Eine vorbildliche Gründerstory
In dieser Serie werden die Phasen einer erfolgreichen Niederlassung am Beispiel der Münchner Zahnärztin Dr. Theresia Hammann beschrieben. Wie findet man eine Praxis zur Übernahme und anhand welcher Kriterien trifft man die Entscheidung zwischen den Praxen, die es in die engere Wahl geschafft haben? Dr. Hammann hat sich für diesen Prozess von Michael Kreuzer aus München beraten lassen. Hier zeigt er auf, worauf es bei der Preisfindung für eine Praxisübernahme ankommt.
Diese dreiteilige Serie beschreibt die Phasen der Niederlassung von Dr. Theresia Hammann, die in München eine bestehende Praxis übernommen hat. Das Besondere: Die Zahnärztin wählte einen ungewöhnlichen Weg für die Praxissuche in ihrem Stadtteil und hatte dann zwei geeignete Praxen in die engere Wahl gezogen.
Die Praxisalternativen
Dr. Hammann musste sich also zwischen zwei unterschiedlichen Praxen entscheiden. Welche wäre wohl die bessere für sie? Vor einer solchen Entscheidung (oder ähnlich) stehen wahrscheinlich viele Existenzgründer. Sollte sich Dr. Hammann für die umsatzstarke Praxis von Dr. M. entscheiden? Eine Praxis, zu deren Leistungsspektrum auch die Implantologie gehört, in die noch zu investieren sein würde und für die möglicherweise der Kaufpreis zu hoch wäre? Fraglich ist: Kann sie den Umsatz und Gewinn halten, obwohl sie die Implantologie nicht anbietet? Oder sollte sie sich für die umsatzschwache Praxis von Dr. F. entscheiden? Eine Praxis in einer wenig ansprechenden Immobilie, deren Praxisräumlichkeiten aber ein besonderes Flair vermitteln? Zudem müssten Praxisumsatz und -gewinn noch stark gesteigert werden.
Kaufpreisfindung
Viele potenzielle Existenzgründer überlegen, ob es besser sei, eine umsatz- und gewinnstarke Praxis zu einem höheren Kaufpreis zu erwerben oder weniger für eine umsatz- und gewinnschwächere Praxis auszugeben, um dann die Praxis aufzubauen.
Eine pauschale Antwort auf diese Frage gibt es leider nicht. Es kommt immer auf den Einzelfall und die Verhältnismäßigkeit an. Ein hoher Kaufpreis sollte aber kein pauschales Ausschlusskriterium sein. Denn wenn es die Praxis wert ist, kann sich auch ein höherer Preis schnell wieder auszahlen.
Da Dr. F. noch nicht wusste, welchen Kaufpreis er für seine Praxis verlangen konnte, wandte er sich an ein Finanzinstitut, das ihm ein „Gutachten“ erstellen wollte. In den Verhandlungen haben wir lange darauf gewartet und waren dann sehr enttäuscht, welches Ergebnis präsentiert worden ist: Das „Gutachten“ des Finanzinstituts wies eine Preisspanne auf, bei der der Maximalwert fast doppelt so hoch war wie der Mindestwert. Der Hintergrund: Die Praxis war nicht wirklich bewertet worden, sondern es waren viele pauschale Annahmen getroffen worden (z. B. das vorhandene Inventar).
Dr. F. hatte aufgrund der Krankheit seiner Frau in den letzten Jahren nur ca. 22 bis 24 Stunden pro Woche gearbeitet. Er zielte daher auf das Potenzial seiner Praxis ab. In seinen Augen war es leicht möglich, bei einer Vollzeittätigkeit den Umsatz und Gewinn so zu steigern, dass die Praxis den Maximalwert wert wäre. Aus diesem Grund hatte er sich an dem oberen Wert des „Gutachtens“ orientiert.
Verkauft wird, was vorhanden ist
Ein Gutachten ist immer nur so gut, wie die Werte, auf denen es basiert. Leider zeigt die Realität, dass viele Institutionen „Praxisbewertungen“ erstellen. Aber leider orientieren sich nicht alle an den realen Gegebenheiten. Das Problem bei „schlechten“ Wertermittlungen ist, dass dem Verkäufer sehr häufig ein viel zu hoher Wert in den Kopf gesetzt wird, der mit einem realistischen Kaufpreis wenig zu tun hat. Und so war es auch bei Dr. F.
Bei Preisverhandlungen kann man gerne einmal einen um 5 bis 15 % niedrigeren Kaufpreis verhandeln. Wenn es dann aber um eine Kaufpreisreduktion von 60 bis 80 % geht, ist meistens jede weitere Verhandlung sinnlos.
Dr. F. haben wir anhand von Durchschnittszahlen gezeigt, dass seine Praxis um ca. 60 % weniger Gewinn erzielte als eine vergleichbare Durchschnittspraxis. Jedoch wollte er einen um 50 % höheren Kaufpreis als es die Durchschnittszahlen zuließen.
Hinzu kam, dass er nicht verkaufen konnte, was er nicht hatte. Sicherlich kann man darüber diskutieren, dass ein Übernehmer mehr arbeiten und mehr verdienen kann. Das ist dann aber der Verdienst des Übernehmers und kein Wert, den sich der Abgeber bezahlen lassen kann.
Dr. F. war also noch nicht in der Realität angekommen. Die Verhandlungen stockten, da er von einem Kaufpreis träumte, der unrealistisch war und nie zu erzielen wäre.
Anstellung des Praxisinhabers
Während die Verhandlungen mit Dr. F. also stockten, wurden die Gespräche mit Dr. M. intensiviert. Dr. M. hatte signalisiert, dass er sich gut vorstellen könnte, selbst über einen längeren Zeitraum noch in der Praxis als angestellter Zahnarzt mitzuarbeiten. Da Dr. Hammann zu der Zeit aufgrund ihrer zwei kleinen Kinder nicht in Vollzeit arbeiten konnte und auch keine Erfahrungen in der Implantologie hatte, entstand daraus eine neue Chance: Es entstand die Idee, dass Dr. M. noch für die nächsten Jahre mitarbeiten könnte. Er wollte die Behandlungszeiten abdecken, in denen sich Dr. Hammann um ihre Familie kümmern musste. Zudem wollte sich Dr. Hammann in diesen Jahren an der Seite des Kollegen in den Fachbereich Implantologie einarbeiten.
Eine solche „Abhängigkeit“ von einem Praxisabgeber ist natürlich nicht ganz einfach und auch nicht ungefährlich für die wirtschaftliche Entwicklung der Praxis. In diesem konkreten Fall brannte Dr. M. sehr für seine zahnärztliche Berufung und auch menschlich war er der Typ, mit dem diese Vorgehensweise gut vorstellbar war.
Gehaltsverhandlungen mit dem Praxisabgeber
In den Verhandlungen mit Dr. M. ging es also nicht nur um den Kaufpreis – dieser war natürlich auch davon abhängig, welche Gewinne in der Zukunft erwirtschaftet werden könnten –, sondern auch um das Anstellungsverhältnis und die damit verbundene Vergütung des Praxisabgebers:
- Wie üblich kann ein angestellter Zahnarzt entweder auf Basis eines Festgehaltes oder einer Kombination aus Festgehalt und Umsatzbeteiligung vergütet werden. Beides hat seine Vor- und Nachteile: Eine Umsatzbeteiligung kann Dr. M. motivieren, einen möglichst hohen Umsatz zu erwirtschaften. Das wiederum ist für die Praxisübernehmerin von Vorteil für die Abzahlung des hohen Kaufpreises.
- Ein Festgehalt kann Dr. M. wiederum die Motivation geben, sowohl sein implantologisches Wissen als auch die Patienten an seine Nachfolgerin weiterzugeben.
Was ist in diesem Fall wichtiger: Ein möglichst hoher Umsatz – solange Dr. M. in der Praxis angestellt ist – oder die Übergabe des Wissens und der Patienten an Dr. Hammann? In diesem Zusammenhang war eine Überlegung, dass man nach dem Ausscheiden von Dr. M. leichter einen Kollegen für „Standardbehandlungen“ finden würde als einen langjährig erfahrenen Implantologen.
Deshalb sollte Dr. Hammann in die Position von Dr. M. hineinwachsen und nach seinem Ausscheiden sollte dann ein angestellter Kollege die fachliche Position von Dr. Hammann übernehmen. Aus diesem Grund wurde in den Verhandlungen auf ein hohes Festgehalt – ohne Umsatzbeteiligung – gesetzt.
Ende gut, alles gut
Mit Dr. F. wurden nach mehreren Monaten und diversen Gesprächen die Verhandlungen abgebrochen. Er hielt zu sehr an einem viel zu hohen Kaufpreis für seine umsatz- und ertragsmäßig unterdurchschnittliche Praxis fest. Seine Preisvorstellung war weit von der Realität entfernt und damit nicht marktkonform. Hätte er sich an Fakten (insbesondere Vergleichszahlen und Vergleichspraxen) orientiert und nicht an einem einzigen Gutachten, hätten weitere Gespräche geführt werden können. Die Praxis blieb danach über eine längeren Zeitraum unverkauft.
Dr. M. und Dr. Hammann einigten sich. Es wurde zwar ein hoher Kaufpreis und auch ein hohes Gehalt vereinbart, aber sowohl die Praxis als auch die Arbeitsleistung von Dr. M. waren es wert. Über mehr als drei Jahre hinweg arbeitete Dr. M. als Angestellter in seiner ehemaligen Praxis mit und Dr. Hammann konnte sich Stück für Stück in die Implantologie einarbeiten. Während Dr. M seine Arbeitszeit von Jahr zu Jahr etwas reduzierte, wuchs Dr. Hammann fachlich immer weiter in die Implantologie hinein und übernahm mehr implantologische Behandlungsfälle. Zudem wurde eine neue Zahnärztin angestellt und eingearbeitet.
Fazit
Diese besondere Konstellation, dass Fachwissen aus Jahrzehnten an eine Nachfolgerin übergeben werden konnte, war nur dank der konstruktiven und positiven Persönlichkeiten von Dr. Hammann und Dr. M. möglich. Beide haben es geschafft, einen Weg der Offenheit, Ehrlichkeit und gegenseitigen Wertschätzung zu gehen. So schafften sie diese „besondere“ Praxisübergabe mit ihren Mitarbeitern und Patienten.
Diese Vorgehensweise, die für beide Seiten große Vorteile hat, ist aus meiner Sicht ein sehr gutes Beispiel, das viel häufiger nachgeahmt werden sollte.
Michael Kreuzer
ist Geschäftsführer und Inhaber der ZahnÄrzteBeratung BestPraxis in München.
Seit über 25 Jahren ist der Diplom-Kaufmann auf die Beratung von Mandanten
aus dem Bereich der akademischen Heilberufe spezialisiert.
www.bestpraxis.de
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