Zirkoniumoxid: Klinisch sicher
Monolithische Restaurationen aus Zirkoniumoxid verursachen einen geringeren Verschleiß am Antagonisten als Metallkeramik und Lithiumdisilikat – vorausgesetzt, die Okklusalfläche wurde korrekt designt und sorgfältig poliert.
Ist es klinisch unbedenklich, ein so festes und hartes Material wie Zirkoniumoxid (Abb. 2) monolithisch einzusetzen? Oder besteht die Gefahr, dass Anwender durch den Verzicht auf eine Verblendschicht mit Restaurationen aus der Oxidkeramik langfristig Schaden am Antagonisten anrichten? Diese Fragen stellen sich bis heute viele Zahnärzte. Denn intuitiv wird eine Verbindung zwischen der Härte eines Werkstoffs und seinen Abrasionseigenschaften hergestellt. Zusätzlich besteht Unsicherheit hinsichtlich des Verhaltens der verschiedenen Zirkoniumoxid-Generationen, die sich durch eine unterschiedliche Phasenzusammensetzung sowie unterschiedliche Festigkeiten auszeichnen (Abb. 1).
Zirkoniumoxid der ersten und zweiten Generation
Bei dem ursprünglich verfügbaren und häufig als Gerüstmaterial eingesetzten Zirkoniumoxid der ersten Generation handelt es sich um mit 3 mol-% Yttriumoxid stabilisiertes tetragonales Zirkoniumoxid (3Y-TZP). Ein Beispiel ist 3M Lava Frame Zirkoniumoxid, das eine sehr hohe initiale 3-Punkt-Biegefestigkeit (über 1.100 MPa nach ISO 6872:2015) erreicht. Bei der zweiten Generation ist der Anteil an Yttriumoxid im Material identisch. Auch die Festigkeit ist ähnlich, es wurde aber durch Optimierung des Anteils und der Verteilung von Aluminiumoxid die Transluzenz erhöht. Diese Materialien, zu denen 3M Lava Plus Hochtransluzentes Zirkoniumoxid gehört, werden im Seitenzahnbereich auch monolithisch eingesetzt.
Mit der Einführung der Zirkoniumoxide der zweiten Generation wurden sowohl von Herstellerseite als auch von unabhängigen wissenschaftlichen Instituten die Ergebnisse zahlreicher Labortests veröffentlicht, die das Abrasionsverhalten der Produkte untersuchen [1-6]. Insgesamt zeigen Zirkoniumoxide eine geringere Abrasion des Antagonisten als glaskeramische Werkstoffe (Verblendmaterialien oder Lithiumdisilikat), sofern die Oberfläche einer Restauration aus Zirkoniumoxid vor der Eingliederung sorgfältig auf Hochglanz poliert wird [1-4, 7]. Vereinfacht lässt sich das damit erklären, dass die Oberflächenrauigkeit der Restaurationen und nicht allein die Härte für den Verschleiß des Antagonisten verantwortlich ist [1-2].
Zirkoniumoxid vs. Lithiumdisilikat
Für den klinischen Langzeiterfolg ist außerdem entscheidend, dass die Restaurationsoberfläche auch über eine Tragedauer von vielen Jahren glatt bleibt. Um im Labor zu untersuchen, wie sich das Verschleißverhalten des Werkstoffs mit der Zeit verändert, wurden in einigen Studien die verwendeten Materialproben künstlich gealtert [2, 5, 6]. Dabei zeigte sich ein deutlicher Unterschied zwischen Zirkoniumoxid und Lithiumdisilikat, der auf die unterschiedliche Mikrostruktur der Werkstoffe zurückzuführen ist [2].
Bei Zirkoniumoxid mit seinem polykristallinen, homogenen Gefüge, mit sehr starken Bindungen und keinen amorphen (glasigen) Anteilen, tritt auch nach simulierter Alterung nur ein sehr geringer Eigenverschleiß auf, die Oberfläche bleibt glatt und der am Antagonisten verursachte Verschleiß bleibt gering [2, 5, 6, 8]. Bei Lithiumdisilikat, bestehend aus Kristallen, die in eine amorphe Glasphase eingebettet sind, ist hingegen eine deutliche Veränderung der Oberfläche zu beobachten [2, 8]. Dies scheint daran zu liegen, dass die Glasphase durch den Kontakt mit dem antagonistischen Schmelz rascher abgetragen wird als die anfänglich von ihr umgebenen Kristallite. Diese ragen als scharfkantige und harte Partikel heraus und sorgen für höhere Verschleißraten [2, 8].
Zirkoniumoxid der dritten Generation
Auf Grundlage der Daten aus dem Labor erscheint es demnach unkritisch, Zirkoniumoxid der zweiten Generation ohne Verblendung im Patientenmund einzusetzen. Doch wie sieht es mit den neueren Materialien mit noch höherem ästhetischem Potenzial aus, die teilweise auch für die Verarbeitung in Chairside-CAD/CAM-Systemen entwickelt wurden?
Die dritte Generation Zirkoniumoxid unterscheidet sich in ihrer Struktur und den mechanischen Eigenschaften von den zuvor verwendeten Generationen. Zur Steigerung der Transluzenz erfolgte eine Erhöhung des Yttriumoxidanteils auf 5 mol-% zur Stabilisierung in der kubischen Kristallphase. Die Materialien dieses Typs (5Y-CZP = 5 mol-% Yttria-stabilized Cubic Zirconia Polycrystal) zeichnen sich durch eine deutlich höhere Transluzenz bei geringerer Festigkeit im Vergleich zu 3 mol-% stabilisierten Zirkoniumoxiden (siehe oben) aus. Dennoch liegt z.B. die initiale 3-Punkt-Biegefestigkeit von 3M Lava Esthetic Fluoreszierendes Vollzirkoniumoxid (Abb. 3) bei 800 MPa. Deshalb ist der Werkstoff für Einzelzahnrestaurationen mit 0,8 mm Wandstärke bei konventioneller Befestigung sowie für dreigliedrige Brücken mit einem Zwischenglied freigegeben.
Die vierte Materialgeneration
Die vierte Materialgeneration liegt hinsichtlich Transluzenz und Festigkeit zwischen der zweiten und dritten Generation (4 mol-% Yttriumoxid-Dotierung). Ein Vertreter ist 3M Chairside Zirkoniumoxid mit einer initialen 3-Punkt-Biegefestigkeit von 1.000 MPa ( 3-Punkt-Biegefestigkeit nach ISO 6872:2015). Es eignet sich für die Fertigung von Einzelzahnrestaurationen sowie dreigliedrigen Brücken mit einem Zwischenglied mit dem CEREC-System (Dentsply Sirona) (Abb. 4 und 5). Auch mit diesem Material sind sehr dünne Wandstärken realisierbar. Seine Besonderheit: Es ist für sehr schnelles Sintern, z.B. in circa 20 Minuten mit dem Speedsinterofen CEREC SpeedFire, optimiert. Damit werden Gesamtverarbeitungszeiten (vom Scan bis zum Einsetzen der permanenten Restauration) von unter einer Stunde möglich und somit ein Chairside-Workflow realisiert. (Hinweis: Aufgrund seiner Sinterrobustheit ist es möglich, das Material entsprechend der Gebrauchsanweisung auch langsamer zu sintern.)
Dass auch die neueren Materialgenerationen ähnlich antagonistenfreundlich sind wie die Zirkoniumoxide der zweiten Generation, bestätigen die kürzlich veröffentlichten Ergebnisse einer In-vitro-Studie [8]. Untersucht wurden Zirkoniumoxide mit einem Yttriumoxid-Anteil von 3, 4 und 5 mol-%, die unterschiedliche Phasenzusammensetzungen und Biegefestigkeiten aufweisen. Verglichen wurden die Eigenabrasion und der am Antagonisten verursachte Verschleiß der drei Werkstoffe mit denen von Lithiumdisilikat. Im Laufe der Verschleißtests abradierte die Silikatkeramik stark und verursachte am Antagonisten tiefe Rillen. Die drei Zirkoniumoxide zeigten hingegen alle ein sehr vorteilhaftes Verschleißverhalten mit geringer Eigenabrasion und wenig Substanzverlust am Antagonisten.
Klinische Studien
Laborstudien lassen wichtige Rückschlüsse auf das klinische Verhalten neuer Materialen zu, simulieren aber nie ganz exakt die realen intraoralen Bedingungen. Aus diesem Grund sind klinische Langzeitdaten zu erheben, die allerdings immer erst mit einigen Jahren Verzögerung zur Verfügung stehen. Dementsprechend sind klinische Studien, die den Einsatz von monolithischen Restaurationen aus Zirkoniumoxid untersuchen, insgesamt noch rar. Erste Veröffentlichungen weisen jedoch auf ein günstiges Abrasionsverhalten auch im Patientenmund hin [9-12]. Nach einem Untersuchungszeitraum von zwei Jahren ist der Verschleiß von polierten Restaurationen aus Zirkoniumoxid am Antagonisten klinisch unbedenklich [9, 10]. Verglichen mit Metallkeramik zeigt der Werkstoff nach einem Jahr sogar ein antagonistenfreundlicheres Verhalten [11]. Insgesamt wurde das klinische Verhalten des Werkstoffs positiv bewertet.
Klinische Empfehlungen
Was ist also zu tun, um beste Voraussetzungen für eine lange Lebensdauer von Restaurationen aus Zirkoniumoxid bei maximaler Schonung des Antagonisten zu schaffen? Zum einen ist durch eine sorgfältige Politur nach der maschinellen Herstellung sicherzustellen, dass die Versorgung bei der Eingliederung über eine absolut glatte Oberfläche verfügt. Dies bedeutet auch, dass im Falle von Einschleifmaßnahmen eine Nachpolitur zwingend erforderlich ist. Bei einer Glasur ist ebenfalls sicherzustellen, dass die Oberfläche unter der Glasur glatt poliert ist. Denn mit der Zeit wird die Schicht abgetragen. Des Weiteren ist ein schlüssiges Okklusionskonzept inklusive präziser Einstellung und Überprüfung der dynamischen Okklusion sehr wichtig. Im Laufe der Lebensdauer einer monolithischen Restauration aus Zirkoniumoxid sollten zweimal jährlich Kontrollen in der Zahnarztpraxis stattfinden, um den funktionellen Status der dynamischen Okklusion und die Oberflächenbeschaffenheit zu überprüfen. Gegebenenfalls wird die Kaufläche angepasst und nachpoliert [13].
Fazit
Bei Zirkoniumoxid handelt es sich um einen Dentalwerkstoff, der sich hervorragend zur Herstellung monolithischer Restaurationen eignet. Die Laborstudien und klinischen Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen, dass die Antagonisten nicht so stark beansprucht werden wie bei Einsatz klinisch bewährter Lösungen (Metallkeramik, Lithiumdisilikat). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Okklusalfläche korrekt designt und sorgfältig poliert wird. Also bietet das Material klare Vorteile gegenüber Glaskeramiken. Neben den Abrasionseigenschaften sind hier vor allem die höhere Festigkeit (geringere Wandstärken bei Kronen, Brücken mit klinisch und ästhetisch relevanten Konnektordimensionen) sowie die einfache Befestigung (konventionell, selbstadhäsiv, adhäsiv) zu nennen. So erleichtern monolithische Restaurationen aus Zirkoniumoxid das Leben aller an der Behandlung beteiligten Personen. Denn sie sind mit vergleichsweise geringem manuellem Aufwand herzustellen, für die Befestigung vorzubehandeln und einzugliedern.
[1] Kontos L, Schille C, Schweizer E, Geis-Gerstorfer J. Influence of surface treatment on the wear of solid zirconia. Acta Odontol Scand. 2013 May-Jul; 71 (3–4): 482–7 [2] Wang l, Liu Y, Si S, Feng H, Tao Y, Ma Z. Friction and wear behaviors of dental ceramics against natural tooth enamel. J Eur Ceram Soc 2012 32: 2599–606 [3] Rosentritt M, Preis V, Behr M, Hahnel S, Handel G, Kolbeck C. Two-body wear of dental porcelain and substructure oxide ceramics. Clin Oral Investig. 2012 Jun; 16 (3): 935–43 [4] Sripetchdanond J, Leevailoj C. Wear of human enamel opposing monolithic zirconia, glass ceramic, and composite resin: an in vitro study. J Prosthet Dent. 2014 Nov;112(5):1141–50 [5] Dittmann R, Urban M, Schechner G, Hauptmann H, Mecher E, Wear behaviour of a new zirconia after hydrothermal accelerated aging, J Dent Res 91 (Spec Iss A): 1317, 2012 [6] Dittmann R, Urban M, Braun P, Schmalzl A, Theelke B, Wear behaviour of zirconia after hydrothermal accelerated aging, J Dent Res 90 (Spec Iss B): 307, 2011 [7] Jang YS, Nguyen TT, Ko YH, Lee DW, Baik BJ, Lee MH, Bae TS. In vitro wear behavior between enamel cusp and three aesthetic restorative materials: Zirconia, porcelain, and composite resin. J Adv Prosthodont. 2019 Feb;11(1):7–15. [8] Zhang F, Spies BC, Vleugels J, Reveron H, Wesemann C, Müller WD, van Meerbeek B, Chevalier J. High-translucent yttria-stabilized zirconia ceramics are wear-resistant and antagonist-friendly. Dent Mater. 2019 Nov 11. [9] Lohbauer U, Reich S. Antagonist wear of monolithic zirconia crowns after 2 years. Clin Oral Investig. 2017 May;21(4):1165–1172. [10] Hartkamp O, Lohbauer U, Reich S. Antagonist wear by polished zirconia crowns. Int J Comput Dent. 2017;20(3):263–274. [11] Mundhe K, Jain V, Pruthi G, Shah N. Clinical study to evaluate the wear of natural enamel antagonist to zirconia and metal ceramic crowns. J Prosthet Dent. 2015 Sep;114(3):358–63. [12] Pathan MS, Kheur MG, Patankar AH, Kheur SM. Assessment of Antagonist Enamel Wear and Clinical Performance of Full-Contour Monolithic Zirconia Crowns: One-Year Results of a Prospective Study. J Prosthodont. 2019 Jan;28(1):e411-e416. [13] Barfuß A. Vollzirkonoxid. Expertenzirkel – Ein Thema, fünf Meinungen. Dental Magazin 6/2011, S. 12–23.