RA Dr. Susanna Zentai

PKV darf freie Arztwahl nicht einschränken

Die private Krankenversicherung eines Patienten darf nicht in das Recht des Patienten auf freie Arztwahl eingreifen. Das hat das Oberlandesgericht Dresden mit Urteil vom 09.10.2020 (Az. 14 U 807/20) klargestellt.


PKV freie Arztwahl

Die beklagte Krankenkasse hat gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen. © Christian Jung/stock.adobe.com


In dem Leitsatz zu dieser Entscheidung wird formuliert: „Es stellt ein nach § 4 Nr. 4 UWG unlauteres Abfangen von Patienten dar und berührt deren Recht auf freie Arztwahl, wenn ein Versicherer, der über die Kostenübernahme bei einem Heil- und Kostenplan entscheidet, seine Schlüsselposition dazu nutzt, den Patienten zu einem Wechsel zu den mit dem Versicherer in einem Netzwerk verbundenen Zahnärzten zu bewegen, indem er ihm eine Vergünstigung in Aussicht stellt.“ Im Ergebnis wurde der PKV untersagt, ihren Versicherungsnehmern nach Einreichen von Heil- und Kostenplänen in Aussicht zu stellen, eine höhere Erstattung zu zahlen, wenn der Patient zu einer anderen Zahnarztpraxis wechselt.

Nachdem eine Patientin bei ihrer PKV einen Heil- und Kostenplan eingereicht hatte, reagierte die PKV mit einem Antwortschreiben, in dem sie der Patientin eine höhere Erstattung in Aussicht stellte, wenn die Patientin für die anstehende Behandlung zu einem der Geschäftspartner der PKV – genannt „Gesundheitspartner“ – wechselt. Dies bot die PKV der Patientin mit folgendem auszugsweisen Wortlaut an:

Das Angebot der PKV

„Als ihr Krankenversicherer möchten wir Ihnen gerne anbieten, ihre Behandlungskosten im vollen tariflichen Umfang zu zahlen. Aus diesem Grund haben wir uns mit verschiedenen Gesundheitspartnern, welche unsere Qualitätsansprüche erfüllen, zusammengeschlossen.

Ihre Vorteile bei einer Behandlung durch unseren Gesundheitspartner:

  • bundesweites Qualitätsnetzwerk von Zahnarztpraxen und regionalen Zahnlaboren
  • qualitativ hochwertige Versorgung
  • preiswerter Zahnersatz zu 100 % aus Deutschland
  • schnelle Terminvereinbarung
  • erweiterte Öffnungszeiten
  • weitere Serviceleistungen zu vergünstigten Konditionen.

Möchten Sie unser Angebot nutzen und unseren Gesundheitspartner kennen lernen? Setzen Sie sich mit unserem Partner in Verbindung und reduzieren Sie ihren Eigenanteil:

Entscheiden Sie sich für unseren Gesundheitspartner erhöht sich sogar ihr Erstattungsanspruch für zahntechnische Leistungen um 5 %.

Bitte beachten Sie:

Die Wahl ihres Zahnarztes sowie die des Labors steht Ihnen selbstverständlich frei. Der Hinweis auf unseren Gesundheitspartner ist lediglich ein Tipp von uns an sie, ihren Geldbeutel zu entlasten. …“

Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht

Hierin sah das Oberlandesgericht Dresden einen klaren Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht, da unerlaubt auf die Entscheidungsfreiheit des Versicherungsnehmers bezüglich der Arztwahl eingewirkt werden sollte.

Die PKV wurde wie folgt verurteilt:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, gegenüber den eigenen Versicherungsnehmern in Antwortschreiben auf die Einreichung von Heil- und Kostenplänen für die Y ……….. GmbH (S……….. x, … K………..) durch das Inaussichtstellen eines fünfprozentig höheren Erstattungsanspruchs für den Wechsel zu einem von dieser Gesellschaft vermittelten Zahnarzt zu werben und/oder einen solchen fünfprozentig höheren Erstattungsanspruch hierfür zu gewähren, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 01.
  2. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Ziffer 1. die Festsetzung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahre, angedroht.

Entscheidungsgründe

In den Entscheidungsgründen zu diesem Urteil führte das Oberlandesgericht aus:

„Dadurch greift die Beklagte in die freie Arztwahl des Patienten ein. Was die Beklagte in den Tarifbedingungen zu Recht vermeidet, bewirkt sie über die weiter gestaltete Wertwerbung: Sie berührt die berechtigten gegenläufigen Interessen des Patienten an der freien Arztwahl… .

Der ärztliche Behandlungsvertrag ist im Regelfall durch ein besonderes Vertrauensverhältnis geprägt… . Personen, die ärztliche Leistungen in Anspruch nehmen wollen, können den Arzt grundsätzlich frei wählen. Diese Arztwahl ist von finanziellen Zuwendungen an den Patienten für die Entscheidung zugunsten eines Arztes freizuhalten. Wird – wie hier – die Zuwendung für einen Wechsel des Arztes, nicht etwa nur als milderes Mittel für die Erstellung einer kostengünstigeren Alternative, in Aussicht gestellt, beeinträchtigt das die freie Arztwahl. Der Patient kann nicht unbeeinflusst abwägen, ob ihm das Angebot des Gesundheitspartners ausreichende Veranlassung für einen Wechsel des Arztes gibt. Vielmehr kann der nicht unerhebliche finanzielle Anreiz Einfluss auf die Arztwahl gewinnen.

Die gegenteilige Erklärung in dem beanstandeten Schreiben, die Wahl des Zahnarztes und Labors stehe dem Patienten selbstverständlich frei, räumt die unangemessene Einwirkung nicht aus. Dass der Zahnarzt des Netzwerks seine Leistungen gewissenhaft, lege artis, vertrauenswürdig und nach den Geboten der ärztlichen Ethik erbringt, darf dabei zugrunde gelegt werden. Im Heil- und Kostenplan kann aber bei gleichem Befund die Therapieplanung unterschiedlich ausfallen. So ist nicht auszuschließen, dass ein Zahnarzt des mit der Beklagten verbundenen Netzwerks eine andere Behandlung mit Zahnersatz als die von der Klägerin geplante vorsieht. Die Beklagte geht schon vor der abschließenden Prüfung selbst davon aus, wenn sie in dem fraglichen Schreiben darauf abstellt, der Eigenanteil werde sich reduzieren. Das Verfahren der Kostenübernahme kann sich unterschiedlich lang und schwierig gestalten. In dieser Situation nutzt die Beklagte ihre Schlüsselposition als Leistungsübernehmerin dazu, die mit ihr im Netzwerk Y verbundenen Zahnärzte von sich aus zwischen die Klägerin und den Patienten zu schieben und stellt für den Wechsel zu einem dieser Zahnärzte eine Vergünstigung in Aussicht. Dadurch drängt sie ihn zu einer Änderung des Entschlusses, die Leistungen der Klägerin in Anspruch zu nehmen, und beeinträchtigt seine freie Arztwahl.“

Fazit: Freie Arztwahl bleibt unangetastet

Diese Entscheidung ist richtig und konsequent. Die freie Arztwahl muss unangetastet bleiben. Das Arzt-Patienten-Verhältnis verdient einen besonderen Schutz.


Die Expertin

Foto: Privat

Ra Dr. Susanna Zentai
ist Rechtsanwältin in der Kanzlei Dr. Zentai – Heckenbücker in Köln und als Beraterin sowie rechtliche Interessenvertreterin (Zahn-)Ärztlicher Berufsvereinigungen tätig.
kanzlei@d-u-mr.de