Zahnerhaltung

Endodontie: Kanalarbeit ohne Stress

Die Präparation des Gleitpfads ist ein kritischer Schritt innerhalb einer endodontischen Behandlung. Jetzt kann die Präparation deutlich stressfreier erfolgen als noch vor kurzer Zeit – und zwar mit maschinenge-triebenen Instrumenten.



Die Endodontie steckt aufgrund der fast beliebig komplexen Anatomie von Wurzelkanalsystemen voller Tücken. Zwar verfügen wir dank Endomotoren und rotierenden Instrumentariums über effiziente Verfahren zur Aufbereitung, aber wir können sie heute einfacher und schneller anwenden. Auch haben moderne Vergrößerungshilfen von der Lupenbrille bis zum OP-Mikroskop und letztlich bis zur 3D-Röntgenaufnahme die Behandlung sicherer gemacht, doch bleibt schon das Auffinden aller Wurzelkanäle in so manchem Fall eine Kunst für sich.

Bei der anschließenden Anlegung des Gleitpfads gewinnt der Zahnarzt ein genaues Bild von der Wurzelkanalanatomie und bahnt gleichzeitig den später eingesetzten Aufbereitungsfeilen einen Weg. Indem sie dem Gleitpfad folgen, reduzieren sich die mechanischen Belastungen und damit das Bruchrisiko.

Das Herstellen bzw. Vorhandensein des Gleitpfads ist immer erfolgsentscheidend. Deshalb kommt der Rekapitulation des Wurzelkanalsystems nach jedem Instrumentenwechsel eine so große Bedeutung zu – als einem der wichtigsten Behandlungsschritte. Bei Nichtbeachtung drohen Komplikationen. Dazu zählen der Verlust der Arbeitslänge, Stufenbildung, Instrumentenfraktur und sogar Via falsa [1]. Die Herstellung des Gleitpfads ist daher das Fundament einer erfolgreichen endodontischen Behandlung: „Nur wer Herr des Gleitpfads ist, ist auch Herr der Aufbereitung“ [2].

In der Regel erfolgt die Präparation des Gleitpfads mit manuell zu verwendenden Edelstahlinstrumenten. Klassischerweise kommt als erste eine 10er K-Feile unter Verwendung von Chelator-Gel als Gleitmittel zum Einsatz. Anschließend werden die initial eröffneten Kanäle mit einer 15er K-Flexofeile erweitert, gegebenenfalls am Schluss mit einer 20er K-Feile.

Dieses Verfahren zum Anlegen des Gleitpfads ist mühsam. Als Alternative steht schon seit Jahren ein rotierendes Instrumentarium zur Verfügung, das sich aus speziellen Feilen mit einer Konizität von zwei Grad zusammensetzt (Pathfile, DENTSPLY Maillefer, Ballaigues) und das Potenzial zur Verminderung der typischen Risiken wie etwa Stufenbildungen und Perforationen aufweist [3]. Noch einfacher wird die maschinelle Gleitpfadaufbereitung nun durch ein Verfahren, bei dem man mit einer einzigen Feile auskommt (PROGLIDER, DENTSPLY Maillefer, Ballaigues). Wie das in der Praxis funktioniert, wird im Folgenden an einem Beispiel dargestellt.

Der konkrete Fall

Ein Patient wurde von seinem Hauszahnarzt in unsere Praxis überwiesen – mit gleich mehreren Problemen: Nach Schmerzen an Zahn 16 hatte der Versuch einer endodontischen Behandlung nicht zum erhofften Erfolg geführt. Aufgrund der Komplexität des Wurzelkanalsystems war die Aufbereitung erschwert. Der Kollege hatte zwar drei Kanäle auffinden können, den vierten jedoch nicht. Und bei der Aufbereitung der drei anderen hatte er die Wurzelspitze nicht in jedem Fall erreicht.

Nach der Trepanation unter Verwendung eines Mikroskops konnte ich alle Orifizien auffinden und präparierte die Zugangskavitäten mit einer Endo-Ultraschallspitze (Start-X #3, DENT‧SPLY Maillefer, Ballaigues; Abb. 1). Anschließend sondierte ich direkt mit dem vorstehend genannten maschinellen Ein-Feilen-System zur Gleitpfadaufbereitung und nahm die initiale Aufbereitung vor (Abb. 2).

Dann arbeitete ich klassisch weiter: Alle vier Wurzelkanäle bereitete ich mit einer Sequenz von drei Feilen auf (ProTaper #20, #25, #30, DENTSPLY Maillefer, Ballaigues). Zur chemischen Desinfektion kam ein Gemisch von EDTA (15 Prozent) und Natriumhypochlorit (3 Prozent) zum Einsatz. Unterstützend nahm ich eine passive Ultraschallaktivierung der Spülflüssigkeiten vor. Schließlich führte ich die Obturation in der Schildertechnik durch, d. h.: warme vertikale Kompaktion von Guttapercha und Versiegelung mit einem Endo-Sealer (AH Plus, DENTSPLY DeTrey, Konstanz).

Ich nahm eine gründliche Reinigung der Zugangskavität vor (AH Plus Cleaner, DENTSPLY DeTrey, Konstanz; Abb. 3) und verschloss sie mit Komposit (SDR, DENTSPLY DeTrey, Konstanz). Die Diagnose (Abb. 4), die Kontrolle des Füllungsvorgangs (Abb. 5) und der Behandlungserfolg (Abb. 6) basierten, wie gewohnt, auf Röntgenaufnahmen bzw. sind in ihnen festgehalten.

Gleitpfad maschinell

Obwohl die Aufbereitung von Wurzelkanälen heutzutage in vielen Praxen unter Verwendung rotierender Nickel-Titan-Instrumente erfolgt, verwenden für die vorhergehende Anlegung des Gleitpfads selbst Spezialisten häufig noch Handfeilen. In diesem Fall habe ich komplett auf eine klassische, manuelle Aufbereitung mit Stahlinstrumenten verzichtet – und konnte zeigen: Selbst bei relativ komplexen Wurzelkanalsystemen führt dieses Vorgehen ohne Weiteres zum Erfolg.

Die Verwendung eines Ein-Feilen-Systems bedeutet dabei eine weitere Vereinfachung gegenüber den zuvor verfügbaren maschinengetriebenen Pathfiles. Damit wird der kritische Behandlungsschritt „Anlegen des Gleitpfads“ nicht nur schneller, sondern auch nochmals sicherer. Die im vorliegenden Fall eingesetzten Feilen weisen eine progressive Konizität auf und eignen sich selbst für stark gekrümmte Wurzelkanaleingänge.

Mehr Zeit

Der hier dargestellte Fall zeigt, wie viele andere, dass stets eine etwas großzügigere Präparation der Zugangskavität zu empfehlen ist. Das mag zwar für den einen oder anderen „gefühlt nicht minimalinvasiv“ sein, doch in der Endodontie zählt an dieser Stelle die gute Übersicht über die Kanaleingänge. Stellt der Hauszahnarzt dabei eine schwierige Anatomie fest, ist die Überweisung zum Spezialisten der beste Weg. Denn andernfalls kann es nicht nur eher zu Komplikationen (Stufen, Via falsa) kommen, sondern auch die Behandlungskosten steigen.

Bei der Aufbereitung des Gleitpfads bedeutet das in diesem Fall verwendete System ein stressfreies und schnelles Vorgehen – in der Regel ohne Komplikationen. Der Zeitvorteil lässt sich naturgemäß schwer beziffern. Im dargestellten Fall kam ich bei den drei Kanälen, die der Vorbehandler bereits eröffnet hatte, rasch zum Ziel. Der vierte Kanal stellte sich als eine komplexere Herausforderung dar. Bei ihm war nach einer ersten Aufbereitungsphase eine chemische Spülung vorzunehmen und ein nochmaliges Ansetzen nötig. Einen Anhaltspunkt für den Zeitvorteil liefern jedoch Labor-Vergleichstests und Einschätzungen von Kollegen [4]: Im Vergleich zur herkömmlichen Gleitpfadgestaltung mit Handfeilen verringere sich die Behandlungszeit um bis zu 40 Prozent.

Für die gesamte Behandlung benötigte ich in diesem Fall zwei Stunden – von der Trepanation bis zur Restauration mit Komposit. Sie erst stellt letztlich den Abschluss einer jeden endodontischen Therapie dar [5]. Das dabei verwendete fließfähige Material garantiert nach meiner Erfahrung einen blasenfreien Verschluss und eine sichere visuelle Dichtigkeitsprüfung. Ebenso bewährt hat sich in meiner Praxis die Aufbereitung mit rotierenden Nickel-Titan-Feilen aus einer speziellen Legierung (M-Wire). Alles aus einer Hand zu erhalten bedeutet für mich auch ein Plus beim Qualitätsmanagement von der Bestellung bis zur Entsorgung.

Fazit

Das Ein-Feilen-System zum Anlegen des Gleitpfads setze ich schon seit einem Jahr oft und gern ein. Eine ganze Reihe von Handinstrumenten lässt sich damit ersetzen. PROGLIDER ist in unserer Praxis fest an einen Motor angeschlossen, der schon seit vielen Jahren vorhanden ist – insofern im Betrieb ein geradezu anspruchsloses System. – Insgesamt bleibt festzuhalten, dass es ein geringeres Feilenverwechslungsrisiko bietet, einen geringeren Aufwand bei der Gleitpfadpräparation und somit mehr Zeit für die gründliche Spülung. Sie ist ihrerseits ein entscheidender Schritt, sogar der zeitaufwendigste. Daher ist jeder Zeitgewinn an anderer Stelle – z. B. bei der Gleitpfadaufbereitung – willkommen.

Dr. Vadim Konoval

studierte Zahnmedizin an der Universität Poltava, Ukraine, und ist seit 2010 niedergelassen in eigener „Praxis für Endodontie und Zahnerhaltung“ in Aachen.

Kontakt: praxis@endodontie-aachen.de