Barmer Zahnreport 2021

Antibiotika könnten für mehr MIH sorgen

Die Prävalenz für eine Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) bei Kindern steigt zunehmend. Das bestätigt auch der aktuell veröffentlichte Barmer-Zahnreport von 2021. Und laut der Ergebnisse gibt es einen Zusammenhang zwischen Medikamente und der Häufigkeit der Mineralisationsstörung.


Antibiotika MIH

Die Ergebnisse des Barmer Zahnreports zeigen einen Zusammenhang zwischen verschriebenen Medikamenten und dem Auftreten von Kreidezähnen. © Dirk – stock.adobe.com


Mindestens 450.000 Kinder in ganz Deutschland leiden unter der Mineralisationsstörung. Das entspricht rund acht Prozent aller Sechs- bis Zwölfjährigen, die von gelblich oder bräunlich verfärbten, porösen und beim Putzen schmerzenden Zähnen betroffen sind. Die Ergebnisse aus dem aktuellen Barmer-Zahnreport legen einen erkennbaren Zusammenhang zwischen der Gabe von Antibiotika und MIH nahe.

Antibiotika MIH

„Kinder haben häufiger Kreidezähne, wenn sie in den ersten vier Lebensjahren bestimmte Antibiotika erhalten haben. Vor diesem Hintergrund muss erneut auf deren verantwortungsvollen und indikationsgerechten Einsatz hingewiesen werden. Antibiotika sind ohne jeden Zweifel segensreich. Doch die Prämisse lautet auch hier, so viel wie nötig und so wenig wie möglich“, beschreibt der Vorstandsvorsitzende der Barmer, Prof. Dr. Christoph Straub. Die Ursachen und die Entstehung der Kreidezähne sei weiterhin nicht hinreichend geklärt. Jedoch habe die Ernährung wahrscheinlich keinen Einfluss. Denn auch bei einer adäquaten Mundhygiene würden die Zähne bereits geschädigt durchbrechen. Das mache Prävention nahezu unmöglich.

Zusammenhang von Antibiotika und MIH

Zu den Ursachen stehen einige Theorien zur Diskussion. Hier bespreche man auch das mögliche Zusammenwirken von Arzneimitteln und Kreidezähnen. Der Zahnreport nahm deshalb unterschiedliche Gruppen von Medikamentenverordnungen bei Kindern mit und ohne MIH unter die Lupe. Dabei untersuchten die Verantwortlichen laut Straub ebenso unterschiedliche Antibiotika, die etwa bei Atem- oder Harnwegsinfekten zum Einsatz kämen. Laut der Ergebnisse hätten Kinder mit Kreidezähnen in den ersten vier Lebensjahren häufig angewendete Antibiotika bis zu etwa zehn Prozent mehr verschrieben bekommen als Gleichaltrige ohne Kreidezähne. Somit bestehe ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Gabe von Antibiotika und dem Auftreten von MIH.

Antibiotika MIH

„Die Verordnung von Antibiotika steht in einem erkennbaren Zusammenhang mit dem Auftreten von Kreidezähnen. Allerdings ist noch unklar, wie dieses Zusammenwirken genau funktioniert. Hier sind weitere Untersuchungen erforderlich“, erklärte Straub. Die Antibiotikavergabe habe sich bereits positiv entwickelt. Die verordnete Antibiotikagabe bei Kindern bis fünf Jahren ging zwischen den Jahren 2005 und 2019 um die Hälfte zurück. 2020 sei der Wert nochmal enorm gesunken. Die Ursache hierfür könnten auch durch die Abstands- und Hygieneregeln während der Corona-Pandemie bedingt sein. Denn sie führten zu weniger Infektionen.

Mädchen sind häufiger als Jungen betroffen

Der Barmer-Zahnreport liefert auch eine Bestandsaufnahme zur MIH. Demnach leider mehr Mädchen als Jungen unter der Mineralisationsstörung. Zwischen den Jahren 2012 bis 2019 mussten sich 9,1 Prozent der Mädchen und 7,6 Prozent der Jungen wegen einer schweren Form der Kreidezähne in zahnärztliche Behandlung begeben. Ebenso könne das Alter der Mutter ein wichtiger Aspekt sein. Waren sie zum Zeitpunkt der Geburt sehr jung oder älter als 40, trat bei ihren Kinder vergleichsweise seltener eine MIH auf. Waren sie zwischen 30 und 40 Jahre alt, entwickelten ihre Kinder etwa doppelt so häufig Kreidezähne.

Alter der Mutter MIH

„Obwohl Kreidezähne neben Karies die häufigste Zahnerkrankung bei Kindern sind, steht die Forschung dazu noch am Anfang. Wir haben in unseren Analysen verschiedene Zusammenhänge gefunden. Die zugrundeliegenden Mechanismen und Kausalitäten können mit Abrechnungsdaten allein allerdings nicht aufgeklärt werden. Dazu bedarf es weiterer Forschung. In Kenntnis der Ursachen könnten zukünftig dann auch endlich präventive Maßnahmen möglich werden“, erklärte Prof. Dr. Michael Walter, Autor des Barmer-Zahnreports und Direktor der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik an der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden.

Die meisten Kreidezähne gibt es in NRW

Außerdem wies der Zahnreport nicht nur soziodemographische, sondern auch große regionale Unterschiede bei der Verteilung der MIH deutschlandweit auf. Die Betroffenenraten bei Kindern auf Stadt- und Kreisebene reichen demnach von drei und 15 Prozent. Bei den Bundesländern hat Hamburg die niedrigsten Zahlen (5,5 Prozent) und Nordrhein-Westfalen die höchsten (10,2 Prozent). „Die deutlichen regionalen Unterschiede beim Auftreten von Kreidezähnen können wir noch nicht plausibel erklären. Hier sollte man nicht überinterpretieren“, so Walter.

Bundesländer MIH

 


Quelle: Barmer