Total-Etch-Technik bei einem jungen MIH-Patienten

Schicht für Schicht zu natürlich schönen Schneidezähnen

Laut einer Studie von Weerheijm liegt die Prävalenz unter Kindern und Jugendlichen für eine Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) in der nordeuropäischen Bevölkerung bei 16 Prozent. 
Für die Behandlung dieser Zahnschmelzdefekte gibt es verschiedene Möglichkeiten. Dieser Fall eines jungen Patienten mit betroffenen Schneidezähnen zeigt, wie sich mit dem Restaurationsmaterial 
IPS Empress Direct Schicht für Schicht eine natürlich ästhetische Abdeckung der geschädigten Frontzähne erzielen lässt.


12 – die fertige Restauration mit glatter, anatomisch geformter Oberfläche


Ein gesunder 11-jähriger Patient wurde nach Überweisung in unserer Praxis vorstellig. Hauptanliegen waren unregelmäßige Komposit-Restaurationen, die seine oberen mittleren Schneidezähne beeinträchtigten. Bei der klinischen Untersuchung der Zähne wurde zunächst das klassische Muster der Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) mit braunen Hypomineralisationen an den Zähnen 11 und 21 festgestellt, Zustand nach unkomplizierter Schmelzfraktur aufgrund eines Zusammenstoßes mit einer Metalltrinkflasche (Abb. 1).
Der Patient befindet sich im Wechselgebiss. Die ästhetischen Behandlungsmöglichkeiten wurden besprochen, einschließlich der Möglichkeit eines präprothetischen Bleachings. Die Eltern lehnten diese Behandlung ab, nachdem sie aufgeklärt wurden, dass die Anwendung wahrscheinlich nach dem Durchbrechen der verbleibenden Zähne wiederholt werden müsste und das Risiko einer Farbabweichung der gebleichten Zähne bestünde.
Bleaching lässt die Farbe der hypomineralisierten Läsionen weniger chromatisch erscheinen und erhöht zudem den Helligkeitswert um die Läsion. So wird der visuelle Kontrast zwischen der Läsion und dem Zahn verringert. Die Infiltrationsmethode ist eine Behandlungsmöglichkeit für nicht kavitierte hypomineralisierte Läsionen.
Da jedoch Kompositreste die Zähne bedecken, sie durch Trauma strukturell beeinträchtigt sind und in hypomineralisierten Bereichen mit höheren Werten von organischer Substanz chromatischer erscheinen, entschieden wir uns für einen konservativen Ansatz – sowohl um die Vorhersehbarkeit der Befestigung zu erhöhen, als auch um die Läsionen visuell abzudecken.

Farbnahme
Nach der Farbauswahl wurde ein Oberflächenanästhetikum in einer Konzentration von Benzocain 18 % und Tetracain 2 % angewendet (Zap, Germiphene, Brantford, Canada). Es ist bekannt, dass bei Dehydrierung der Wassergehalt abnimmt. Dadurch nimmt der proportionale Luftanteil im Zahn zu und der Brechungsindex von 1.33 (Wasser) auf 1.00 (Luft) nimmt ab. Dies erhöht den Reflexionsgrad und somit den optischen Wert und die Opazität (Abb. 2).
IPS Empress Direct (Ivoclar) wurde mit Komposit-Farb­mustern ausgewählt und im Inzisalbereich von Zahn 22, der als Referenzzahn diente, überlappend aufgetragen. Die entsprechenden Dentinfarben wurden dort zervikal aufgetragen, wo der Schmelz am dünnsten und der Dentinfarbton am deutlichsten war. Bei der Farbnahme wurde ein deutlicher Halo und eine inzisale Transluzenz als Teil der Farbzuordnung identifiziert.


Behandlung
Die Schmelzfarbe A1 und die Dentinfarbe A2 wurden ausgewählt (Abb. 3). Nach Anwendung der Lokalanästhesie während 90 Sekunden und dem Einsetzen einer 1,4 Karpulen mit einer Lösung aus Lidocain 2 % mit Epinephrin 1:100 000 (Septodont) zur bukkalen Infiltration wurde der Bereich mit einem Kofferdam mit Klammern isoliert (Abb. 4). Das alte Restaurationsmaterial wurde entfernt und der hypomineralisierte Schmelz konservativ reduziert, um mehr anorganisches Substrat für den Verbund freizulegen.
Hypomineralisierte Bereiche wurden sowohl im mittleren als auch im inzisalen Drittel von Zahn 11 und 21 festgestellt. Im Schmelz wurde eine partielle Schrägfraktur entdeckt, die jedoch nicht bis zur Palatinalfläche reichte. Dieser Bereich sollte unter Anwendung der minimalinvasiven Technik so belassen werden und mit Restaurationsmaterial verstärkt werden (Abb. 5).
Die Oberfläche wurde isoliert, um die Total-Etch-Technik anzuwenden. Die erste dünne linguale Schmelz-Schicht wurde appliziert und mit der Schmelzfarbe A2 modelliert und einem Halo mit der Dentinfarbe A2 umgesetzt (IPS Empress Direct, Ivoclar). Dieser Bereich wurde so dünn wie möglich ausgearbeitet, damit noch Platz für spätere Schichten zur Ausarbeitung der gewünschten Transluzenz vorhanden war. Im hypomineralisierten Bereich wurden drei Mikroschichten von Tetric EvoFlow A2 (Ivoclar) zur Abdeckung aufgetragen (Abb. 6).
Weitere dünne A2-Dentinschichten wurden auf den hypomineralisierten Schmelz beider Zähne aufgetragen, damit Helligkeit und Chroma miteinander harmonieren und um inzisale Unregelmäßigkeiten zu erzeugen, die charakteristisch sind für die interne Anatomie des Dentins. Um den Halo-Effekt noch mehr zu verstärken und zu korrigieren, wurde eine individuelle Mischung aus IPS Empress White und Ochre in einem 9:1 Verhältnis verwendet. Diese Mischung wurde mit einem Fissuren-Modellierinstrument (TNTAM1, Hu-Friedy Corp, USA) bearbeitet (Abb. 7).
Für den gewünschten Opazitätsgrad zwischen den inzisalen Mamelons wurde Trans Opal (IPS Empress Direct, Ivoclar) mit dem OptraSculpt-Modellierinstrument (Ivoclar) appliziert. Durch die Oberflächengestaltung mit OptraSculpt-Modellierinstrumenten ist es klinisch nicht unbedingt notwendig, Modellierflüssigkeit zu verwenden. Falls Modellierflüssigkeit in großen Mengen eingesetzt wird, können die physikalischen Eigenschaften von Kompositen geschwächt oder verändert werden. Oft können vom Halo zum inneren Dentinkörper einzelne oder mehrere opake Verbindungen zum Dentin beobachtet werden. Diese Halo-Effekte wurden mit IPS Empress Direct Color in der Farbe White über der gehärteten Schicht Trans Opal gestaltet (Abb. 8).
Mit OptraSculpt wurde eine abschließende Schicht Empress Direct Schmelzmasse in der Farbe A1 aufgetragen, um die primäre Anatomie herauszuarbeiten (Abb. 9). Die sekundäre Anatomie wurde mit spitz zu laufenden und feinkörnigen Diamantschleifkörpern (Mani) gestaltet und modelliert (Abb. 10). Danach erfolgte die Ausarbeitung und Politur mit Schleifscheiben und OptraGloss-Polierern in zwei Schritten, um die sekundäre und tertiäre Anatomie ideal zu erstellen (Abb. 11).
Im Rahmen der postoperativen Untersuchung zeigte sich die erfolgreiche Entfernung der betroffenen Bereiche und die Wiederherstellung der inzisalen Makrotexturen und Transluzenz. Die Restauration hat eine glatte, anatomisch geformte Oberfläche. An seinem neuen Lächeln wird der Patient lange Freude haben (Abb. 12).


Diskussion
Bei der Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation handelt es sich um einen Zahnschmelzdefekt, der in diesem Fall­beispiel die Schneidezähne betrifft. Die Störung führt zu Funktionseinbußen und ästhetischen Beeinträchtigungen. Die Ätiologie ist multifaktoriell und die Prävalenz unter ­Kindern und Jugendlichen in der nordeuropäischen Bevölkerung mit wenig oder ohne Fluoridierungsmaßnahmen liegt bei ungefähr 16 % (Weerheijm, 2003). Die sensible Periode gegenüber dieser Störung ist von der 32. Woche in utero bis zum 5,5. Lebensjahr.
Die MIH-Läsionen beginnen an der Schmelz-Dentin-Grenze und schreiten an der Oberfläche fort. Fluorose, die im Gegensatz dazu durch die Aufnahme einer hohen Fluoridkonzentration entstehen kann, ruft unter der Zahnoberfläche Hypomineralisationen hervor, die bis zur Schmelz-Dentin-Grenze reichen können. MIH-Defekte gehen auf Schädigungen der Ameloblasten in der Sekretionsphase der Amelogenese zurück. Poröser Zahnschmelz ist nicht kaustabil und führt zu posteruptiven Schmelzeinbrüchen und einem erhöhten Kariesrisiko. Die poröse Oberfläche ist unregelmäßiger und die Hydroxylapatit-Kristalle fehlen oder sind fehlerhaft und ungeordnet. Crombie et al. (2013) stellten fest, dass der anorganische Anteil in betroffenen Schmelzläsionen 58,8 % beträgt und in nicht betroffenen 86 %.
Therapiemaßnahmen reichen von nicht- oder minimalinvasiven Methoden zu umfangreichen invasiven Behandlungsmaßnahmen. Die Entscheidung, welche Behandlung angewendet werden soll, hängt auch von den Erwartungen der Patienten und je nachdem auch der Eltern ab.
Bleaching mit Wasserstoffperoxid oder Carbamidperoxid wurde erfolgreich eingesetzt, sowohl mit als auch ohne Infiltration. Die Infiltration von MIH-Läsionen konnte in Studien jedoch nicht zuverlässig erreicht werden (Kumar, 2017).
Der Patient im geschilderten Fall hat mit seiner Mutter entschieden, dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis eines präprothetischen Bleachings mit Infiltration begrenzt ist, da die verbleibenden Zähne nach dem Durchbrechen möglicherweise dunklere Chroma- und Helligkeitswerte haben könnten und das Bleaching wiederholt werden müsste. Da aufgrund eines Traumas schon weniger Schmelz vorhanden war und die hypomineralisierten Läsionen in Zahn 11 chromatischer erschienen, fiel die Entscheidung auf einen reduzierenden Ansatz. Dadurch wird gleichzeitig das Substrat mit einem hohen organischen Anteil reduziert und die Mineraldichte des erzielten Substrats erhöht, wodurch zudem Platz für die Kompositschicht geschaffen wird und die Scherhaftfestigkeit des Adhäsivs vorhersehbarer ist (Fayle, 2003).
Als Restaurationsmaterial wurde IPS Empress Direct gewählt, da Transluzenz, Opazität und Fluoreszenz mit den Massen naturnah reproduziert werden können. Gröbere Bariumglasfüller (0,7 µm) werden in den Dentinmassen eingesetzt und feinere Bariumglasfüller (0,4 µm) in den Schmelzmassen, um die klinische Leistung hinsichtlich der Festigkeit und Abrasionsresistenz für jede Schicht sicherzustellen. Die Volumenschrumpfung wird in der Dentinschicht kompensiert, die oft mit Präpolymeren großzügiger aufgetragen wird, was gleichzeitig die Festigkeit der Dentinschicht erhöht. Ytterbiumtrifluorid sorgt für Röntgenopazität und Fluoridfreisetzung. Das Füllungsmaterial ist dafür konzipiert, die natürlichen optischen und funktionellen Eigenschaften von Dentin und Schmelz klinisch möglichst gut zu imitieren und ist der Goldstandard für hochästhetische Füllungen.


Foto: privat

Dr. Clarence Tam HBSc, DDS, AAACD, FIADFE
erwarb ihren Doktortitel für zahnärztliche Chirurgie an der University of Western Ontario. Mit ihrer Praxis in Auckland (Neuseeland) hat sie sich weitgehend auf kosmetische und restaurative Zahnheilkunde spezialisiert. Sie ist Autorin zahlreicher Fachveröffentlichungen, als Referentin tätig und prüft/entwickelt Prototyp-Produkte und -Techniken in der klinischen Zahnmedizin.

Literatur
  1. Crombie, F, Manton DJ, Palamara JEA, Zalizniak I, J Cochrane N, Reynolds E. 2013. Characterisation of developmentally hypomineralised human enamel. J Dent. 41. 10.1016/j.jdent.2013.05.002.
  2. Fayle SA. 2003. Molar Incisor Hypomineralization: Restorative Management. Eur J Paed Dent 3:121–126
  3. Kumar H, Palamara JEA, Burrow MF, Manton DJ 2017 An investigation into the effect of a resin infiltrant on the micromechanical properties of hypomineralised enamel. Int J Paed Dent 27(5):399–411
  4. Weerheijm KL: Molar incisor hypomineralisation (MIH). Eur J Paediatr Dent 2003, 4:114–120.