DGZMK punktet mit Qualitätsförderung
Es ist keine leichte Zeit für eine DGZMK-Präsidentschaft: Die Universitäten sind chronisch unterfinanziert, Drittmittel müssen mit großem Aufwand akquiriert werden, die von den Praktikern erwünschten Leitlinien entpuppen sich als „schwieriges und langwieriges Geschäft“, und das Bemühen, mit der Medizin „auf Augenhöhe“ in der Gesundheitsversorgung zu arbeiten, hat noch einen langen Weg vor sich. Ein Gespräch mit Prof. Dr. Bärbel Kahl-Nieke.

Die Hamburger Kieferorthopädin Prof. Bärbel Kahl-Nieke steht als erste Frau nun seit einem Jahr an der Spitze der DGZMK. Sie folgte auf den Göttinger MKG-Chirurgen Prof. Henning Schliephake. Fotos: Schunk
Das Problem der Unterfinanzierung von Universitäten und fehlender Mittel für Forschung und Lehre drängt weiter. Ein wichtiger Schritt der DGZMK zur Verbesserung war die Gründung der Agentur für Wissenschaftsförderung in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Was kann die DGZMK noch mehr tun?
Kahl-Nieke: Es ist nicht die Aufgabe der DGZMK, die Unterfinanzierung an den Universitäten zu beheben oder zu kompensieren. Dies gehört in den Zuständigkeitsbereich der Länder und des Bundes. Auch die AWZMK wurde unabhängig von diesen nachhaltigen Finanznöten bzw. Verteilungsdysbalancen initiiert. Die AWZMK wurde gegründet, um mehr Forschungsförderung an die Universitäten zu bringen, im Sinne einer Beratungs- und Vermittlungsagentur. Indirekt also schon, um das Drittmittelbudget zu steigern, aber nicht, um „Löcher zu stopfen“, sondern um die deutsche Forschungslandschaft auf dem Gebiet der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde zu stimulieren. Darin sieht die DGZMK als Dachgesellschaft aller wissenschaftlichen Fachgesellschaften eine ihrer generischen Aufgaben.
Welche konkreten Fortschritte macht derzeit diese AWZMK?
Kahl-Nieke: Es hat sich gezeigt, dass sich die AWZMK nur selbst tragen kann, wenn sie neben der Beratung zu grundlagenwissenschaftlichen Forschungsanträgen auch bei Kooperationsprojekten in der anwendungsorientierten Forschung berät. Da gibt es eine Menge passender Förderprogramme, die für Entwicklungen gemeinsam mit der Industrie öffentliche Fördergelder bereitstellen, die allerdings kompetitiv vergeben werden und deswegen einer intensiven Betreuung bedürfen. Da hat Herr Langenbach im vergangenen Jahr viel Aufbauarbeit geleistet, um Akzeptanz bei Forschungseinrichtungen zu finden und Kontakte mit möglichen Kooperationspartnern aus der Medizintechnik zu knüpfen. Mittlerweile arbeitet die AWZMK schon mit einigen Zahnkliniken zusammen und hat mit mehreren Partnern Verträge aushandeln können. Viele Universitätskliniken tun sich allerdings mit der Rolle eines Förderberaters noch schwer, so dass auch auf dieser Ebene noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden muss.
Durch Dienstleistungsaufträge und einen ersten bewilligten Antrag mit einer größeren Fördersumme sind aktuell die ersten Projekte für die beteiligten Institutionen erfolgreich gestartet. Aufgrund des neuen Außenauftritts und der Erfahrungen, die Herr Langenbach im ersten Jahr gesammelt hat, verzeichnet die Agentur aktuell auch eine zunehmende Anzahl an Beratungsanfragen und Auftragseingängen. Einige in der Ausarbeitung und der Begutachtung befindliche Anträge werden hoffentlich bald zu weiteren Drittmitteleinnahmen in der Zahnmedizin führen.
Aber die AWZMK sucht natürlich weiter nach interessanten Projekten und bietet allen wissenschaftlich aktiven und interessierten Partnern ihre Dienste an.
Eine der Kernaufgaben der DGZMK ist die Erstellung von Leitlinien. Wie ist da der Stand?
Kahl-Nieke: Nach drei Jahren Leitlinienmanagement im Rahmen meiner Aufgaben als Präsidentin elect und einem weiteren Jahr im Rückblick als Präsidentin, kann ich übergeordnet sagen, dass es ein schwieriges und langwieriges Geschäft ist. Wir haben in den letzten vier Jahren viel geschafft, aber wegen der „Verfallsdaten“ der Leitlinien stehen inzwischen schon wieder einige der zur Verfügung stehenden Klassiker zur Aktualisierung an, so z. B. die Fissuren- und Grübchenversiegelung für 2015. Insgesamt sind zurzeit 16 Leitlinien mit zahnärztlichen und zahnärztlich-medizinischen Handlungsempfehlungen im Angebot und von den elf angemeldeten Projekten sollen drei noch in diesem Jahr und fünf weitere in 2015 fertiggestellt werden. Wir sind also gut aufgestellt und darüber hinaus sind wir dabei, ein Leitlinienarchiv zunächst auf unserer Homepage und im nächsten Jahr dann auch auf unserer Wissensplattform owidi einzurichten.
Auch personell können wir nun mit Frau Dr. Silke Auras (leitlinien@ dgzmk.de) als Kollegin und Expertin auf dem Gebiet der Gesundheitssystemforschung sowie des Qualitätsmanagements Kontinuität und Nachhaltigkeit gewährleisten.
Welche Wertigkeit hat für Sie das Zusammenspiel von Zahnmedizin und Medizin, und welche Ziele stecken Sie sich in dieser Frage?
Kahl-Nieke: Zahnmedizin und Medizin sind Partner. Die Partnerschaft beginnt im Studium, auch im Rahmen unserer Approbationsordnung, und wird im NKLZ – dem nationalen kompetenzbasierten Lernzielkatalog – für Lehrende und Lernende intensiviert und optimiert. Eines meiner nachhaltigen Ziele ist es, die jungen Leute, zunächst die Studierenden und dann die frisch Approbierten, davon zu überzeugen, dass sie für den Erhalt von Zahn- und Mundgesundheit und für die Wiederherstellung derselben verantwortlich sind als Zahnärztinnen und Zahnärzte und dass sie dieser Verantwortung nur gerecht werden, wenn sie inter- bzw. multidisziplinär „ticken“ und kooperativ ihren Aufgaben nachkommen. Fachspezifisch gibt es da keine Tabus und keine Ausnahmen, ob es um Parodontologie und Kardiologie oder, um ein Bespiel aus meinem Interessensspektrum zu nennen, um Kieferorthopädie und Rheumatologie geht. Mit unseren Kongressthemen des Deutschen Zahnärztetags in den letzten Jahren und besonders auch in diesem Jahr haben wir die Notwendigkeit für diese Zusammenarbeit mehr als deutlich fokussiert. Ein inhaltliches Ziel über die Ausbildung hinaus ist es, die zahnärztliche Prävention über die gravierenden bis zum Teil sogar lebensbedrohlichen medizinischen Folgen in der Bevölkerung bewusst zu machen.
Ihr Amtsvorgänger, Prof. Dr. Dr. Henning Schliephake, hat auf dem DZÄT 2013 mit Blick auf das Verhältnis zur Industrie strikte Neutralität und Wissenschaftlichkeit bei Kooperationen angemahnt. Wie ist dazu Ihre Einstellung?
Kahl-Nieke: Ja, er hat es wunderbar auf den Punkt gebracht in der Paulskirche. Die Wissenschaft hat ihre Daseinsberechtigung in einer Conflict-of-Interest-freien Überprüfung von Zusammenhängen bzw. Abhängigkeiten Medikamente, Techniken, Hard- und Software betreffend. Die Zahnärzte- und Ärzteschaft muss sich sicher sein können, dass Forschungsergebnisse neutral entstanden und so belastbar sind zum Wohle der Patientinnen und Patienten. Kooperationen sind nötig und wertvoll, um insbesondere auch klinische Forschung zu betreiben, aber selbstverständlich ergebnisoffen.
Ab 2015 sind der Deutsche Zahnärztetag und die KZBV-Vertreterversammlung sowie die Bundesversammlung der BZÄK getrennt. Ursprünglich sollte der gemeinsame Termin mehr mediale Aufmerksamkeit wecken. Befürchten Sie nun künftig „Einbußen“?
Kahl-Nieke: Nein. Der Deutsche Zahnärztetag als Marke und als größtes gemeinsames Event der Zahnärzteschaft hat sich eine belastbare und nachhaltige Position in der zahnärztlichen Community ebenso wie in der gesundheitspolitischen Wahrnehmung erarbeitet. Wenn man die Teilnehmerzahlen anschaut, sprechen diese Bände, insbesondere im Vergleich zu den Jahren vor 2010. Die Themen fokussieren jedes Jahr auf Multidisziplinarität und die oben schon angesprochene Kooperation mit der Medizin, ebenso haben sie den Lebenszyklus und andere gesellschaftliche Entwicklungen stets berücksichtigt. Wir punkten medial nicht mit der Tatsache, wer sich wann und wo zu Versammlungen trifft, sondern mit unseren gemeinsamen qualitätsfördernden Aktivitäten. Dies werden wir auch 2015 und in den folgenden Jahren entsprechend handhaben und kommunizieren. Mit dem neuen Konzept „Berufspolitik tagt zeitversetzt“ wird es erstmals ab 2015 möglich, dass die Vertreter von KZBV und BZÄK auch an der inhaltlichen Qualitätsdebatte teilnehmen können. Ich denke, es wird die wissenschaftliche Diskussion bereichern, wenn klinische Machbarkeit und Versorgungsalltag ins Spiel gebracht werden.
Also, wir freuen uns für den Gemeinschaftskongress 2015, der unter dem Motto „Update 2015 – klinisch relevant, kritisch betrachtet, konstruktiv diskutiert“ stattfinden wird, auf die neue 3D-Reflexion der von den Fachgesellschaften gewählten Themen (erste Vorankündigung auf dem Deutschen Zahnärztetag 2014).