Polymerisationslampe: härten, transilluminieren und aktivieren

Unterschätztes Multitalent

Multifunktionssysteme können mitunter mehr, als sie auf den ersten Blick offenbaren. 
Zum Beispiel Armbanduhren. Oder Polymerisationslampen. Was bei ihrer Auswahl zu erwägen ist, 
wird im Folgenden dargestellt.


01 – Wenig wird gestreut, fast der gesamte Anteil der Lichtstrahlung bleibt gebündelt unterhalb des Lichtaustrittsfensters und kann damit voll auf die zu härtende Füllung treffen. Bild: Dentsply Sirona


Eine Armbanduhr zeigt die Zeit an, doch mit unscheinbaren Details lässt sie sich zu einem kräftigen Magneten aufrüsten – und gleichzeitig zu einer scharfen 
Mini-Kreissäge. Mit dem Magneten lässt sich ein Boot heranziehen, um unbehelligt von hungrigen Krokodilen über einen Teich zu gelangen. Mit der Kreissäge gelingt das Durchschneiden von Fesseln. So hat es James Bond schon 1973 in „Leben und sterben lassen“ vorgemacht.
Heute können auch Polymerisationslampen mehr als polymerisieren. Dennoch: An erster Stelle steht eine klinisch einwandfreie Basisfunktion. Ein besonderer Fokus auf Lichthärtung erscheint sogar umso wichtiger, als Praktiker immer wieder betonen: Ihre Bedeutung für den Erfolg einer Vielzahl von Behandlungen wird tendenziell eher unterschätzt.
Die wesentlichen Fragen zu Polymerisationslampen beginnen bei komplexen optischen Phänomenen. Was aber wirklich praxisrelevant ist, lässt sich schon mit wenigen Überlegungen erhellen.

Energieverlust – unbedingt einkalkulieren
Die adäquate Aushärtung eines Füllungsmaterials oder eines Adhäsivs basiert auf einem ausreichenden Energieeintrag. Dies wird durch die Angabe einer Belichtungszeit (zum Beispiel 10 Sekunden) und Lichtintensität (zum Beispiel 800 mW/cm²) in der jeweiligen Gebrauchsanleitung der Füllung (oder des Stumpfaufbaus oder des Adhäsivs) beschrieben. Im Gegensatz dazu beschreibt die Intensität bei Lichthärtegeräten die abgestrahlte Leistung pro Fläche des aktiven Lichtaustrittsfensters (Abb. 1).
In der klinischen Anwendung kommt es aber meist zu einem Abstand zwischen dem Lichtaustrittsfenster und der Oberfläche des zu härtenden Materials. Dies ist dann je nach Lichthärtegerät mit einem mehr oder weniger ausgeprägten Verlust an Leistung verbunden. Beispielsweise können in sechs Millimeter Abstand nur noch rund 50 Prozent der Bestrahlungsstärke (Lichtintensität auf der Oberfläche) vorhanden sein.


Polymerisationszeiten – konsequent erhöhen
Als Gegenmaßnahme ist die Polymerisationszeit zu erhöhen, da die erforderliche Dosis für eine ausreichende Aushärtung das Produkt aus der Bestrahlungsstärke und der Belichtungszeit ist. Härten wir beispielsweise mit einer Polymerisationslampe in der idealisierten Situation mit einer Lichtintensität von 1200 mW/cm² 20 Sekunden lang aus, so erhalten wir eine Lichtdosis von
1200 mW/cm² x 20 s = 24.000 mJ/cm².
Bei einer halbierten Bestrahlungsstärke muss somit die Belichtungszeit verdoppelt werden. Für das obige Beispiel (50 Prozent Bestrahlungsstärke in 6 Millimeter Abstand) ergibt sich somit bei 40 Sekunden genau dasselbe Endresultat:
600 mW/cm² x 40 s = 24.000 mJ/cm².
Klar: Halbe Intensität, doppelte Polymerisationszeit – es muss dasselbe Ergebnis herauskommen. Wichtig bei dieser Regel ist, dass zwar eine geringere Intensität durch längere Zeiten ausgeglichen werden kann, aber es nicht zwangsläufig bei höherer Intensität möglich ist, mit entsprechend verkürzten Zeiten immer noch eine ausreichende Aushärtung zu erzielen.
Als generell sinnvoll erweisen sich darüber hinaus Polymerisationslampen mit großem Lichtaustrittsfenster (zum Beispiel 10 mm). Diese decken einen wesentlich größeren Anteil einer Füllung ab und erlauben oft, auf die zweite überlappende Belichtung zu verzichten (Abb. 2).
Auch mögliche Inhomogenitäten der Polymerisationslampe gilt es zu bedenken (Stichwort: „Beam Profile“; Abb. 3).
Tipp: beim Kauf auf jeden Fall nachfragen. Liegt eine homogen verteilte Intensität vor oder ist diese im Randbereich schwächer als in der Mitte oder sogar asymmetrisch verteilt?

Kontrolle ist besser als …
Es gibt verschiedene Gründe, warum auch bei LED-basierten Lichthärtegeräten die Leistung abnehmen kann. Deshalb sollte regelmäßig eine Kontrolle mit einem Radiometer erfolgen. Diese lässt sich mit entsprechenden Handgeräten durchführen oder mit einer in die Ladestation eingebauten Funktion (zum Beispiel. SmartLite Pro, Dentsply Sirona; Abb. 4). Bei einem Lichtabfall sollte das Lichthärtegerät durch eine Fachkraft, beispielsweise Dentalhandel oder Hersteller, kontrolliert werden.
Ein weiteres Auswahlkriterium betrifft die Haltbarkeit der Polymerisationslampe. In neuen Ausführungen setzt man zum Beispiel keine Lichtleiter aus Glasfasern ein, sondern platziert die Leuchtdioden (LED-Technik) einfach direkt in die Spitze des Lichtaustrittsfensters. Die damit verbundene Flachbauweise wird ohnehin für den Einsatz im schwerer zugänglichen Molarenbereich empfohlen, speziell auch für Kinder sowie für Patienten mit geringer Mundöffnung. Und wo es keine Glasfasern gibt, da können sie auch nicht infolge von Stoßeinwirkungen beschädigt werden (zum Beispiel „Lampe fällt auf den Boden“). Das Ergebnis sind ausgesprochen robuste Modelle.


Das führt die Praxis in die Zukunft
Mit aktuellen Ausführungen und mehreren Austauschköpfen kann sogar über die Lichthärtung hinaus auch eine Kariesdiagnostik unterstützt werden (einfach „Polymerization Tip“ gegen „Transillumination Tip“ austauschen; Abb. 5).
Und mit dem EndoActivator-Aufsatz können Spülflüssigkeiten aktiviert werden. Denn passiv spülen ist nicht genug! Aktivierte Spüllösungen können dazu beitragen, die nach Aufbereitung verbliebenen potenziell schädlichen Mikroorganismen effektiver zu beseitigen und eine bessere Obturation von lateralen und akzessorischen Kanälen zu ermöglichen.
Der geniale Kopf hinter den Spezialinnovationen für den britischen Geheimagenten – Q mit Namen – hätte an einem solchen trifunktionalen System (lichthärten, transilluminieren, aktivieren) sicherlich seine Freude gehabt.