Fehlerrisiko reduzieren, Behandlungsqualität erhöhen
Moderne vollkeramische Restaurationsmaterialien lassen sich heute sicher adhäsiv befestigen, sodass es problemlos möglich ist, bei der Präparation auf retentive Elemente zu verzichten und somit so substanzschonend wie möglich vorzugehen. Das Material ist unerheblich, jedoch unterscheidet sich die Vorgehensweise bei der Vorbehandlung je nach verwendetem Keramiksystem. Dr. Silvana Thering aus Münster hat sich in dem vorgestellten Fall, eine Neuversorgung mit einem Keramik-Overlay, für ein universelles Befestigungskomposit entschieden.
Es ist grundsätzlich unerheblich, ob eine Silikatkeramik (z. B. Lithiumdisilikat) oder sogar Oxidkeramik (in der Regel Zirkoniumoxid) zum Einsatz kommt: An beiden Materialtypen kann ein hochwertiger, langlebiger chemischer Haftverbund erzielt werden. Allerdings ist es wichtig, über die verwendete Keramik informiert zu sein, da sich die Vorgehensweise bei der Vorbehandlung sowie – je nach Befestigungssystem – bei der adhäsiven Eingliederung selbst deutlich unterscheiden kann. Wie vorbehandelt wird, hängt davon ab, ob es sich um ein Restaurationsmaterial mit oder ohne Glasphase handelt. Bei Materialien mit Glasphase (Glas- bzw. Silikatkeramik) wird die Oberfläche mit Flusssäure geätzt, bei Materialien ohne Glasphase (Oxidkeramik) wird sandgestrahlt.
Das Vorgehen bei der nachfolgenden definitiven Eingliederung ist je nach Befestigungssystem unterschiedlich. Wer sich allerdings für den Einsatz eines universellen Befestigungskomposits entscheidet, profitiert bei diesem Arbeitsschritt generell von einem weitgehend einheitlichen Prozedere mit einer reduzierten Anzahl an Komponenten. Dies gilt auch für 3M RelyX Universal Befestigungskomposit, das sowohl im selbstadhäsiven Modus als auch im adhäsiven Modus eingesetzt werden kann. Für alle adhäsiven Indikationen, zu denen die Befestigung von Restaurationen mit unzureichender Retentions-
und Widerstandsform gehört, erfolgt die Kombination mit
3M Scotchbond Universal Plus Adhäsiv, das als Adhäsiv auf der Seite des Zahns dient sowie die Funktion des Keramik-
Primers bzw. Silans auf der Seite der Restauration übernimmt.
Der klinische Einsatz des Systems wird im Folgenden am Beispiel der Behandlung eines 59-jährigen Patienten beschrieben.
Ausgangssituation: Der Wunsch nach einem Overlay
Der Patient stellte sich mit dem Wunsch in der Praxis vor, ein Overlay aus einer Goldlegierung an Zahn 17 (Abb. 1) durch eine vollkeramische Versorgung auszutauschen. Im Rahmen der klinischen und radiologischen Untersuchung ergaben sich keine Auffälligkeiten. Dem Wunsch des Patienten entsprechend wurde dennoch entschieden, den Zahn mit einem Overlay aus Lithiumdisilikat neu zu versorgen.
Präparation und Abformung
In der ersten Behandlungssitzung wurde das bestehende Overlay entfernt. Da der Zahn unter der Restauration wie erwartet kariesfrei war, war bei der Präparation für das Keramik-Overlay kaum zusätzliche Zahnhartsubstanz zu entfernen. Es wurde lediglich im pulpanahen Bereich eine neue Schicht Liner appliziert und darauf geachtet, dass die spätere Klebefläche keramikfreundlich gestaltet war (Abb. 2). Für die Einhaltung der Mindestwandstärke der Keramik war kein weiterer Substanzabtrag erforderlich. Abgeformt wurde die Situation anschließend mit dem Intraoralscanner Trios 4 (3Shape).
Herstellung des Overlays
Im zahntechnischen Labor wurde auf Grundlage der digitalen Abformdaten ein Kunststoffmodell gedruckt (Abb. 3). Das Overlay wurde computergestützt konstruiert, aus rückstandsfrei verbrennbarem Wachs gefräst, in Presstechnik monolithisch aus Lithiumdisilikat gefertigt und schließlich mit Malfarben charakterisiert. Auf dem Modell zeigte sich eine hervorragende Passung (Abb. 4 und 5), die sich auch bei der Einprobe im Patientenmund bestätigte. So konnte gleich im Anschluss die definitive Eingliederung erfolgen.
Adhäsive Befestigung – Behandlung der Klebefläche am Zahn: Da eine Kontamination der Klebeflächen mit Speichel (und Blut) die Haftwerte jedes adhäsiven Befestigungssystems negativ beeinflussen kann, ist ein sauberes und trockenes Arbeitsfeld unerlässlich. Geschaffen wurde dieses mithilfe von Kofferdam (Abb. 6). Nach der Trockenlegung wurde die Klebefläche mechanisch gereinigt und der Schmelz selektiv mit 38-prozentigen Orthophosphorsäure enthaltendem Ätzgel konditioniert. Nach einer Einwirkzeit von 15 Sekunden wurde der Zahn gründlich gespült und vorsichtig getrocknet (Abb. 7). Anschließend kam 3M Scotchbond Universal Plus Adhäsiv auf der Klebefläche des Zahnes zum Einsatz. Damit dieses Universaladhäsiv sein volles Potenzial entfaltet, ist es 20 Sekunden in die Klebefläche einzureiben (aktive Applikation) sowie nachfolgend mit Luft zu verblasen, bis der Adhäsivfilm glänzend erscheint und sich im Luftstrom nicht mehr bewegt (Abb. 8). Auf eine Lichthärtung des Adhäsivs kann nur dann verzichtet werden, wenn es – wie im vorliegenden Fall – in Kombination mit 3M RelyX Universal Befestigungskomposit verwendet wird. Der Nachbarzahn sollte während der adhäsiven Befestigung abgedeckt werden; dafür eignet sich beispielsweise PTFE-Band.
Adhäsive Befestigung – Behandlung der Restauration: Die Klebefläche des Silikatkeramik-Overlays wurde nach der Einprobe mit Flusssäure konditioniert, im Ultraschallbad gereinigt und ebenfalls mit dem silanhaltigen 3M Scotchbond Universal Plus Adhäsiv behandelt. Es folgte die Applikation des universellen Befestigungsmaterials (3M RelyX Universal Befestigungskomposit in der Farbe Translucent) auf die Restauration, bevor diese eingesetzt wurde. Für die Entfernung der groben Überschüsse kam ein Microbrush zum Einsatz. Danach wurde vorpolymerisiert, das verbliebene überschüssige Material mit einer chirurgischen Skalpellklinge Nr. 12 entfernt und das Befestigungskomposit unter einer Schicht Glyceringel fertig ausgehärtet (Abb. 9). Nun folgten die Kofferdam-Entfernung sowie die Überprüfung der okklusalen Kontaktpunkte (Abb. 10). Das Behandlungsergebnis ist in Abbildung 11 dargestellt, die Situation nach 18 Monaten in Abbildung 12.
Fazit
Das vorliegende Fallbeispiel zeigt, dass der ursprünglich sehr komplexe Prozess der adhäsiven Eingliederung keramischer Restaurationen mit modernen Befestigungssystemen erheblich vereinfacht werden kann. Der größte Vorteil der universellen Befestigungskomposite liegt nach eigener Einschätzung darin, dass die Anzahl der vorzuhaltenden Materialien und Komponenten deutlich reduziert werden kann. Zudem lassen sich Arbeitsprozesse sehr gut standardisieren, wodurch das Fehlerrisiko erheblich reduziert und die Behandlungsqualität erhöht wird.
Dr. Silvana Thering
ist Fachzahnärztin für Prothetik und in der Erlenbusch Praxis in Münster tätig. Ihre Haupttätigkeitsgebiete sind Prothetik, Funktionsdiagnostik, Kiefergelenkstherapie und ästhetische Zahnheilkunde. Sie hält international Vorträge zu Themen rund um die adhäsive Mundrekonstruktion und Implantatprothetik.
silvanathering@gmail.com
www.erlenbusch-praxis.de
Foto: privat