Füllungsmaterialien im Überblick
Zum 1. Januar 2025 tritt ein weitreichendes Verbot der Verwendung von Dentalamalgam in der Europäischen Union in Kraft. Amalgam darf ab diesem Datum nur noch in Ausnahmefällen angewendet werden, wenn ein Zahnarzt dies aufgrund spezifischer medizinischer Notwendig- keiten als zwingend erforderlich ansieht. Im Folgenden hat die Deutsche Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ) zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK), die aus dem Verbot resultierenden wichtigsten Aspekte aufgelistet.
Das Amalagamverbot geht auf die Verordnung 2024/1849 [1] des Europäischen Parlaments und des Rates zurück, die eine vorzeitige Einschränkung der Nutzung von quecksilberhaltigem Amalgam um etwa zehn Jahre vorzieht.
Alternativen zu Dentalamalgam
Als Amalgamalternative stehen heute zahlreiche Materialien zur Verfügung, die verschiedene Vor- und Nachteile haben. Der Einsatz sollte anhand von verschiedenen Faktoren auf Patienten-, Mund- und Zahnebene, beispielsweise der Compliance der Patienten, dem Kariesrisiko und dem Ausmaß an vorhandener Restzahnsubstanz, der Kavitätengröße sowie der Möglichkeit einer Trockenlegung während der Behandlung usw. sorgfältig und fallbezogen abgewogen werden. Je nach Ausgangssituation empfehlen Zahnärzte ihren Patienten das Material mit den am besten passenden spezifischen Eigenschaften, um den Zahn zu restaurieren und langfristig zu erhalten. Zu unterscheiden sind hierbei plastische Restaurationswerkstoffe, die zur Haftung an den Zahnhartsubstanzen spezieller Haftvermittler bedürfen (z. B. Komposite), und selbstadhäsive Materialien, die keiner zusätzlichen Haftvermittler bedürfen.
Materialien, die einen zusätzlichen Haftvermittler benötigen:
• Kompositmaterialien einschließlich Bulkfill-Komposite
• Kompomere
• Alkasite
Selbstadhäsive Materialien
• Glasionomerzemente
• (kunststoffmodifizierte) Glasionomerzemente, Glas-Hybride
• selbstadhäsive Komposit-Hybride Kompositmaterialien – gut erforscht und haltbar, aufwändig in der Verarbeitung
Dentale Kompositmaterialien oder Dentalkomposite bestehen aus anorganischen Füllkörpern in einer Kunststoff-Matrix. Komposite haben sehr gute Materialeigenschaften und können im kaulasttragenden Bereich bei Läsionen aller Größen, inklusive dem Höckerersatz, eingesetzt werden [2]. Zudem sind sie auf Hochglanz polierbar und bieten daher im Frontzahnbereich haltbare und ästhetische Möglichkeiten der Versorgung.
Kompositmaterialien erlauben ein defektorientiertes und minimalinvasives Vorgehen, und ermöglichen mit Hilfe der Mehrschicht- und Mehrfarbentechnik eine dauerhafte und ästhetisch ansprechende Wiederherstellung des Zahnes. Allerdings ist das Vorgehen zeitaufwendig und es bedarf spezieller Haftvermittler, sogenannter Adhäsivsysteme, die für eine stabile Haftung am Zahn sorgen. Für einen dauerhaften adhäsiven Verbund müssen die Zahnoberflächen sauber und trocken sein und Blut oder Speichel darf während der Adhäsivtechnik nicht hinzutreten (Kontaminationskontrolle).
Bulk-Fill-Komposite
Eine Unterklasse der Dentalkomposite sind die sogenannten Bulk-Fill-Komposite. Sie können je nach Produkt in größeren Portionen von ca. 4 mm Schichtstärke in die Kavität eingebracht werden. Hierdurch kann auf eine aufwendige Mehrschichttechnik verzichtet oder zumindest die Anzahl der Schichten deutlich reduziert werden, was den Arbeitsaufwand etwas verringert. Bulk-Fill-Komposite können bis zu einer Tiefe von ca. 4 mm mit Polymerisationsgeräten entsprechender Leistung sicher auspolymerisiert werden [2]. Dennoch werden auch bei Bulk-Fill-Kompositen Haftvermittler benötigt und die Adhäsivtechnik gestaltet sich genauso aufwendig wie bei herkömmlichen Dental-Kompositen.
Kompomere
Kompomere sind Hybridmaterialien aus Glasionomerzementen und Dentalkompositen, die ebenfalls eine adäquate Adhäsivtechnik erfordern. Bei dieser Materialklasse wurde versucht, die positiven Eigenschaften von GIZ und Komposit zu kombinieren. Sie sind ähnlich kaustabil wie Dentalkomposite, da sie werkstoffkundlich eher Komposite (exakt: polyalkensäuremodifizierte Komposite) sind. Besonders bei Restaurationen für Milchzähne werden Kompomere empfohlen.
Glasionomerzemente
Glasionomerzemente (GIZ) werden aus speziellen Glas-Pulvern und Flüssigkeit angemischt und härten durch eine Säure-Base-Reaktion aus. Der große Vorteil von Glasionomerzementen gegenüber Kompositen besteht darin, dass sie direkt chemisch an die Zahnoberfläche binden können und keinen separaten Haftvermittler benötigen (selbstadhäsiv). Das macht ihre Anwendung deutlich einfacher und schneller. Nachteilig gegenüber Kompositen ist, dass Glasionomerzemente weniger abrasionsstabil und Restaurationen aus GIZ frakturanfälliger und weniger gut polierbar sind. Daher sind Glasionomerzemente vor allem bei kleinen bis mittelgroßen Defekten im Bereich der Seitenzähne oder am Zahnhals (Klasse V) indiziert.
Gemäß der aktuell erschienenen S3-Leitlinie „Direkte Kompositrestaurationen in Front- und Seitenzahnbereich“ besteht ein starker Konsens, dass Glasionomerzemente als Alternative zu Komposit in spezifischen Indikationsbereichen (u. a. kleinere Kavitätengrößen, eingeschränkte Mitarbeit, erhöhtes Kariesrisiko) für die direkte Versorgung bei Klasse-I- und -II-Kavitäten an bleibenden Zähnen verwendet werden können [2]. Bei der Verwendung von Glasionomerzementen im Seitenzahnbereich ist zu beachten, dass nicht alle Produkte für permanente Restaurationen im kaulasttragenden Bereich zugelassen sind.
Kunststoffmodifizierte Glasionomerzemente
Kunststoffmodifizierte Glasionomerzemente sind eine Unterklasse der Glasionomerzemente. Sie enthalten neben Glaspulver und Flüssigkeit zusätzlich Kunststoffanteile. Sie sind daher kaustabiler als die herkömmlichen GIZ und haben eine etwas glattere Oberfläche. Auch sie benötigen keine Haftvermittler. Für diese Materialgruppe gelten die o. g. Empfehlungen für die direkte Versorgung bei Klasse-I und -II-Kavitäten an bleibenden Zähnen ebenfalls [2].
Glashybride
Glashybride sind ebenfalls eine Unterklasse der (selbstadhäsiven) Glasionomerzemente. Bei ihnen wird die frisch gelegte Füllung mit einem speziellen Lack (Coating) abgedeckt, um die feuchtigkeitsempfindliche Abbindereaktion zu schützen. Für Glashybride existieren mittlerweile ausreichend gute klinische Daten für den Seitenzahnbereich.
Selbstadhäsive Komposit-Hybrid-Kunststoffe
Selbstadhäsive Komposit-Hybrid-Kunststoffe sind Komposite, die aufgrund von speziellen Zusätzen direkt chemisch an den Zahn binden und keine Haftvermittler benötigen. Zu dieser Gruppe zählen auch selbstadhäsive Komposite. Die selbstadhäsiven Komposit-Hybride erreichen keine so starken Haftwerte am Zahn wie Dentalkomposite in Verbindung mit Haftvermittlern, sind aber sehr kaustabil. Es sind neuartige Materialien, die zum Teil noch nicht über längere Zeiträume erforscht sind.
Direkte Restaurationen nach BEMA
Der Beschluss des Bewertungsausschusses zur Änderung der Gebührenposition 13 des einheitlichen Bewertungsmaßstabs vom 2. Oktober 2024 sieht vor, dass folgende Restaurationsmateralien Gegenstand der vertragszahnärztlichen Versorgung sind [3]:
• plastische Füllungsmaterialien, die ausreichend, zweckmäßig, erprobt und praxisüblich sind
Frontzahnbereich
Im Frontzahnbereich sind adhäsiv befestigte Restaurationen z. B. aus Dentalkompositen Gegenstand der vertragszahnärztlichen Versorgung.
Seitenzahnbereich
Im Seitenzahnbereich sind direkte Restaurationen aus selbstadhäsiven Materialien Gegenstand der vertragszahnärztlichen Versorgung. Im Ausnahmefall (z. B. wenn aufgrund der Ausdehnung der Kavität mittels selbstadhäsiver Materialien keine permanente Versorgung möglich ist) sind Bulkfill-Komposite in Verbindung mit Haftvermittlern Gegenstand der vertragszahnärztlichen Versorgung.
Selbstadhäsive Füllungsmaterialien umfassen alle Füllungsmaterialien, die ohne Haftvermittler auskommen. Dazu zählen Glasionomerzemente, kunststoffmodifizierte Glasionomerzemente, Glas-Hybride und selbstadhäsive Komposit-Hybride.
Zuzahlung für aufwendigere Restaurationen
Gesetzlich versicherte Patienten können wie bisher über die oben beschriebene vertragszahnärztliche Versorgung (§ 28 Abs. 2 Satz 1 SGB V) hinausgehende Leistungen wählen (gesetzliche Mehrkostenregelung gem. § 28 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB V).
Für diese aufwendigeren Leistungen sind die Mehrkosten selbst zu tragen. Zu diesen Leistungen zählen adhäsiv befestigte Restaurationen im Seitenzahnbereich, Restaurationen in Mehrschicht- und Mehrfarbentechnik, Einlagefüllungen sowie Goldhämmerfüllungen.
Amalgam für bestimmte Indikationen
In Zahnarztpraxen noch vorrätiges Amalgam könnte für bestimmte Situationen, wie eine hohe Kariesaktivität oder bei vulnerablen Patientengruppen unter Einhaltung der Kontraindikationen, weiter eingesetzt werden, wenn der Zahnarzt oder die Zahnärztin das im speziellen Einzelfall für zwingend notwendig erachtet. Die Herstellung und der Import von Amalgam ist für diese speziellen Indikationen weiterhin erlaubt [1; Artikel 1, Nr. 1b)]. Der Export von Dentalamalgam ist vom 01.01.2025 verboten.
Präventive Entfernung von Amalgamfüllungen?
Menschen mit Amalgamfüllungen müssen sich keine Sorgen machen. Es wird nicht empfohlen, Amalgamfüllungen präventiv entfernen zu lassen. Für die Gesundheit kann Quecksilber in hohen Konzentrationen neurotoxische Effekte haben. Die aus Amalgam freigesetzten Mengen sind jedoch so gering, dass der ‘Wissenschaftliche Ausschuss der EUKommission zu neu auftretenden und neu identifizierten Gesundheitsrisiken‘ (SCENIHR) [6] zu dem Schluss kommt, dass die Verwendung von Amalgam nicht mit dem Risiko systemischer Erkrankungen für die Allge meinbevölkerung einhergeht. In sehr seltenen Fällen kann es zu lokalen Schleimhautreaktionen kommen. Beim Entfernen von Amalgamfüllungen kommt es zu einer temporär erhöhten Quecksilberfreisetzung. Grundsätzlich sollten intakte Füllungen nicht entfernt werden. Das gilt insbesondere auch für Amalgamfüllungen.
Einsatz von Dentalamalgamen
Dentalamalgame sind eine sehr weitverbreitete, langlebige und gut untersuchte zahnärztliche Werkstoffgruppe. Das Material lässt sich auch unter schwierigen klinischen Bedingungen zuverlässig anwenden und hat einen gewissen karieshemmenden Effekt.
Restaurationen aus Amalgam können zu vergleichsweise niedrigen Kosten angefertigt werden. Bis Ende 2024 sind Amalgamfüllungen im Seitenzahnbereich Gegenstand der vertragszahnärztlichen Versorgung der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland. Dem gegenüber steht, dass der tatsächliche Einsatz von Dentalamalgam in den letzten Jahrzehnten stark rückläufig ist. Im Jahr 2022 bestanden 2,4 Prozent der plastischen Restaurationen, die über die gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet wurden, aus Dentalamalgam, wobei in den neuen Bundesländern der Anteil mit 5,8 Prozent höher ausfiel als in den alten Bundesländern mit 1,6 Prozent [4].
Die meisten Patienten bevorzugen seit vielen Jahren ohnehin zahnfarbene Materialien, z.B. aus dentalen Kompositmaterialien. Deren Verarbeitung ist jedoch deutlich aufwendiger und techniksensitiver, sodass sie nicht komplett von den Krankenkassen übernommen werden.
Amalgamverbot in der EU
Das Verbot von Amalgam steht im Zusammenhang mit der Minamata-Konvention, einem internationalen Übereinkommen zur Reduktion von Quecksilberemissionen. Amalgam enthält Quecksilber, das als solches in die Umwelt gelangen kann. Ziel des Verbots ist es, den Quecksilbereintrag in die Umwelt weiter zu minimieren. Seit den 1990er Jahren sind in Zahnarztstühlen bereits Amalgamabscheider nach ISO 11143 installiert. Die Amalgamreste werden durch lizenzierte Unternehmen entsorgt [4, 5].
Über die Minamata-Konvention
Seit den 1970er-Jahren arbeiten die Vereinten Nationen daran, die Umweltbelastung durch Quecksilber zu verringern. 2009 beschloss die UN, einen weltweiten Vertrag zur Reduzierung der Quecksilberemission in die Umwelt zu initiieren. Nach fünf internationalen Konferenzen von 2009 bis 2013 wurde 2013 in der japanischen Stadt Minamata der Vertrag unterzeichnet, bekannt als das „Minamata-Übereinkommen“. In Minamata hatten in den 1950er Jahren über 2.000 Menschen schwere Schäden am Zentralnervensystem erlitten, die auf die Freisetzung von Methylquecksilber durch die chemische Industrie ins Meer zurückzuführen waren. Das Minamata-Übereinkommen wurde mittlerweile von 144 Ländern unterzeichnet, einschließlich der EU.
In diesem Übereinkommen wird auch Dentalamalgam reguliert und es ist ein „Phase down“ ohne zeitliche Begrenzung festgelegt. Nachdem die EU das Minamata-Übereinkommen ratifiziert hatte, erließ sie 2017 eine Verordnung [7] zu Quecksilber. Danach wurde u. a. die Verwendung von Amalgam für bestimmte Bevölkerungsgruppen eingeschränkt, was insgesamt einem Phase down entspricht. Mit der aktuellen Verordnung [1] (2024) geht die EU über die Vorgaben des Minamata-Übereinkommens weit hinaus, indem vom 1. Januar 2025 an Dentalamalgam in der Europäischen Union nicht mehr für die zahnärztliche Behandlung verwendet werden darf (Phase out), es sei denn, der Zahnarzt erachtet eine solche Behandlung wegen der spezifischen medizinischen Erfordernisse bei dem jeweiligen Patienten als zwingend notwendig.
Diese Hintergrundinformationen, zusammengestellt von der DGZ und DGZMK, wurden mit fachlicher Expertise folgender Autorinnen und Autoren erstellt (Stand Oktober 2024):
• Prof. Dr. Sebastian Paris, Direktor der Abteilung für Zahnerhaltung, Präventiv- und Kinderzahnmedizin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin (Präsident der DGZ),
• Prof. Dr. Roland Frankenberger, Direktor der Poliklinik für Zahnerhaltung an der Philipps Universität Marburg
• Prof. Dr. Diana Wolff, Ärztliche Direktorin der Poliklinik für Zahnerhaltungskunde am Universitätsklinikum Heidelberg (Koordinatorin der S3-Komposit-Leitlinie)
• Prof. Dr. Cornelia Frese, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Präventivzahnmedizin (DGPZM), Poliklinik für Zahnerhaltungskunde am Universitätsklinikum Heidelberg
• Prof. Dr. Dr.h.c.mult. Gottfried Schmalz, Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie der Universität Regensburg
www.dgz-online.de
www.dgzmk.de