Platform-Switching – Potenzial und Grenzen
Platform-Switching-Abutments haben in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen. Was sind die Vorteile und wo liegen die Grenzen? Eine Standortbestimmung.
Lässt sich die Implantat-Abutment-Schnittstelle durch Platform-Switching (PS) tatsächlich so verlagern, dass der Bakterienaustritt durch die einwirkenden Kräfte keinen Einfluss auf den krestalen Knochen hat?
Moergel: Auf jeden Fall ist der Einfluss deutlich geringer. Denn Platform-Switching – also das Verwenden eines Abutments, das einen kleineren Durchmesser hat als die Implantatplattform – hilft, die Knochenanlagerung an der Implantatschulter zu ermöglichen. Dazu kommt: Die biologische Breite spielt sich beim Platform-Switching nicht nur in der vertikalen, sondern auch in der horizontalen Dimension ab. Das sorgt sowohl für einen stabileren Weichteilabschluss zum kontaminierten Milieu der Mundhöhle als auch für eine Vergrößerung des Abstands des periimplantären Knochen zum potenziell kontaminierten Implantatinneren. Da bei jeder Implantat-Innenverbindungsgeometrie unter Belastung natürlich Bakterien austreten, schützt dieser Abstand vor Knochenverlust.
Sie sprechen von dem viel zitierten Pumpeffekt?
Moergel: Genau, und durch das Verlegen der Schnittstelle nach innen reduziert das Platform-Switching den durch Microleakage verursachten Knochenverlust.
Wie viel Platform-Switching braucht es dafür?
Beschnidt: Je größer das Platform-Switching, desto geringer der Knochenabbau, wie eine Untersuchung von Hürzeler et al. 2007 gezeigt hat [1]. Prof. Dr. Markus Hürzeler, München, postuliert, dass ein Platform-Switch von mindestens 0,4 mm überhaupt erst Einfluss auf den Knochen hat. Für ein wirksames Plattform-Switchen muss die Implantatschulter zudem entweder auf Knochenniveau oder leicht darunter sitzen. Nur dann reduziert sich der marginale Knochenabbau, stets vorausgesetzt die Implantatschulter besitzt eine raue Oberfläche. Das klingt zwar banal, wird aber häufig vernachlässigt.
Wer Implantate 0,4 mm bis 0, 5 mm oberhalb des krestalen Knochens platziert, kann mit dem PS aber das Volumen der Weichgewebemanschette erhöhen und somit die Ästhetik der prothetischen Rekonstruktion verbessern.
Bis zu welchen Implantatdurchmessern kann ein Platform-Switching-Effekt erreicht werden, ohne die Stabilität der Verbindung zu gefährden?
Moergel: Platform-Switching lässt sich natürlich in großen Implantattypen besser etablieren, da bei kleinen und kleinsten Durchmessern eine Frakturgefahr besteht. Wo exakt die Limits liegen, ist nicht klar definiert. Meist ist das Ausmaß des erreichbaren Platform-Switching vom zugrunde liegenden Implantatdurchmesser abhängig.
Die biologische Breite spielt sich beim Platform-Switching nicht nur in der vertikalen, sondern auch in der horizontalen Dimension ab.
PD Dr. Dr. Maximilan Moergel
Wie darf ich das verstehen?
Moergel: Bei 4-mm-Implantaten liegt der Platform-Switch in der Regel bei 0,3–0,6 mm.
Ist das belegt?
Moergel: Das sind eher Erfahrungswerte, ich kenne keine Studie, die die Wirksamkeit eines Platform-Switch-Effektes in diesem Zusammenhang untersucht hat. Canullo favorisiert – abgeleitet aus seinen Beobachtungen zum Platform-Switch-Konzept – mindestens 0,4 mm [2].
Guerra: Bei extrem durchmesserreduzierten Implantaten gibt es natürlich mechanische und fertigungstechnische Einschränkungen. Technische Komplikationen wie Brüche der Komponenten mit unerwünschten Folgen für den Patienten gilt es zu vermeiden.
Aber wo liegen die Grenzen, lässt sich das nicht etwas genauer definieren?
Beschnidt: Bei Implantatdurchmessern unter 3,8 mm halte ich Platform-Switching klar für kontraindiziert. Der Platform-Switch wäre dann zu gering und damit ineffektiv. Alternativ lässt sich ein schmales oder einteiliges Implantat wählen oder eine Brückenlösung. Im unteren Frontzahnbereich ist das auch häufiger indiziert, denn es ist nach wie vor eine Herausforderung, ein ästhetisch perfektes Implantat bei schmaler Kronengröße zu realisieren. Im Oberkiefer-Frontzahnbereich gelingt das deutlich einfacher. Es gibt natürlich auch die Möglichkeit, einteilige Implantate zu nutzen. Ein Manko: Ist eine Augmentation erforderlich, kann das Implantat nicht gedeckt einheilen.
Sind diese Kriterien erfüllt, sorgt dann das Platform-Switching-Konzept sowohl für eine Reduzierung des Kochenverlustes als auch – bis zu einem gewissen Grad – für die Wiederherstellung des krestalen Knochenniveaus?
Guerra: Ja, davon kann man ausgehen. Unsere Forschungsgruppe an der Universität Coimbra – Prof. Dr. Pedro Nicolau, Prof. Dr. Ana Messias und Dr. Salomão Rocha – hat im vergangenen Jahrzehnt umfangreiche Arbeit geleistet, um genau dies deutlich zu machen.
Bitte konkretisieren Sie das.
Guerra: Mit Hilfe des Instituts für Maschinenbau unserer Universität in Coimbra, Portugal, führten wir im ersten Schritt eine numerische Analyse durch, um die Spannungen an der Implantat-Abutment-Platform und am periimplantären Knochen unter Berücksichtigung verschiedener Knochentypen zu bewerten.
Im zweiten Schritt wechselten wir in die Klinik und etablierten unter der Schirmherrschaft der damaligen Camlog Foundation, der heutigen Oral Reconstruction Foundation, Partnerschaften mit der Gruppe um Prof. Dr. Dr. Wilfried Wagner und Dr. Maximilian Moergel, Mainz, und dem Team der Universität Kiel um Prof. Dr. Dr. Jörg Wiltfang, Dr. Eleonore Behrens.
Diese drei Universitäten und die Oral Reconstruction Foundation haben eine randomisierte klinische Studie über die Auswirkungen des Platform-Switching auf den Erhalt des periimplantären Randknochen-Niveaus auf den Weg gebracht [3].
Ab dem Zeitpunkt der Belastung und bis zu fünf Jahre danach zeigten zwei von drei Implantaten aus der Platform-Switching-Gruppe einen Knochenzuwachs.
Prof. Dr. Fernando Guerra
Verwendet wurde das gleiche Implantatsystem, die gleichen Tube-in-Tube-Verbindungen, einmal mit Platform-Match- und einmal Platform-Switching-Prothetikkomponenten. Die Ergebnisse demonstrierten den positiven Effekt des Platform-Switching. Das bestätigen Ein-, Zwei- und Fünfjahresbetrachtungen (Abb. 1a bis 6b) [3, 4, 5].
Ab dem Zeitpunkt der Belastung und bis zu fünf Jahre danach zeigten zwei von drei Implantaten aus der Platform-Switching-Gruppe einen Knochenzuwachs. Darüber hinaus haben unsere Gruppe und die der Universität Mainz eine langfristige klinische Kohortenstudie mit einem Implantatsystem mit konischer Verbindung durchgeführt. Die Ergebnisse zeigten ebenfalls ein höheres krestales Knochenniveau und einen Erfolg von 95% nach fünf Jahren gemäß den Buser-Kriterien [6] (Abb. 7a bis 7f). Auch weitere Studien belegen den Einsatz des Platform-Switch und seine Wirksamkeit [7].
Welche Rolle spielt dabei das richtige Implantatsystem?
Moergel: Eine erhebliche. Postulierte Albrektsson 1986 noch einen Knochenabbau von 1,5 mm im ersten Jahr als Implantaterfolg [8], kann davon heute keine Rede mehr sein. Moderne Implantattypen zeigen auch nach Jahren einen deutlich geringeren periimplantären Knochenschwund, wie unsere Studie [7] auch belegt.
Unabhängig vom Platform-Switching?
Beschnidt: Das kann man nicht so klar beantworten, denn nicht nur die Implantate haben sich verbessert, auch das chirurgische Protokoll hat sich geändert. Vor 30 Jahren hat man Implantate beim Eindrehen gekühlt, heute weiß man beispielsweise, langsame, gleichmäßige Umdrehungen, ob per Hand oder maschinell, brauchen keine Kühlung.
Moergel: Inwieweit Platform-Switching tatsächlich hierbei einen Einfluss hat, kann man vielleicht aus zwei klinischen Studien der Arbeitsgruppen um Linkevicius aus dem Jahr 2015 abschätzen. In beiden Studien wurde der Einfluss von dicker und dünner periimplantärer Mukosa auf den resultierenden Knochenverlust an der Schulter untersucht [9, 10]. In der ersten Untersuchung wurden keine PS-Abutments, jedoch in der zweiten das-PS Design untersucht. Für beide Abutmenttypen war eine dicke Mukosa vorteilhaft mit lediglich 0,44 mm bzw. 0,22 mm periimplantären Knochenverlust, gegenüber 1,65 mm bzw. 1,18 mm bei dünner Mukosa. Der Studienvergleich zeigt hier, dass PS nochmals einen geringeren periimplantären Knochenverlust hat und der protektive Unterschied bei dünner Mukosa deutlicher ausfällt.
Das heißt?
Moergel: Dass die Wahl eines PS-Abutments bei dünner Mukosa bedeutsamer wird, was die oben benannte biologische Basistheorie untermauert. Die Zahlen von Linkevicius ähneln den Ergebnissen zweier Studien zum Camlog Implantatsystem, die wir durchgeführt hatten [11].
Vom Aspekt klinischer Studien aus betrachtet, sind so kleine Unterschiede natürlich kritisch, da bei kleinen Unterschieden extrem große Fallzahlen zur Aufdeckung signifikanter Unterschiede inkludiert werden müssen. Dies gelingt letztlich nur in Multicenterstudien. Da der periimplantäre Knochenerhalt aber ein multifaktorielles Geschehen ist, kommen dann andere Einflussfaktoren bei vielen verschiedenen Chirurgen und Prothetikern hinzu, die den periimplantären Knochenumbau wieder anderweitig beeinflussen.
Zum Beispiel?
Moergel: Zum Beispiel die Insertionstiefe, die Angulation, die Abstände, das Protokoll, also Sofort- versus Spätversorgung, verschraubt versus zementiert, die unterschiedlichen Zementarten und die verschiedenen Abutmenttypen – für all das wurde der Einfluss auf den periimplantären Knochenerhalt beschrieben.
Inwieweit beeinflusst das Platform-Switching die Ausgestaltung des Emergenzprofils?
Moergel: Erheblich, gerade bei schmalen Schaltlücken, schlichtweg, weil mehr Gewebevolumen für die subgingivale Gestaltung zur Verfügung steht.
Beschnidt: Ich schließe mich an, das belegen wirklich sehr viele Untersuchungen. Das Weichgewebe erhält mehr Raum und der reduzierte Abutment-Durchmesser schützt die Implantatschulter am Knochenübergang. Unsere Studie [12] hat gezeigt, dass dies zu einer Ausheilung des Weichgewebes über die Implantatschulter führt.
Was genau ist der Vorteil?
Beschnidt: Die Implantatschulter kommt nie mehr in den Bereich des Sulkus, also in den Bereich, der zur Mundhöhle offen ist. Mikrobewegungen entstehen immer, egal, um welche Innen-Verbindung es sich handelt. Und diese Mikrobewegungen führen dazu, dass auch kleine Bakterienströme quasi an diese Implantatschulter kommen. Beim Platform-Switching ist diese Implantatschulter insofern durch das Weichgewebe geschützt, weil da ja kein Abutment mehr hinkommt. Aus diesem Grund führen PS-Abutments immer zu einem besseren Weichgeweberesultat. Und – je nachdem wie groß dieses Platform-Switching ist, sagen wir mal ab 0,4 mm – ist auch ein hartgewebiges Resultat – der Knochen bleibt erhalten – zu verzeichnen.
Ist das klassische Platform-Matching-Abutment damit out?
Beschnidt: Definitiv nicht: Im Bereich der Molaren liefern Platform-Matching-Abutments eine höhere Stabilität. Sie fangen einen größeren Zahndurchmesser deutlich leichter auf. Und wenn sich ein Implantat nicht ausreichend tief setzen lässt, sind Platform-Matching-Abutments nach wie vor Stand der Technik. Das hängt natürlich massiv davon ab, inwieweit ästhetische oder funktionelle Implantologie betrieben wird. Bei All-on-Four-Versorgungen in einen zahnlosen Kiefer sind beispielsweise Platform-Matching-Abutments die Regel. Geht es darum, das Weichgewebe zu erhöhen und zu formen, etwa bei Einzelzahnimplantaten oder Brücken im ästhetischen Frontzahnbereich, sind Platform-Switching-Implantate vorzuziehen. Kurz: Das ästhetische „Spezialistenimplantat“ ist stets das platformgeswitchte, weil wir einfach ein stabileres perimplantäres Hart- und Weichgewebe erreichen können.
Das Platform-Matching-Implantat ist dagegen der Allrounder. Damit lassen sich fast alle Indikationen abdecken, doch hin und wieder mit ästhetischen Einbußen. Aber: Hinsichtlich der Überlebensraten gibt es derzeit keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen Abutment-Matching und -Switching-Implantaten.
Stichwort Mikrobewegungen und Mikroleakage: Wirkt Platform-Switching dem unabhängig von der Implantat-Innenverbindung entgegen?
Moergel: Aus meiner Sicht hat das Platform-Switching-Konzept nur wenig Einfluss auf die Mikrobewegungen, obwohl die Kräfte mehr zentral eingeleitet werden. Es wurde gezeigt, dass durch Pumpeffekte unter Belastung selbst bei den konischen Abutmentinnenverbindungen noch Mikrobewegungen auftreten und den eben beschriebenen Prozess unterhalten können, wenngleich geringer als bei gerader Innenankopplung. Zusätzlich konnte in finite Elemente-Analysen für Platform-Switch-Abutments eine günstigere Krafteinleitung zentral zur Implantatachse nachgewiesen werden.
Beschnidt: Gänzlich lassen sich Mikrobewegungen nicht verhindern.
Guerra: Das vertreten wir ebenfalls: Mikrobewegungen und der Pumpeffekt sind bei allen implantatgetragenen Versorgungen Realität. Die Rolle der Platform-Switching-Abutments entspricht der Theorie des inflammatorischen Infiltrates, wonach die Veränderung der Schnittstelle zwischen Implantat und prothetischem Abutment in Richtung einer stärker medialen Lage, d. h. weit vom marginalen Knochen, die Knochenstabilisierung positiv beeinflusst.
Lässt sich Platform-Switching bei Flach-zu-flach-Verbindungen realisieren?
Moergel: Natürlich, bei Flach-zu-flach Verbindungen lässt sich Platform-Switching genauso umsetzen wie bei konischen Verbindungen. Das belegt eine prospektiv randomisierte Multicenter Studie, die wir 2019 mit dem Camlog System durchgeführt haben [3]. Hier wurde intraoperativ das Abutment auf Platform-Switching versus Non-Platform-Switching randomisiert, eingesetzt und der periimplantäre Knochenabbau über fünf Jahre durch standardisierte Zahnfilme im Jahresabstand verglichen.
Den geringeren Knochenabbau zeigt hier die Platform-Switching-Gruppe wie in den Linkevicius-Arbeiten zuvor. Eine ähnlich gelagerte Multicenterstudie hatten wir nach Markteinführung des Conelog-Implantatsystem angeschlossen. Das grundsätzliche Studienkonzept zur erstgenannten Studie war gleich, lediglich die Randomisierung fiel weg, da Platform-Switching und Innenkonus inhärente Komponenten des Conelog-Systems sind.
Der Knochenabbau fiel ebenso günstig aus und war vergleichbar zur Vorläuferstudie [8]. Aus beiden Studien konnten wir darüber hinaus erkennen, dass ein stabiles Knochenniveau in Abhängigkeit von der Insertionstiefe (epi-, eqi- und subcrestal) sich erst nach zwei Jahren eingestellt hat. Bewertungen des Knochenniveaus unter zwei Jahren in Funktion sind daher mit Vorsicht zu interpretieren.
Das Platform-Matching-Implantat ist der Allrounder. Damit lassen sich fast alle Indikationen abdecken, doch hin und wieder mit ästhetischen Einbußen.
Dr. Sven-Marcus Beschnidt
Haben konische Verbindungen eigentlich einen größeren Platform-Switch?
Beschnidt: Nicht zwingend: Schraubt man zum Beispiel ein platform-geswitchtes Abutment von 5 mm in ein 6-mm-Camlog-Implantat, erzielt man einen Platform-Switch von 0,85 mm. Bei einem konischen Implantat ist der PS mit zirka 0,65 mm geringer. Das ist zwar ein Off-Label-Use, aber wir haben so den PS vergrößern können. Das funktioniert, weil die Innengeometrie vom 6er und 5er Implantat identisch ist.
Gibt es beim Platform-Switching auch Nachteile?
Beschnidt: Durch die kleineren Dimensionen des platform-geswitchten Abutments kommt es zur höheren mechanischen Belastung innerhalb des Abutments selbst. Aus diesem Grund gibt es auch keine vollkeramischen Abutments. Durch die höheren Belastungen wird sowohl die Keramik als auch die Stabilität der duktilen Titan- Innenkonfiguration stark in Anspruch genommen, wodurch es zu Versagen beider Komponenten kommen kann. Dafür gibt es diese Hybridabutments, bei denen ein Keramikaufbau auf einer platform-geswitchte Titanbasis verklebt wird.
Statistisch haben wir aber eine signifikant höhere periimplantäre Weichgewebsstabilität beim Platform-Switching, und zwar approximal und bukkal, wie die Studie von Canulo 2010 [2] zeigt. Das ist ja logisch, durch die geringeren Durchmesser der Abutments kommt es zu mehr Platz im Bereich des Durchtritts und diesen Platz nimmt natürlich das Weichgewebe ein. Statistisch signifikant ist auch der geringere Knochenabbau am Platform-Switching-Abutment, auch das ist belegt.
Apropos periimplantäres Gewebe: Individuelle Abutments sind en vogue, die meisten Anwender nutzen Klebe-Abutments. Die Klebestelle liegt in der Regel nahe an der Implantatschulter. Wie wirkt sich das auf das periimlantäre Gewebe aus?
Beschnidt: Das ist kein Problem: Die Klebung findet außerhalb des Mundes statt. Die Klebefuge hat in der Regel, da es sich um zwei industriell gefertigte Bauteile handelt, eine Größe von allenfalls 20 bis 50 µm. Der Kleber härtet aus, wird poliert und desinfiziert, bevor das Abutment eingesetzt wird. Das funktioniert. Da möchte ich nicht die Evidenz bemühen, sondern die Eminenz. Wir arbeiten seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten erfolgreich so und nutzen Panavia und seit 2002 Multilink Hybrid, Unverträglichkeitsreaktion darauf haben wir noch nie festgestellt [13,14].
Moergel: Das sehe ich auch so. Bei Klebeabutments kommt es auf eine saubere Verfugung und Politur an. Das hat der Zahntechniker in der Hand.
Guerra: Individuelle Abutments, die mit CAD/CAM-Techniken hergestellt wurden, werden von vielen Zahnärzten vor allem im ästhetischen Bereich gegenüber Standard-Abutments bevorzugt, um das Emergenzprofil zu optimieren und die Keramikrestauration besser zu unterstützen. Bisher scheint die beste Option die Verwendung von Titan-Basen zu sein, die im Dentallabor verklebt werden. Auf diese Weise können Krone und Abutment direkt mit dem Implantat verschraubt werden, wodurch Probleme bei der intraoralen Befestigung vermieden werden. Die Klebefuge, die sich in der Nähe der Implantatschulter befindet, insbesondere bei Flach-zu-flach-Verbindungen bei Implantaten auf Knochenniveau, kann bei unsachgemäßer Verarbeitung auf lange Sicht ein Problem für die Gesundheit des periimplantären Gewebes sein. Der Verlust der adhäsiven Eigenschaften dieser Zemente kann mit der Zeit eintreten. Wir denken, dass strenge Protokolle für die Befestigung befolgt werden müssen, damit diese Restaurationen erfolgreich sind. Ein weiteres Problem ist die Biokompatibilität dieser Zemente. Nicht jeder Kunststoffzement zeigt bei allen Patienten die gleiche Gewebereaktion. Wir würden dieses Thema gerne in der Literatur als einen Faktor sehen, der das klinische Ergebnis beeinflussen kann.
Sind möglicherweise Tissue-Level-Implantate eine bessere Alternative?
Moergel: Bei sehr dicker Mukosa ist der positive Einfluss von Platform-Switching eher gering. Bei weit posteriorer Lage im Zahnbogen kann dann ein Tissue-Level-Implantat beim Finden der korrekten Position und dem Entfernen von Zementresten für ein langfristig stabiles Ergebnis am Knochen bedeutsamer sein.
Beschnidt: Tissue-Level-Implantate halte ich nur dann für sinnvoll, wenn die Ästhetik eine geringe Rolle spielt.
Also im Seitenzahnbereich?
Guerra: Korrekt, Tissue-Level-Implantate sind unserer Meinung nach eine Alternative im Seitenzahnbereich, in dem ästhetische Gesichtspunkte nicht so wichtig sind wie im Frontzahnbereich. Im Seitenzahnbereich sollte die Verwendung von Standard-Abutments für verschraubte Situationen einen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber individualisierten Abutments haben. Und wenn individuelle Klebeabutments bevorzugt werden, wird der Kronenrand im Gewebeniveau an der marginalen Gingiva weit weg vom Knochenimplantatkontakt an der Schulter des Implantats nach oben verschoben, wodurch periimplantäre Gewebekomplikationen aufgrund der Zementierung reduziert werden.
Beschnidt: Noch wichtiger für das Weich- und Hartgewebe ist aus meiner Sicht Platform-Switching plus Verzicht auf einen Abutmentwechsel. Das unterstützt die Knochenanlagerung auf der Implantatschulter, der Knochen wächst „bergauf“.
Sie meinen das One-Abutment-One-Time-Konzept?
Beschnidt: Richtig, aber der Name spielt dabei keine Rolle, es handelt sich einfach um ein Protokoll, das wir in unserer Praxis seit Jahren anwenden. Voraussetzung: Das Abutment ist bereits vor Implantatinsertion fertiggestellt. Wir nutzen die Vorteile der digitalen Techniken in Kombination mit analogen Verfahren. Das Implantat wird guided inseriert, zum Beispiel mit dem Smop-System, das Abutment wird vor dem chirurgischen Eingriff anhand der digitalen Daten gefertigt, zum Beispiel über den CAMLOG-CAD/CAM-Fertigungsservice DEDICAM. Auch das Langzeitprovisorium oder die finale Krone lässt sich dort bereits vorab herstellen. Dieses Konzept ermöglicht vorhersagbare Lösungen, reduziert Behandlungssitzungen und ist patientenfreundlich.
- Platform-Switching – also das Verwenden eines Abutments, das einen kleineren Durchmesser hat als die ‧Implantatplattform – hilft, den krestalen Knochenverlust zu verhindern und das periimplantäre Weichgewebe zu Das bestätigen Ein-, Zwei- und Fünfjahresbetrachtungen.
- Platform-Switching lässt sich sowohl bei konischen als auch bei Flach-zu-flach-Verbindungen realisieren.
- Trotz dieser Vorteile kommen nach wie vor Platform-Matching-Abutments zum Einsatz. Im Bereich der Molaren liefern Platform-Matching-Abutments eine zusätzliche Stabilität.
- Die Grenzen des Platform-Switching liegen bei schmalen Implantaten. Bei Durchmessern von unter 3,8 mm ist das Platform-Switching kontraindiziert. Der Switch wäre zu gering und damit ineffektiv.
Die Experten
Dr. Sven-Marcus Beschnidt
seit 2004 niedergelassen in eigener privatärztlicher Praxis in Baden-Baden
a.pfaff@beschnidt.com
PD Dr. Dr. Maximilian Moergel
Facharzt für Mund-, Kiefer- und ‧Gesichtschirurgie, Plastische Operationen, Niederlassung in Wiesbaden, MKG Burgstraße GbR
maximilian.moergel@mkg-burgstrasse.de
Prof. Dr. Fernando Guerra
Universität Coimbra, Portugal, Schwerpunkt: Implantologie und Oralchirurgie.
fguerra@ci.uc.pt