peter Engel. Denn dann würde das Berufsrecht nicht mehr einheitlich und verpflichtend kontrolliert werden. „Das kann aber auch aus staatsorganisatorischem Verständnis nicht sein.“ Die Mitteilung liefere den EU-Mitgliedstaaten allerdings einen guten Grund, Berufsregeln unter die Lupe zu nehmen.

Fest steht: Die Vielzahl der regulierten Berufe in Europa, 40 Prozent davon im Gesundheitsbereich, ist der Europäischen Kommission ein Dorn im Auge. Im ersten Schritt werden reglementierte Berufe aus Handwerk und Freien Berufen wie Rechtsanwälte und Architekten geprüft, erst im zweiten, ab Juni 2014, die Gesundheitsberufe. Doch Engel warnt: „Diese Prüfung hat bereits präjudizierende Wirkung für die Gesundheitsberufe. Insbesondere in Fragen der Vorbehaltsaufgaben und Pflichtmitgliedschaften in Berufsorganisationen.“ Daher gelte es, wachsam zu sein und die weitere Entwicklung auf nationaler Ebene zu beobachten. Zwar sind die Mitgliedstaaten zunächst nur aufgefordert, eine Liste der reglementierten Berufe zu erstellen und anschließend zu evaluieren, ob diese Regulierung notwendig ist oder nicht.

Doch auch die Parlamentarische Geschäftsführerin der CSU-Europagruppe, Dr. Angelika Niebler, ist alarmiert. „Die Mitteilung ist extrem einseitig: Die Kommission drängt auf eine Deregulierung der freien Berufe, um Hindernisse im Binnenmarkt abzubauen. Das sehe ich kritisch.“ Beunruhigt ist auch der Freie Verband Deutscher Zahnärzte (FVDZ). Dessen Präsidentin Dr.-medic/IfM Timisoara Kerstin Blaschke meint: „Mittelfristig könnte die Initiative Konsequenzen für die (zahn)ärztliche Selbstverwaltung in Deutschland haben.“

Die Bundesregierung nimmt die Mitteilung der EU-Kommission zur Kenntnis. Sie wird sich an der Untersuchung und Evaluierung von Reglementierungen des Berufszugangs beteiligen. Doch zunächst einmal werde geprüft und dann entschieden, stellt das Bundesgesundheitsministerium klar: „Diese Untersuchung muss ergebnisoffen sein. Die positiven Aspekte von Berufszugangsregelungen müssen berücksichtigt werden, z. B. die Sicherstellung eines hohen Qualifikationsniveaus, die Spezialistenausbildungen und der Schutz des Verbrauchervertrauens in bestimmte Qualitätsstandards.“ Erst nach Abschluss dieser Untersuchung könne man entscheiden, ob und in welchem Umfang Reglementierungen abzubauen sind. „Insofern erscheint es verfrüht, dass die Kommission in der Mitteilung bereits jetzt die Erwartung formuliert, dass alle Mitgliedstaaten bis 2016 Aktionspläne zum Abbau beruflicher Reglementierung vorlegen.“

INFOKASTEN
Die Generaldirektion Markt der EU-Kommission hat am 2. Oktober 2013 eine Mitteilung zur „Bewertung der nationalen Reglementierungen des Berufszugangs“ vorgelegt. Darin werden die EU-Mitgliedstaaten unter dem Vorzeichen der Finanzkrise und im primären Interesse an mehr Wirtschaftswachstum dazu aufgerufen, ihre Vorschriften über Berufsqualifikationen, die den Zugang zu Berufen oder Berufsbezeichnungen regeln, mittels eines nationalen Aktionsplans zu überprüfen und zu modernisieren. Zu diesem Zweck sollen sie zunächst eine Übersicht über alle reglementierten Berufe aufstellen und in einem zweiten Schritt die Notwendigkeit dieser Regulierung anhand ausgewählter Kriterien bis Ende 2016 auf den Prüfstand stellen. Die Mitteilung beruht auf Vorgaben der modernisierten Berufsanerkennungsrichtlinie, die im Oktober 2013 vom Plenum des Europäischen Parlaments gebilligt worden war. Gemäß Artikel 59 der Richtlinie, die in wenigen Wochen in Kraft treten wird, sind die EU-Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, die Anzahl der regulierten Berufe nach Brüssel zu melden und die Regulierungen auf ihre Vereinbarkeit mit dem EU-Binnenmarkt hin zu prüfen.