State of the Art: Pick-up-Technik

Implantatabformung im Fokus

Im täglichen Alltag der zahntechnischen Laboratorien dient in vier von fünf Fällen die analoge Abformung als Arbeitsgrundlage – Anlass genug für ein Update zum Thema Implantatabformung. Priv.-Doz. Dr. Dietmar Weng, Starnberg, ein Experte auf diesem Gebiet, fasst zusammen, was ein modernes Abformmaterial leisten muss und was sich in den letzten zehn Jahren getan hat.



Herr Privat-Dozent Dr. Weng, Pick-up-Technik versus Repositionstechnik – was sind die Unterschiede und wann ist welche Technik indiziert für die Implantatabformung?

Weng: Bei der offenen Pick-up-Technik verbleibt der Übertragungspfosten im Abdruck, bei der Repositionstechnik dagegen im Mund und muss wieder in die Abformung zurückgesetzt werden. Die Pick-up-Technik gilt generell als etwas präziser als die Repositionstechnik, da ein möglicher Übertragungsfehler entfällt, wie etliche Studien der vergangenen zehn Jahre zeigen konnten.

Spielt die Repositionstechnik für die Implantatabformung dann überhaupt noch eine Rolle?

Weng: Meiner Meinung nach kaum. Vor allem Hersteller vertreten, sie eigne sich besonders für Patienten mit geringer Mundöffnung, da sie mehr Platz in der Vertikalen biete. Doch wirklich nachvollziehen kann ich das nicht. Schließlich setzen wir auch bei Patienten mit reduzierter Mundöffnung Implantate. Wenn das funktioniert, sollte man auch mit der Pick-up-Technik abformen können. Implantat-Bohrer sind mindestens genauso lang wie die Komponenten für das Auf- und Abschrauben der Übertragungspfosten. Ich favorisiere jedenfalls definitiv die Pick-up-Technik, auch bei Patienten mit geringer Mundöffnung. Und wenn man sich auf Fortbildungsveranstaltungen und im Kollegenkreis umhört, scheint das auch State of the Art zu sein. Die offene Löffelabformung lässt sich sehr praxisnah und kostengünstig mit vorgefertigten Einmal-Plastiklöffeln durchführen, die jeweils an der Stelle perforiert werden, an der die Schraube des Übertragungspfostens herausragen muss (Abb. 1). Bei der Repositionstechnik kann man dahingegen natürlich mit Standard-Metalllöffeln arbeiten und benötigt keine Einmal-Plastiklöffel.

Die Bedingungen für eine Implantatabformung unterscheiden sich je nach klinischen Gegebenheiten, dem gewählten Implantattyp und der entsprechenden Übertragungstechnik für die Position. Muss man das Abdruckmaterial entsprechend wechseln?

Weng: Nein, das wäre auch alles andere als praxisnah oder wirtschaftlich. Ich arbeite seit mehr als zehn Jahren mit Identium Medium als Standard-Abformmaterial, egal ob ich eine Implantatabformung benötige oder präparierte Zähne. Weder der Implantattyp noch die Übertragungstechnik sind Anlass für einen Materialwechsel. Ein gutes Abformmaterial muss alles abdecken können.

Kennzeichen aller hochpräzisen Abform- und Übertragungstechniken ist eine Verweildauer des Abdrucks von mehreren Minuten im Mund des Patienten. Welches Abformmaterial bevorzugen Sie insbesondere mit Blick auf die Patientencompliance und hinsichtlich seiner Eignung im labortechnischen Bereich?

Weng: Eine Abbindezeit von 3,5 Minuten halte ich für einen perfekten Kompromiss zwischen Zumutbarkeit für den Patienten bei gleichzeitiger Verwendung eines hochpräzisen Materials. Das ist ein Grund, warum ich mit der Fast-Variante des Abformmaterials Identium Medium sehr gerne arbeite. Die Fast-Variante braucht 3,5 Minuten, die normale 4,5 Minuten beim Abbinden. In der Endphase, wenn das Material bereits beginnt fest zu werden, löse ich den Pick-up-Pfosten, damit nach Beendigung der 3,5-minütigen Wartezeit die Abformung direkt entnommen werden kann.

Wann gilt es von der Fast- zur Normal-Variante zu wechseln?

Weng: Ab einer Abformung von vier Einheiten – egal ob Zähne oder Implantate – wechsele ich auf das normale Identium. Bei einer intraoralen Verarbeitungszeit von nur 40 Sekunden könnte das Material schon fest werden, bevor die letzte Einheit umspritzt und der Löffel im Mund ist. Das sollte man nicht riskieren.

Dr. Weng

„Ich arbeite seit mehr als zehn Jahren mit Identium Medium als Standard-Abformmaterial.“

Was würde passieren? Müsste der Abdruck wiederholt werden?

Weng: Ja klar. Wenn die Verarbeitungszeit beim Umspritzen im Patientenmund oder beim Befüllen des Löffels nicht eingehalten wird, bindet das Material bereits ab, und es kommen keine guten Abformungen heraus.

Arbeiten Sie in Ihrer Praxis überhaupt noch mit klassischem Polyether?

Weng: Nein, gar nicht mehr. Wir haben, direkt nachdem Identium 2009 auf den Markt kam, komplett umgestellt. Zum einen, weil viele meiner Patienten den bitteren Polyether-Geschmack während der Abbindephase unangenehm fanden. Zum anderen, weil die Adhäsionskräfte so stark waren, dass man die Abformungen, vor allem, wenn man noch einen laborgefertigten, individuellen Löffel verwendet hatte, kaum entnehmen konnte. Nicht nur die Patienten befürchteten oft, dass in der Abformung Kronen oder Zähne hängenbleiben würden. Mit dem Vinylsiloxanether, aus dem Identium besteht, gestaltet sich die Mundentnahme dagegen problemlos, und der Geschmack ist neutral.

Kann derzeit die digitale Implantatabformung hinsichtlich der Genauigkeit mit der konventionellen mithalten?

Weng: Einen Scanpfosten auf dem Implantat digital abzuformen, ist keine Herausforderung. Das schafften auch die Scanner, die schon vor Jahren auf dem Markt waren. Die Implantat-Hardware zu scannen, ist komplett unproblematisch. Komplizierter wird es bei den Weichgewebekomponenten und subgingivalen Arealen.

Inwiefern?

Weng: Bleiben wir bei der Implantatabformung: Neben dem Scanpfosten muss auch der Weichgewebetrichter des ausgeformten Emergenzprofils dargestellt werden (Abb. 2), da bei den meisten Implantatherstellern ein Standard-Scanbody zum Einsatz kommt, egal welcher Gingivaformer vorher verwendet worden war. Angenommen also, man hat einen Gingivaformer auf dem Implantat nach der Freilegung und setzt nun für die optische Abformung einen Scanpfosten auf. Dann müsste der Scanpfosten idealerweise exakt das gleiche Emergenzprofil aufweisen wie der Gingivaformer. Ist das – wie fast immer – nicht der Fall, entsteht ein Spaltraum zwischen Weichgewebetrichter und Scanbody, den nun der Scanner erfassen muss.

Wie lässt sich das Problem lösen?

Weng: Indem man separat noch einmal das ausgeformte Emergenzprofil optisch abscannt, damit diese Information zum Techniker gelangt. Doch dann hat man das Problem eines möglichen Weichgewebekollaps während der Abformung auch noch nicht gelöst. Bei der analogen Abformung konnte man dieses Problem mittels individualisierter Abformpfosten weitestgehend umschiffen (Abb. 3 bis 6). Kurz: Es geht bei der digitalen Abformung um die „Software“, nicht um die „Hardware“, und da sind noch ein paar Hürden zu bewältigen. Das gilt bei der digitalen Implantatabformung genauso wie für den Scan von präparierten Zähnen.

Dr. Weng

„Der klassische Stempeldruck einer analogen Abformung ist nicht ganz so leicht ersetzbar.“

Eine supragingivale Präpgrenze kann jeder abformen, konventionell und auch optisch. Aber wenn es an der Präparationsgrenze blutet oder sie subgingival liegt, wo klassicherweise ein Faden gelegt werden muss, dann ist es nicht ganz so einfach, denn es muss nach wie vor alles dargestellt und trocken dem Scanner präsentiert werden. Der klassische Stempeldruck einer analogen Abformung ist nicht ganz so leicht ersetzbar. Bei umfangreichen Abformungen punktet natürlich die digitale Abformung durch die Möglichkeit des Nachscannens und Korrigierens. Wer sich heute für die digitale Abformung entscheidet, hat meiner Meinung nach trotzdem noch nach wie vor ein konventionelles Abformmaterial in der Hinterhand. Es wäre zwar wünschenswert, darauf verzichten zu können. Doch ich denke, dass wird noch einige Jahre dauern.

Ihr Fazit?

Weng: Die Entwicklungen der digitalen Abformung werden weitergehen, und das ist zu begrüßen. Denn auch der Aspekt der Nachhaltigkeit wird immer wichtiger. Abformungen landen ja letztendlich im Müll. Da hätten digitale Abformungen die Nase vorn, zumindest wenn dann nicht wieder ein Modell gedruckt oder gefräst wird. Über die Folgekosten der Digitalisierung wird meines Erachtens aber bislang noch zu wenig gesprochen. Es ist ja nicht mit der einmaligen Anschaffung des Scanners und der Software getan: Es gilt, Herstellerabos zu kaufen, Software-Updates vorzunehmen, neue Computer anzuschaffen etc. Die Digitalisierung erfordert permanente Nachkorrekturen, was ein konventionelles Abformsystem eben nicht hat.

 


Der Experte

Dietmar Weng

© privat

Priv.-Doz. Dr. Dietmar Weng
hat an der Klinik für Zahnärztliche Prothetik, Propädeutik und Werkstoffkunde der Universität Kiel habilitiert, ist in Starnberg niedergelassen und amtierender DGZMK-Vizepräsident.