Universität Greifswald: Doch noch Hoffnung für die Kons?
Wenn sich 100 Hochschullehrer, die in Deutschland die Zahnerhaltung lehren, Sorgen um die Zukunft ihrer Fächergruppe machen, kann der Anlass kein geringer sein. Erstmals aufgeschreckt wurden die Universitären, als in Münster die Lehrstühle für Zahnerhaltung und Parodontologie „verschmolzen“ wurden. Echte Besorgnis macht sich allerdings breit, seit feststeht, dass der erfolgreiche C4/W3-Lehrstuhl für Zahnerhaltung in Greifswald mit dem Ruhestand von Prof. Georg Meyer im März in eine C3/W2-Oberarztstelle umgewandelt wird.
Die geplante Umwandlung des C4/W3-Lehrstuhls von Prof. Dr. Georg Meyer in eine befristete W2-Stelle mit Besetzung durch einen Oberarzt an der Universität Greifswald ist nicht nur nach Ansicht des Berufsverbandes der Allgemeinzahnärzte in Deutschland e. V. (BVAZ) „ein Schlag gegen die Zahnerhaltung“. Auch die Hochschullehrer der Zahnerhaltung und die Vereinigung der Hochschullehrer für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (VHZMK) halten die angekündigte Greifswalder Änderung für – vorsichtig formuliert – ausgesprochen unglücklich. „Die Zahnerhaltung sollte an jedem Standort mit einer W3-Stelle abgebildet sein“, zeigt sich Prof. Dr. Edgar Schäfer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ), in einem Gespräch mit dem DENTAL MAGAZIN überzeugt.
In ihrem traditionellen Januar-Meeting, wie immer ausgerichtet an der Universität in Mainz, stand bei den Hochschullehrern im Bereich der Zahnerhaltung das Thema „Greifswalder Lehrstuhl heruntergestuft“ im Brennpunkt. Das Ergebnis des Meetings: Einstimmig und ohne Enthaltung wenden sich die „Zahnerhalter“ an Deutschlands Hochschulen als Reaktion auf diesen Lehrstuhlverlust in einem Schreiben an den Greifswalder Dekan mit dem Appell, die W3-Stelle „Zahnerhaltung“ in Greifswald zu erhalten. Die Vereinigung der Hochschullehrer für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (VHZMK), der alle Hochschullehrer angehören, hatte sich bereits im November vergangenen Jahres, als die Greifswalder Ausschreibung publik wurde, besorgt über die geplante Entwicklung geäußert.
Ist Münster ein Trend?
Ist das Universitätsklinikum Münster tatsächlich „Trendsetter“ dieser Entwicklung, wie der BVAZ mit Blick auf die Zusammenführung der Lehrstühle Zahn‧erhaltung und Parodontologie auf einen gemeinsamen Lehrstuhl urteilt? „Nein“, stellt DGZ-Präsident Schäfer klar. „Das ist vereinfacht dargestellt. Die Entwicklung in Münster ist völlig anders zu bewerten als die in Greifswald.“
Hintergrund: Münster hatte bis zum Sommer 2015 zusätzlich zum Lehrstuhl Zahnerhaltung einen gesonderten Lehrstuhl für Parodontologie – ein „exotisches“ Konstrukt in der deutschen Hochschullandschaft. Nach dem Ausscheiden von Prof. Dr. Klaus Ott, der den Lehrstuhl für Zahnerhaltung innehatte, habe man aufgrund der vom Land geforderten Einsparung von W3-Stellen den gesonderten Lehrstuhl streichen müssen, erläutert Schäfer.
Nun gebe es in Münster, wie an allen anderen Standorten auch, einen Lehrstuhl Zahnerhaltung, in dem die vier Unterdisziplinen Parodontologie, Kariologie, Kinderzahnheilkunde und Endodontologie aufgehen.
Wer eine W3-Stelle Zahnerhaltung bekommt – also ein Parodontologe, Kariologe, Endodontologe oder Kinderzahnmediziner –, bleibt grundsätzlich der jeweiligen Hochschule überlassen. Schäfer: „Das ist völlig wertfrei, da gibt es keine Abstufung, jede der vier Unterdisziplinen kann selbstverständlich die Zahn‧erhaltung an einem Standort auf einer W3-Stelle abbilden.“
Dies bestätigt auch Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Hans Jörg Staehle, Ärztlicher Direktor der Poliklinik für Zahnerhaltungskunde der MZK-Klinik des Universitätsklinikums Heidelberg: „Wir betrachten uns als Fächergruppe, in der die Parodontologie, die Endodontologie, die präventive und die restaurative sowie die Kinderzahnheilkunde gleichberechtigt agieren. Insofern spielt es keine Rolle, aus welcher dieser Gruppen eine solche Stelle besetzt wird.“
Top im CHE-Ranking
Allerdings betont Staehle („Ich kenne die besonderen Umstände in Greifswald nicht und kann sie auch nicht bewerten.“) im Gespräch mit dem DENTAL MAGAZIN, dass die Zahnerhaltung grundsätzlich mit einer W3-Stelle besetzt sein und diese also auch in Greifswald beibehalten werden sollte.
Hört man sich in Greifswald um, überwiegt die Sorge um die Zukunft der Zahnerhaltung aufgrund des Wegfalls des C4/W3-Lehrstuhls. Fakt ist, dass die Hochschule unter ihrem noch bis März 2016 amtierenden Lehrstuhlinhaber Meyer Top-Werte etwa im CHE-Ranking erzielt. Für den Zeitraum 2015/16 etwa errichte die Zahnmedizin in mehreren Einzelkategorien Spitzennoten. Ausgewiesen wurden Top-Plätze in den Kategorien Gesamtstudiensituation, Abschluss in angemessener Zeit und bei der Anzahl der Behandlungsstühle.
Und auch im Bereich der Preise für wissenschaftliche Arbeiten räumt die Greifswalder Universität inzwischen kontinuierlich ab: So ging etwa der Miller-Preis der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) im November 2015 an Christiane Pink und Dr. Birte Holtfreter vom Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde in Greifswald. Ausgezeichnet wurden sie für ihre Arbeit, die den Einfluss der Entzündungswerte auf die Entwicklung und das Voranschreiten der Parodontitis nachwies (wir berichteten online).
Alles Gründe, die Sorgen bereiten.
Nicht nur in Greifswald stellt sich die Frage, warum ausgerechnet ein nachgewiesen höchst erfolgreicher Universitätsbereich nachhaltig durch den Verlust eines Lehrstuhls womöglich geschwächt wird. Denn die Folgen sind absehbar: Im latenten Kampf um universitäre Mittel dürfte die Greifswalder Zahnerhaltung an Gewicht verlieren. Ehrgeizige Nachwuchswissenschaftler orientieren sich um, folgen der künftigen Richtung der Fördergelder. Befürchtet wird in Greifswald sogar ein Personalabbau, der den Bereich am nachhaltigsten schwächen würde.
Eingeleitet und entschieden wurde diese Herabstufung bereits durch den damaligen Dekan und (nebenamtlichen) Vorstandssprecher Prof. Dr. Reiner Biffar. Der Prothetiker wurde im Sommer 2015 durch den Mathematik-Prof. Dr. Max Peter Baur abgelöst, der – auch auf Wunsch Biffars – als hauptamtlicher Vorstandssprecher aus Bonn in die Hansestadt in Mecklenburg-Vorpommern wechselte.
Kapazität unverändert
„In meiner ersten Fakultätssitzung haben wir nur noch über die Umsetzung der Entscheidung gesprochen“, erläutert Baur. Sein Vorgänger Biffar habe als Dekan besonnen und sehr verantwortlich gehandelt; dass Biffar Prothetiker sei, habe mit dieser Entscheidung nichts zu tun. Im Übrigen habe es keine Kapazitätsveränderung gegeben: Nach wie vor gebe es acht Professuren in der Greifswalder Hochschul-Zahnmedizin.
Ob sich die universitären Zahnerhalter (und die Allgemeinzahnärzte) Hoffnung machen können, dass nach fünf Jahren der kommissarischen Leitung durch Kocher in Greifswald wieder eine C4/W3-Professur installiert wird, beantwortet Baur sehr deutlich: „Die Fakultät hat das Recht, strategische Entscheidungen zu treffen. Wenn sich hier ein junger Mann profiliert und die Zahnerhaltung deutlich voranbringt, dann kann die Fakultät die bestehende ,Stellenhülse‘ wieder füllen.“

Prof. Dr. Edgar Schäfer
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ).
„Die Zahnerhaltung sollte an jedem Standort mit einer W3-Stelle abgebildet sein.“

Prof. Dr. Max P. Baur
Dekan der Universitätsmedizin Greifswald, seit Juni 2015 im Amt. „Wenn sich hier ein junger Mann profiliert und die Zahnerhaltung deutlich voranbringt, dann kann die Fakultät die bestehende ,Stellenhülse‘ wieder füllen.“

Prof. Dr. Georg Meyer
ist seit 1993 – und noch bis März 2016 – Direktor der Poliklinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und Endodontie der Universität Greifswald. Unter seiner Leitung sammelte die universitäre Zahnmedizin in Greifswald jüngst Bestnoten und anerkannte Preise.