Sind gekaufte Bewertungen eine Lösung?
Zahnarztbewertungsportale im Internet kennt jeder. Der gute Ruf einer Praxis hängt heutzutage auch von den Bewertungen auf solchen Portalen ab. Es verwundert daher nicht, dass sich die Rechtsprechung inzwischen durch alle Instanzen in einer Vielzahl von Fällen mit den Möglichkeiten zur Löschung negativer Bewertungen, aber auch mit dem Umgang mit falschen positiven Bewertungen, befasst hat – hier ein aktuelles Urteil.
Man könnte denken, dass nach erfolgreicher Behandlung nichts näher liegt als ein Lob, ggf. auch in einem der besagten Bewertungsportale. Leider ist das Gegenteil oft der Fall. Es liegt wohl in der Natur des Menschen, dass er negative Erlebnisse dramatischer schildert als positive. Patienten setzen qualitativ hochwertige Arbeit und freundliche Mitarbeiter in entspannter und hoch moderner Praxisatmosphäre voraus. Läuft eine Kleinigkeit schief, und sei es nur eine etwas längere Wartezeit, ist heutzutage eine negative Bewertung schnell in das mobile Phone getippt; teilweise noch aus dem Wartezimmer.
Bewertungsportale und Meinungsäußerungen
Die Rechtsprechung billigt nahezu ausnahmslos alle Meinungsäußerungen. Dies erschwert eine einmal abgegebene negative Bewertung wieder gelöscht zu bekommen. Da liegt ein Gedanke nahe, der sogar als Geschäftsmodell angeboten wird. Warum soll ich nicht die wenigen schlechten Bewertungen durch eine Vielzahl von positiven Bewertungen ausbügeln?
Soweit Zahnärzte versuchen, diesen Weg zu beschreiten, Patienten dazu zu ermutigen, das Behandlungserlebnis in der Praxis durch Bewertungsportale wie jameda oder einem anderen Portal zu bewerten, dürfte dieser Ansatz unproblematisch sein. Geschieht dies aber mit vorformulierten Textbausteinen oder beauftragt der Zahnarzt sogar ein Unternehmen mit der Erstellung manipulierter Bewertungen oder beschafft er sich sonst beeinflusste Bewertungen, ist die Sache unlauter und damit wettbewerbswidrig.
Vorformulierte Textbausteine dürfen den Patienten zur Bewertung der Praxis nicht an die Hand gegeben werden. RA Jens-Peter Jahn
Löschung auch von positiven Bewertungen
Nach der Rechtsprechung kann sich der bewertete Zahnarzt gegen falsche negative Bewertungen zur Wehr setzen. Dies ist insbesondere möglich, wenn es Zweifel daran gibt, dass der Patient überhaupt in der Praxis war. Genauso hat der Arzt aber keinen Anspruch auf das Belassen einer von ihm beeinflussten/manipulierten Bewertung. Auch eine falsche positive Bewertung ist zu löschen. Mit einem solchen Sachverhalt hatte sich das Oberlandesgericht München jüngst zu befassen (Urteil des OLG München vom 27.02.2020 – 29 U 2584/19).
Gestritten wurde zwischen einem Zahnarzt und dem Bewertungsportal jameda. Der Kläger unterhielt dort einen Zugang und war Vertragspartner mit dem „Premium-Paket-Gold“, welches er jedoch kündigte. In der Folge löschte das Unternehmen zehn zugunsten des Klägers abgegebene Bewertungen, die sich bis zu diesem Zeitpunkt bis zu zwei Jahre unbeanstandet im Bewertungsportal befunden hatten. Es war jedoch zwischen den Parteien unstreitig, dass auch während der Vertragslaufzeit schon einige positive Bewertungen des Klägers durch das beklagte Unternehmen gelöscht worden waren.
Bei ‚verdächtigen‘ Einträgen wird der Verfasser per SMS kontaktiert und darum gebeten, seine Eingabe zu bestätigen. RA Jens-Peter Jahn
Wiederveröffentlichung gelöschter Beiträge
Der Kläger begehrte nun die Wiederveröffentlichung der zehn gelöschten Bewertungen, was die Beklagte ablehnte. Die Beklagte hatte die Bewertungen als Ergebnis ihres „Prüfsystems“ als nicht „authentisch“ erkannt und gelöscht. Der klagende Zahnarzt war der Meinung, die Löschung positiver Bewertungen sei ein Eingriff in seinen Gewerbebetrieb und daher unzulässig. Der „gute Ruf“ eines Unternehmens werde maßgeblich durch Bewertungen im Internet mitbestimmt. Insofern sei er in seinen Rechten verletzt und die willkürliche Löschung sei irreführend und damit unlauter.
Jameda ließ sich dahingehend ein, dass Bewertungsportale nur dann einen Beitrag zu einem leistungstransparenten Gesundheitswesen liefern können, wenn die auf dem Portal befindlichen Bewertungen valide seien. Sie müssen mithin einen tatsächlichen Behandlungskontakt wiedergeben und inhaltlich in keiner Weise von dem behandelnden Arzt beeinflusst sein. Zur Bekämpfung nicht valider Bewertungen beschäftige das Unternehmen ein Qualitätsmanagementsystem von 20 Mitarbeitern. Unterstützt durch einen Prüfalgorithmus, überprüfen diese laufend abgegebene Bewertungen im Hinblick auf bestimmte Kriterien. Diese Kriterien hätten sich über die Jahre hinweg als Indiz für nicht valide Bewertungen herauskristallisiert. Würden danach Bewertungen als auffällig herausgefiltert, werde über ein sog. „SMS-Verifikationsverfahren“ überprüft, ob sich der Verfasser zurückmeldet. Bei fehlender Rückmeldung wird die Bewertung gelöscht. Bei erfolgter Rückmeldung gäbe es weitere Prüfungsmechanismen. Das SMS-Verifikationsverfahren sei bei acht der zehn gelöschten Bewertungen negativ verlaufen.
Beeinträchtigung der Geschäftsaktivitäten
Das Gericht ging in dem besagten Urteil davon aus, dass in der Löschung positiver Bewertungen auf einem Bewertungsportal ein betriebsbezogener Eingriff in den Betrieb eines Bewerteten liegen kann. Durch die Löschung können wesentliche Geschäftsaktivitäten, wie die Kundenakquise, unmittelbar beeinträchtigt sein. Das Gericht geht jedoch weiter davon aus, dass die Löschung im hiesigen Fall keinen rechtswidrigen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers darstellte. Die Löschung sei vielmehr gerechtfertigt. Denn der Wert der Bewertungsportale hänge maßgeblich davon ab, dass es dem Portalbetreiber gelingt, manipulierte Bewertungen, also käuflich erworbene und in sonstiger Weise von den bewerteten Ärzten beeinflusste Bewertungen, von ihrem Portal zu verbannen. Sei es dadurch, dass, diese gar nicht erst eingestellt werden, oder, wenn entsprechende Verdachtsmomente auftauchen, gelöscht werden.
Eine klare Absage erteilte das Gericht der Forderung des klagenden Zahnarztes, die Beklagte zu verpflichten, offen zulegen, wie der von ihr eingesetzte Algorithmus zum Auffinden verdächtiger, also nicht authentischer Bewertungen funktioniert. Das Gericht ist der Auffassung, dass das Bewertungsportal bei Offenlegung der Prüfkriterien das eigene Geschäftsmodell infrage stellen würde, weil dann ggf. Umgehungsmodalitäten für den Algorithmus entwickelt werden würden.
Nur bei dem Verdacht auf Willkür oder sachfremde Gründe muss der Portalbetreiber seinen Algorithmus zur Überprüfung offenlegen. RA Jens-Peter Jahn
Bewertungsportale müssen Algorithmus nicht offenlegen
Eine weitergehende Pflicht zur Erläuterung der Funktion eines solchen Algorithmus bestünde erst dann, wenn ein Kläger konkrete Anhaltspunkte dafür vortragen und ggf. unter Beweis stellen kann, dass die Löschung nicht aufgrund des begründeten Verdachts der Validität der Bewertungen erfolgt ist, sondern entweder willkürlich oder aus sachfremden Gründen.
Denn eine aufgrund willkürlicher oder auch sachfremder Erwägungen erfolgte Löschung der Bewertungen verletze die schützenswerten Interessen des Klägers, was eine entsprechende Offenbarungspflicht auslösen kann. Da ein solcher Zusammenhang nicht dargelegt wurde, hielt das Gericht einen Anspruch auf Wiedereinstellen der Bewertungen nicht für begründet.
Keine Billigung beeinflusster Bewertungen
Mit falschen positiven Bewertungen hatte sich die Rechtsprechung auch in der Vergangenheit schon zu befassen und zwar im Zusammenhang mit Hotelbewertungen (LG Berlin, Beschluss vom 25.08.2011 – 16 O 418/11). Außerdem hatte sich das OLG Düsseldorf mit dem systematischen Zurückhalten negativer Bewertungen zu befassen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.02.2013 – 20 U 22/12). Die drei Urteile zeigen, dass die Rechtssprechung keine Form von beeinflussten Bewertungen billigt. Nicht nur falsche negative Bewertungen, sondern auch falsche positive Bewertungen sieht die Rechtsprechung als unzulässig an. Sogar die Löschung authentischer negativer Bewertungen zwecks Optimierung des Auftritts eines Kunden des Bewertungsportales sind somit nicht zulässig.
Vor diesem Hintergrund sollten Zahnärzte von jeder Form der Manipulation von Bewertungen absehen. Insbesondere ist es problematisch, Bewertungen von Dritten zu kaufen. Nichts einzuwenden dürfte hingegen sein, wenn Zahnärzte ihre Patienten freundlich einladen, ihre Meinung zur Praxis doch einmal bei einem entsprechenden Portal kundzutun. Auch dann sollte man aber tunlichst von „Formulierungshilfen“ absehen.
Der Experte
RA Jens Peter Jahn
ist Fachanwalt für Medizinrecht in der Kanzlei michels.pmks Rechtsanwälte in Köln mit einem Tätigkeitsschwerpunkt im Zahnarztrecht.