Forschung und Entwicklung im Fokus

25 Jahre Geistlich Biomaterials in Baden-Baden

Rund 1500 wissenschaftliche Studien, bestens dokumentierte Biomaterialien für den Bereich der dentalen Weich- und Hartgeweberegeneration, ganz neue Ansätze in der Periimplantitisdiskussion und stets im Fokus das Thema Biologisierung: Vor 25 Jahren öffnete Geistlich Biomaterials Deutschland in Baden-Baden seine Pforten und lenkt von hier aus den kompletten deutschen Vertrieb. Geschäftsführer Dr. Thomas Braun war von Beginn an dabei.


25 Jahre Geistlich Biomaterials

Geistlich Biomaterials feiert das 25-jährige Bestehen. © Geistlich


Herr Dr. Braun, 25 Jahre Geistlich Biomaterials in Baden-Baden – wie ging es los?

Braun: 25 Jahre Biomaterials in Baden-Baden: Los ging es mit einer Art Urknall: Dr. Peter Geistlich hatte damals in einem Fachjournal einen Beitrag über Knochenersatzmaterial gelesen – und das Thema ließ ihn nicht los. Er begann, sich intensiv mit internationalen Wissenschaftlern auszutauschen. Diese Kooperationen – vor allem die Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Philip J. Boyne von der kalifornischen Loma Linda University – veranlassten ihn, sich mit der Entwicklung von regenerativen Produkten zu befassen.

… und führten zu dem Durchbruch von Geistlich Bio-Oss und legt den Grundstein für 25 Jahre Geistlich Biomaterials in Baden-Baden?

Braun: Richtig, und rasch stellte sich dann die Frage: Braucht es einen eigenen Vertrieb oder soll die Vermarktung über Kooperationspartner laufen?
Mit der Gründung von Geistlich Biomaterials Deutschland als erster Tochtergesellschaft fiel die Entscheidung gegen den „Fremdvertrieb“ von Biomaterialien. Deutschland ist damit quasi das „Urmodell“ des weltweiten Geistlich-Vertriebs und nach China bis heute der größte Markt.

25 jahre Geistlich Biomaterials Deutschland in Baden-Baden: Wie „hart“ ist es, diese Marktführerschaft zu verteidigen? Derzeit drängen immer neue Knochenersatzmaterialien und Anbieter auf den Markt …

Braun: Das Gros der Marktbegleiter vertreibt die Biomaterialien lediglich, oft werden sogar die gleichen Produkte nur unter anderem Label angeboten.

25 Jahre Geistlich Biomaterials

Das gesamte Team um Dr. Thomas Braun (oben Mitte) feiert die vergangenen 25 Jahre Geistlich Biomaterials und freut sich auf die Zukunft. © Geistlich

Wie kann das sein?

Braun: Es gibt im Grunde weltweit wenige Hersteller, die ihre Biomaterialien über verschiedene „Verkaufsplattformen“ anbieten. Über diese beziehen viele Anbieter, unter anderem führende Implantatfirmen, ihre Biomaterialien. „Echte“ Hersteller von Biomaterialien wie Geistlich mit eigener Forschung, Entwicklung, Produktion und eigenem Vertrieb sind dagegen rar.

Man unterscheidet KEM boviner, porciner, allogener oder synthetischer Herkunft. Welches Material wird Ihrer Ansicht nach dominieren?

Braun: Aus welcher Spezies die Materialien stammen, halte ich für sekundär. Viel wichtiger ist, wie das Material bearbeitet und aufgereinigt wird.

Es geht aus meiner Sicht im Wesentlichen darum, wie der Organismus auf diese Materialien reagiert. Entsteht eine Fremdkörperreaktion? Wie ausgeprägt ist diese Reaktion, wie lange hält sie an? Wie störend wirken sich diese Prozesse auf die körpereigenen Regenerationsprozesse aus? Diese Fragen gilt es zu beantworten. Und das ist in der Vergangenheit aus meiner Sicht zu kurz gekommen.

Welchen Einfluss hat der Herstellungsprozess auf das Behandlungsprotokoll?

Braun: Das kann ganz unterschiedlich sein. Schließlich ist der Herstellungsprozess nicht bei allen Materialien gleich. Zum Teil fallen bestimmte Vorbehandlungen an, hydrophobe Materialien müssen unter anderem wieder benetzbar gemacht werden, um nur ein Beispiel zu nennen.

Das klingt nicht unkompliziert. Wie unterstützt Geistlich Biomaterials seine Kunden beim täglichen Doing?

Braun: Mit unseren Fortbildungsangeboten: Richtig eingeschlagen ist unser „BioBrief“. Damit haben wir die Fortbildung der analogen Welt mit der digitalen verknüpft und quasi ein analog/digitales Kochbuch für die Chirurgie auf den Weg gebracht. Der Behandlungsablauf im Printpart ist detailliert beschrieben und bebildert. OP-Video-Ausschnitte stellen die digitale Komponente dar.

Der „BioBrief“ beschreibt den Behandlungsablauf wirklich step-by-step. In herkömmlichen Publikationen ist das kaum zu leisten. Details – etwa zum Nahtverschluss – gehen häufig unter, obwohl gerade dieser Schritt existenziell für das klinische Outcome ist.

Sie widmen sich mehr und mehr umfassenden Therapiekonzepten, weniger konkreten Produkten. Was steht derzeit im Fokus?

Braun: Tatsächlich sind alle unsere Produkte eingebunden in ein Therapiekonzept. Im Fokus stehen patientenindividuelle Behandlungskonzepte. Beispiel: Welche Stabilität muss erzielt werden, damit eine bestimmte Defektkonfiguration mit Blick auf Größe und Volumen auch wirklich optimal regenerieren kann? Wann reicht die Membranfixierung, wann braucht es zusätzliche Stabilisierung, in welchen Fällen muss es das patientenindividuelle Titangitter sein?

Das große Geistlich-Thema lautet Regeneration. Es handelt sich um einen Prozess, der viel Zeit in Anspruch nimmt. Mit welchen Konzepten lässt sich die Regeneration stimulieren?

Braun: Mit dieser Frage befassen wir uns natürlich schon seit Jahren. So entstand um 2008 auch das Konzept, mit Knochenmarkaspiraten zu arbeiten, was sich aber als zu aufwendig erwiesen hat.

Stand ist: Der autologe Knochen stimuliert die Knochenregeneration, Blutplasmakonzentrate die Weichgewebsregeneration.

Deshalb forschen wir mit Hochdruck in Sachen Biologisierung, Wachstumsfaktoren und PRF (Platelet-Rich Fibrin). Dabei geht es sowohl darum, das Spektrum der Regeneration zu erweitern, als auch die Regeneration per se zu beschleunigen.

Der positive Effekt der Biologisierung ist weder Mythos noch Magie?

Braun: Nein, er lässt sich wissenschaftlich anhand biologischer Prozesse nachvollziehen und erklären. Und in diesem Bereich gilt es weiter zu forschen, aber auch demütig zu sein: Die Natur hat hervorragende Systeme entwickelt, diese zu verbessern ist ein schwieriger Prozess.


Apropos PRF – Geistlich plant aber nicht, Zentrifugen zu vertreiben?

Braun: Nein, definitiv nicht. Uns geht es um Behandlungsprotokolle, die über die aktuellen PRF-Protokolle hinausgehen und mit Blick auf die Kosten auch vertretbar sind.

Kommen wir zum Thema Pandemie – wie hat sich Geistlich Biomaterials darauf eingestellt? Was hat sich verändert?

Braun: Wir haben natürlich sofort auf den Wegfall der Präsenzveranstaltungen reagiert und bieten Alternativen. Wir hatten Anfang Februar den weltgrößten virtuellen Hands-on-Workshop mit 1000 Teilnehmern.

Wie hat das funktioniert?

Braun: Die Teilnehmer erhielten ein Päckchen mit den Hands-on-Materialien und haben am Bildschirm zusammen mit dem Dozenten step-by-step trainiert. Das hat super geklappt und kam bei den Teilnehmern sehr gut an.

Den persönlichen Austausch kann die virtuelle Welt natürlich nicht ersetzen. Wir sind aber online inzwischen gut aufgestellt, im Juni wird es sogar eine Online-Live-OP geben – eine parodontologische OP, durchgeführt von Prof. Dr. Anton Sculean, Bern. Ich gehe davon aus, dass auch in Post-Pandemie-Zeiten die Online-Fortbildung eine wichtige Rolle spielen wird. Wahrscheinlich wird es bei größeren Veranstaltungen überwiegend Hybridformate geben.

Wie haben Ihre Kunden auf den Patientenrückgang während der Pandemie reagiert? Wurde weniger geordert?

Braun: Kaum, insgesamt gesehen sind wir in Deutschland, was chirurgische Maßnahmen angeht, gut durch die Pandemie gekommen.

25 Jahre Geistlich Biomaterials in Baden-Baden: Wo stehen wir in den nächsten fünf oder zehn Jahren?

Braun: Ich denke, wir müssen in den kommenden Jahren ein tieferes Verständnis dafür gewinnen, was mit den KEM, die wir in den Körper einbringen, wirklich passiert. Nur auf dieser Basis lassen sich neue Materialien entwickeln.

Gitter aus Magnesium könnte in diesem Zusammenhang das Stichwort lauten …

Braun: Ohne Frage, ein hochinteressantes Thema. Aber gerade weil Magnesium resorbierbar ist, müssen wir die Reaktionen des Materials genau kennen. Wird der Regenerationsprozess gestört, und sei es nur durch PH-Wert-Veränderungen, wird es sich nicht durchsetzen.

Aber wir bleiben „dran“ und werden in Zukunft immer mehr patientenindividuelle Lösungen anbieten.


Der Experte

25 Jahre Geistlich Biomaterials

Foto: Privat

Dr. Thomas Braun
seit 2001 Geschäftsführer der Geistlich Biomaterials Vertriebsgesellschaft mbH
thomas.braun@geistlich.de
Foto: privat