Allergiepatienten: Das gibt es zu beachten
15 Prozent der Deutschen leiden unter Allergien. Die schlimmste Ausprägung einer allergischen Reaktion – der anaphylaktische Schock – ist zwar selten, aber potenziell tödlich und bedarf sofortiger Notfallmaßnahmen. Worauf Zahnärzte bei Allergiepatienten achten müssen, beschreibt Dr. Matthias Tröltzsch im Dental Online College.
Allergie ist nicht gleich Allergie – das schickt Dr. Matthias Tröltzsch gleich vorweg. Es gibt mehrere Allergietypen, aber nur zwei davon spielen in der Zahnarztpraxis eine Rolle.
Die allergische Typ-IV-Reaktion tritt vorrangig als Kontaktdermatose auf. Sie ruft unangenehme bis quälende, aber nicht lebensbedrohliche Symptome der Haut hervor. Hauptauslöser in der zahnärztlichen Praxis sind Polymethylmethacrylate und Latex.
Der akut gefährlichere Allergie-Typ ist die Soforttyp-Reaktion (Typ I). Die häufigsten Auslöser im zahnmedizinischen Umfeld sind Natriumdisulfide (Antioxidantien in Lokalanästhetika), Penicilline und Nickel. Die Symptome reichen von Unruhe und Kopfschmerzen über Übelkeit und Atembeschwerden bis hin zum anaphylaktischen Schock.
Anaphylaktischer Schock
Glücklicherweise ist der anaphylaktische Schock ein seltenes Ereignis. Falls Ihr Patient aber z. B. nach der Injektion des Lokalanästhetikums über Hitzegefühl berichtet oder über leichte Übelkeit, sollte man hellhörig werden: Tröltzsch rät, die Behandlung kurz zu unterbrechen, den Patienten zu beruhigen und seinen Pulsschlag zu überprüfen. Geht es ihm besser, kann die Behandlung fortgesetzt werden. Doch es ist Vorsicht geboten.
Die ersten Symptome – selbst wenn sie harmlos wirken – erlauben noch keinen Rückschluss auf den Verlauf: Auch aus einem leisen Beginn heraus kann sich ein fulminanter anaphylaktischer Schock entwickeln.
Im Zweifel empfiehlt der Experte, sich ohne Zögern Hilfe zu holen: Alarmieren Sie den Notarzt und machen Sie sich selbst für jene Notfallmaßnahmen bereit, die Sie leisten können. Das sind neben dem Legen eines i.v.-Zugangs die Gabe von Volumen (kristalloide Lösungen wie Natriumchlorid) und Antihistaminika. Und sollten Sie den Verdacht haben, dass Atmung oder Herzschlag aussetzen: Beginnen Sie mit der Reanimation lieber zu früh als zu spät.
Allergie oder nicht Allergie?
Symptome an der Mundschleimhaut werden von Patienten häufig als Allergie interpretiert und dem Zahnarzt präsentiert. Tröltzsch zeigt in seinem Vortrag klinische Bilder vermeintlich allergischer Reaktionen und stellt differentialdiagnostische Überlegungen dazu vor. Mundschleimhauterkrankungen wie der Lichen planus mit seiner bukkalen Wickham-Streifung, die Lingua geographica oder auch mechanisch gereizte Schleimhautareale sind von mukosal sichtbaren Sofortreaktionen einer Allergie oft nur schwer zu unterscheiden.
Anamnese als Prophylaxe
In den meisten dokumentierten Fällen war die allergische Reaktion in der Zahnarztpraxis nicht das erste allergische Ereignis bei dem Patienten. Die beste Prophylaxe sind deshalb die gründliche Anamnese und der Blick in den Allergie-Pass des Patienten. Der Tipp des Experten: Denken Sie an Kreuzallergien auf Substanzen aus der gleichen Stoffklasse, etwa Ampicillin und Penicillin. Allergien sind keine angeborenen, sondern aufgrund von Disposition und Exposition im Laufe des Lebens erworbene Erkrankungen. Deshalb sollten auch langjährige Patienten immer mal wieder ins Screening einbezogen werden.
Dr. Markus Bechtold studierte Zahnmedizin in Würzburg und ist seit 2009 wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie in Würzburg und Prüfarzt für klinische Studien. 2011 begann er als Redakteur und Referent beim Dental Online College, seit 2012 ist er Chefredakteur.
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