Zahnerhaltung

Minimalinvasiv restauriert

Ist eine solide Schmelzschicht als Untergrund vorhanden, stellt Komposit das Material der Wahl für eine substanzerhaltende, ästhetische Rekonstruktion dar. Selbst gravierende Abrasionsschäden lassen sich damit minimalinvasiv restaurieren.



Ein 57 Jahre alter Patient stellte sich bei mir zur Versorgung eines Bereichs mit wiederholten Absplitterungen der mittleren unteren Schneidezähne vor. Er beklagte, dass die aufgebrachten „Versiegler“ an den mesio-inzisalen Rändern wahrscheinlich aufgrund der lokalen Belastung an diesen kleinen Restaurationen wieder abgeplatzt seien. Der Patient berichtete, dass die unteren Frontzähne infolge einer neuen Metallkeramikbrücke, die über 12 bis 21 eingesetzt wurde, abgesplittert seien.

Bei der Untersuchung mit dem Spiegel zeigte sich in maximaler Interkuspidation ausreichend Platz für einen Höhenaufbau. Bei der Bewegung nach vorn würde jedoch der Kontakt mit den unteren mittleren Schneidezähnen nicht sanft ansteigend, sondern wie bei einer senkrechten Wand erfolgen. Eine Umformung dieser Region würde nicht nur ein volleres Zahnvolumen, sondern insgesamt auch einen leichten Höhenzuwachs ermöglichen. Ohne Austausch der Brücke und Neugestaltung der palatinalen Form würde jedoch eine vollständige Wiederherstellung der verlorenen Höhe an den Zähnen 31 und 41 nicht möglich sein. Der Patient wünschte sich eine festere, länger haltbare Lösung und plädierte sogar für eine Versorgung mit Vollkronen, von der ich ihm natürlich im Interesse einer minimalinvasiven Versorgung abriet.

Umfassende Diagnose

Vor der Aufstellung eines Behandlungsplans hinsichtlich der ästhetischen und restaurativen Korrektur der Zähne fand eine umfassende Untersuchung statt. Bei der extraoralen Untersuchung zeigten sich Lymphknoten, Speicheldrüsen, Kaumuskulatur und temporomandibuläre Gelenkfunktion unauffällig. Ein Knacken oder Reiben war nicht feststellbar, der Bewegungsumfang (ROM, Range of Motion) des Patienten war mit 60 mm im Normbereich. Der Patient gab Beschwerdefreiheit an. Die intraorale Untersuchung des Weichgewebes war wie auch der Parodontalstatus ohne Befund. Beim Patienten zeigte sich ein fester fibrotischer Gingiva-Biotyp mit kräftig rosafarbenen und scharf abgegrenzten Rändern, keine Ödeme oder Erytheme. Der Plaque-Index betrug 0/6 Stellen, Blutungen beim Sondentest ebenfalls 0/6. Die Mundhygiene des Patienten war hervorragend. Die Zahnuntersuchung der betroffenen Region ergab eine mesio-inzisale Absplitterung an den Zähnen 31 und 41 mit engem Kontakt des Cingulum-Bereichs der Brücke in Vorbisslage, die sich von 21 bis 12 erstreckte.

Behandlungsplan

 Umfassende Untersuchung (Hart- und Weichgewebe) extraoral und intraoral

 Röntgenologischer Zahnstatus: 3 Bissflügelaufnahmen, 7 periapikale Aufnahmen

 Einwilligungserklärung

 Präparation unter Kofferdam-Isolation (Split-Dam-Technik)

 Isolierung von benachbarten Zähnen mithilfe von Mylar-Streifen. Durchführung der Micro-Air-Abrasion (50 µm Aluminiumoxid) an den Bukkal- und Inzisalflächen der Zähne 31, 41.

 Ätzen, Bonden, Aufbau der lingualen Wand an Zahn 31 (GrandioSO A3.5), Dentin und Übergangszonen (GrandioSO A3.5) und Schmelzschicht (GrandioSOA3.5). Die Transluzenz soll mit A3.5 mit muschelförmiger Präparation der Inzisalregion vor der Applikation von GrandioSO Flow Inzisal zur „Lückenfüllung“ erzielt werden.

Es lagen Abrasionen an den Zähnen 31 b-I und 41 b-I vor, die sich als iatrogen erwiesen. Läge der Schwerpunkt bei diesem Fall auf der Versorgung der oberen mittleren Schneidezähne, wäre mehr Länge kein Problem, solange erstens ausreichend Platz vorhanden ist und zweitens bei der Protrusions- und Seitwärtsbewegung eine ausgewogene Frontzahnführung unter den vier unteren Schneidezähnen zu erzielen ist (bei fehlender Eckzahnführung). Geplant wurde daher eine möglichst ausgedehnte Reduktion und Umformung der Cingulum-Region der Restauration 12 bis 21 ohne Exposition der Metall-Struktur, um etwas mehr Platz für eine festere Form der Komposit-Verblendungen zu gewinnen. Dies wurde mit Einverständnis des Patienten durchgeführt.

Der untere vordere Frontzahnbereich wurde mithilfe einer Split-Dam-Technik isoliert, die Folgendes umfasste: Kofferdam-Klammern #2A (Hu-Friedy) an den Zähnen 34 und 44 und einen Kofferdam (Roeko). Nach der Erstellung einer Endlosschräge an den Zähnen 31 b-I und 41 b-I wurden distal der Elemente 31 und 41 Mylar-Streifen eingesetzt. Jeder Zahn wurde an der fazial-inzisalen Seite einer Micro-Air-Abrasion mit 50 µm Aluminiumoxid unterzogen, um die bestmögliche mikromechanische Verankerung zu gewährleisten. Jeder Zahn wurde dann mit 33 % H3PO4 (aq) angeätzt, bevor drei Schichten Optibond Solo Plus (Kerr) appliziert wurden. Nach dem Verblasen des Lösungsmittels mit einem Luftstrom erfolgte die Lichthärtung mit einer LED-Lichthärtelampe (Radii, SDI).

Eine linguale Silikonmatrize wurde nicht erstellt, da keine Erfahrungen mit dem Patienten vorlagen, der regulär von einem anderen Arzt unserer Praxis betreut wurde. Um Zahn 31 wurde zunächst ein Mylar-Streifen gewickelt. Der Streifen war vorgefaltet, um bestimmte Kantenlinien distal-lingual und mesio-lingual zu erhalten. Die Matrize wurde lingual mit einem Finger fixiert, während die linguale Lamelle freihändig gegen den Mylar-Streifen gesetzt wurde. Diese linguale Lamellenschicht sollte etwa 0,3 mm stark sein und dient als Gerüst der Füllung. Nun wurde der Mylar-Streifen entfernt und die Komposit-Verblendung schichtweise zunächst auf der zervikalen Zahnhälfte (nach inzisal dünner) und anschließend auf der inzisalen Hälfte aufgetragen.

In der Inzisalregion erfolgte über 1,5 mm eine muschelförmige Präparation mit detaillierter Dentinformung, um eine optische Charakterisierung des Endprodukts zu ermöglichen. Diese muschelförmigen Bereiche wurden mit GrandioSO Flow Inzisal „aufgefüllt“. Die letzte Schmelzschicht wurde in einem einzigen Inkrement appliziert, mit einem Greenstein-Instrument poliert und finiert, interproximal mit einer Ronvig-Silikonbürste ausgearbeitet und nahtlos an die Oberfläche des gesamten Zahns angegliedert. An diesem Punkt muss die geplante Füllung immer von inzisal betrachtet werden. Auf diese Weise wird erkannt, wenn das Material zu dick ist, was von frontal nicht erkennbar ist. Außerdem zeigt sich, ob ausreichend Material für eine gute Definition der mesialen und distalen Kantenlinien vorhanden ist. Die inkrementelle Applikation diente zur Reduzierung der Polymerisationsschrumpfung des Kompositmaterials, die im Fall von GrandioSO mit 1,61 % ausgesprochen niedrig ist.

Nur wenige Komposite bieten in ihren Farben Opazität und gleichzeitig optische Anpassung an die jeweilige Umgebung. Vor der Auswahl eines schmelzähnlichen Mikrofüllers als Schmelzersatz und zur Erzeugung optischer Dimensionalität durch eine erhöhte Lichtdurchlässigkeit des Zahns ist häufig die Verwendung mehrerer Dentinfarben erforderlich, um einen Block-out-Effekt und eine bessere Qualität der Restauration zu erzielen. Ich war positiv überrascht von der Vielseitigkeit von GrandioSO und dem Chamäleon-Effekt, den es in einer Farbe sowohl für den Ersatz von Dentin als auch von Schmelz bietet.

Mit den letzten Schichten konnte das durch iatrogenen Abrieb zerstörte Zahnvolumen nicht nur etwas wiederhergestellt, sondern auch unsichtbar restauriert werden.

An dieser Stelle konnte die Durchgängigkeit der Kontaktpunkte bestätigt, der Interdentalbereich mit einem Skalpell Nr. 12b finiert und die Politur mit Epitex-Streifen (GC America) begonnen werden. Nach Prüfung der Kontaktpunkte auf Durchgängigkeit wurden mit einem Stift Markierungen auf die fazialen Flächen angebracht, um die zu erhaltenden Kantenlinien zu kennzeichnen. Die primäre und sekundäre Anatomie wurde mithilfe eines feinkörnigen Diamantschleifers (Mani Dia-burs) und einer großen grobkörnigen Soflex-Disc (3M) ausgearbeitet, beides jeweils ohne Wasserkühlung [1].

Die Hochglanzpolitur der Restaurationen erfolgte mit dem Poliersystem Dimanto (VOCO) bei 5000 rpm. Insgesamt war der Patient mit dem edlen, glänzenden und biomimetischen Ergebnis hochzufrieden, wobei klar war, dass je nach Okklusion noch eine Kürzung erfolgen musste.

Wichtig ist, dass die neue Füllung nicht nur eine beständigere Form aufweist. Vielmehr können Arzt und Patient aufgrund der Wahl dieses Nanohybrid-Komposits beruhigt sein, dass die Restauration langfristig hält und dabei auch noch gut aussieht.

Adhäsive Kunststoffversorgung

Für den Patienten ergaben sich die zu berücksichtigenden Faktoren aus dem Verhältnis von Risiko und Nutzen zwischen aggressiver Reduktion von Zahnstruktur auf der einen Seite, um einen adäquaten okklusalen Abstand zu den gegenüberliegenden Zähnen für eine beständige Form durch eine adhäsive Keramikrestauration (BPR) zu schaffen (auch bei Verwendung von IPS e-max wären mindestens 1,5 mm erforderlich), und dem Erhalt von möglichst viel Volumen an gesunder Zahnstruktur auf der anderen Seite.

Es stand sehr viel gesunde Zahnstruktur für das Bonding zur Verfügung. Die adhäsive Kunststoffversorgung ermöglicht eine gute Vorhersagbarkeit von Ästhetik und Reparaturen über die Zeit. Wäre die Schmelzschicht erheblich beschädigt gewesen, wäre eine adhäsive Keramikrestauration zur Wiederherstellung der koranalen Stabilität, wie von Pascal Magne gefordert, unerlässlich gewesen. Laut Magne „ist nur eine partielle Wiederherstellung der Kronenstabilität zu erwarten, wenn ein flexibleres Material an Stelle der Schmelzschicht verwendet wird“ [4]. Man muss betonen, dass die Schmelzschicht in diesem Fall keineswegs beeinträchtigt war, sodass ein additives Verfahren möglich und zu bevorzugen war.

Nach einem Bericht von Weston (2011) reicht die zusätzliche Applikation von 0,5 mm zur bukkalen Fläche für die Formbeständigkeit aus, wenn die Okklusionsgrenzen beachtet werden [3]. Daher war unsere Präparation so ausgelegt, dass dieser Raum von 0,5 mm geschaffen wurde. Weiterer Raum wurde durch die palatinale Umgestaltung der Brücke 12–21 geschaffen.

In diesem Fall wurde reiner geschichteter Nanohybrid-Kunststoff in einem Farbton mit Chamäleon-Effekt verwendet. Die Farbauswahl erfolgte durch die Verwendung des Farbfächers (VOCO) und den Vergleich mit Ton, Chroma und Helligkeit des Zielzahns nach Varga-Technik [2]. Die einfarbige Technik ermöglicht eine einfache Platzierung, da das Material opak wirkt und sich nahtlos an die Zahnstruktur anpasst. Die hier verwendete chromatische Schichttechnik ist eine Abänderung der Dr. Newton Fahl-Technik [1] mit nur einer Farbnuance.

Fazit

Dieser Fall bestätigt die minimalinvasive Natur und Vielseitigkeit eines Komposits, wenn ein Material verwendet wird, das nicht nur lange haltbar ist, sondern auch Bestrebungen im Hinblick auf ein ästhetisches Ergebnis unterstützt. Es stimmt, dass gelegentlich adhäsive Keramikrestaurationen die Behandlung der Wahl sein müssen [4] – solange jedoch eine ausreichende, solide Schmelzschicht als Untergrund vorhanden ist, stellt GrandioSO eine Lösung dar, die es erlaubt, die Natur ästhetisch zu rekonstruieren.[]

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Dr. Clarence Tam unterhält eine Praxis im neuseeländischen Remuera, Auckland, die sich auf kosmetische und restaurative Zahnheilkunde spezialisiert hat. Sie studierte Zahnmedizin an der Universtity of Western Ontario, Kanada, und ist Direktorin und Vorsitzende der New Zealand Academy of Cosmetic Dentistry.

Kontakt: clarence.tam@gmail.com