Prerinse in COVID-19-Zeiten

Wirkung von Chlorhexidin CHX 0,2 % gegen Coronaviren

Im Zuge der Covid-19-Pandemie ist neben vielen anderen Themen in der Zahnmedizin auch die Schleimhautantiseptik vor der zahnärztlichen Behandlung (das sogenannte „Prerinse“) in den Fokus gerückt. Es gibt eine große Unsicherheit in Bezug darauf, welche Mundspüllösung die Richtige ist, u.a. wird vorgeschlagen, dass Chlorhexidin durch Wasserstoffperoxid (H2O2) ersetzt werden sollte. Eine weitere Empfehlung lautet, dass sogar Beides zur Spülung zu verwenden ist. Um den Patient*innen eine optimale Therapie zu gewähren, empfiehlt die Expertin für Parodontologie und Mundhygiene Prof. Dr. Nicole Arweiler, Universität Marburg (UKGM), die vorhandene Datenlage differenziert zu betrachten.


CHX gegen Corona

Es gibt aktuell keine Belege, dass Wasserstoffperoxid als Corona-Schutzmaßnahme besser zur Mundspülung geeignet ist als Chlorhexidin CHX 0,2 %. | © zoranm – istockphoto.com


Im Zusammenhang mit neu publizierten Empfehlungen verschiedener Institutionen in Fachmedien wird der bisherige Goldstandard zur Spülung vor einer zahnärztlichen Behandlung, 0,2-prozentiges Chlorhexidin (CHX), in Frage gestellt. Als Begründung für die Empfehlung mit Wasserstoffperoxid – bzw. aufeinanderfolgend mit CHX und H2O2 zu spülen – wird angeführt, dass sich CHX als nicht so wirksam gegen Coronaviren zeige. In den meisten Veröffentlichungen wird – wenn überhaupt – ein Artikel im „Journal of Hospital Infection“ als Quelle genannt.1

Oberflächendesinfektion vs. antiseptische Wirkung im Mundraum

Um in der Praxis sowohl dem Patienten als auch dem Team eine optimale Keimzahlreduktion zu ermöglichen, sollten gemäß Arweiler dazu die nachfolgenden Aspekte berücksichtigt werden. Im zitierten Artikel1 wird die desinfizierende Wirkung von Oberflächen-Desinfektionsmitteln (inanimate surfaces) untersucht, nicht die intraorale Schleimhautantiseptik. Diese wird im genannten Artikel gar nicht berücksichtigt. Hintergrund des Artikels ist also die Desinfektion des zahnärztlichen Equipments, bei dem sich H2O2 als effektiver gegenüber Coronaviren als Chlorhexidin gezeigt hat. Produkte, die zur Desinfektion von Equipment geeignet sind, können aber nicht automatisch auch zum Spülen im Mund verwendet werden. Weiterhin sollte berücksichtigt werden, dass in der Untersuchung des zitierten Artikels ein 0,02-prozentiges CHX verwendet wird. Nur diese Dosierung wird für Flächen als weniger effektiv als H2O2 bewertet.1 Die in der Praxis bewährte Mundspüllösung CHX 0,2 % (wie z. B. in meridol med CHX 0,2 %) zur Schleimhautantiseptik basiert auf einer 0,2-prozentigen, also 10-fach höheren, CHX-Dosierung.

Seriosität der Quellen anzweifelbar

Teilweise wird in der Diskussion um die (geringere) Wirkung von CHX gegen Coronaviren auch eine Untersuchung genannt, in dem als Quelle die „Guideline der Volksrepublik China“ aufgeführt wird.2 Man zitiert hier „Chlorhexidin tötet 2019-CoV möglicherweise nicht wirksam ab“ und empfiehlt stattdessen „1 % H2O2 oder 0,2 % Povidon-Jod“. Allerdings ist diese Quelle nicht abrufbar.

Was die Anwendung von H2O2 als Mundspüllösung betrifft, wurde dagegen in früheren Untersuchungen die krebserregende Wirkung von Wasserstoffperoxid in Mundspüllösungen festgestellt.3 In der S3-Leitlinie der Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK)4 kommt beispielsweise H2O2 gar nicht vor. Auch ein aktueller Artikel mit Wissen und Empfehlungen rund um Covid-195 empfiehlt im Kapitel zur intraoralen Untersuchung (Oral Examination) grundsätzlich das präoperative, antimikrobielle Spülen der Mundhöhle und verweist auf frühere Publikationen, wie zum Beispiel von Marui et al. 6 Dort werden dann explizit Chlorhexidin (CHX), Cetylpyridnium chlorid (CPC) und ätherische Öle (EO) genannt, H2O2 findet auch dort keine Erwähnung.

In diesem Zusammenhang konnte auch für bestimmte alkoholhaltige Mundspüllösungen keine bessere antibakterielle Wirkung als für alkoholfreie CHX-Produkte gezeigt werden.7

Fazit

Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass sich keine der bisher bekannten neuen Untersuchungen im Zusammenhang mit der Wirkung von Chlorhexidin auf SARS-CoV-2-Viren (Corona) auf die Anwendung in der Mundschleimhaut beziehen. Gleichzeitig wird in Untersuchungen, die sich mit der Schleimhautantiseptik befassen, weder H2O2 noch Jodid empfohlen.

Wenn bewährte Wirkstoffe für das präoperative Spülen durch andere, möglicherweise stärker antivirale, Wirkstoffe ersetzt werden sollen, dann müsste zwingend auch auf die Verträglichkeit und Nebenwirkungen in der Mundhöhle geachtet werden. Was sich experimentell oder auf „unbelebten Oberflächen“ als wirksam erweist, kann nicht ohne weiteres auf Mundschleimhautoberflächen benutzt werden. Bis die Studienlage eine andere Aussage zulässt, ist die Empfehlung der Expertin daher die weitere Verwendung von 0,2-prozentigem Chlorhexidin, wie beispielsweise in meridol med CHX 0,2 %, als Mundspüllösung, vor der zahnärztlichen Behandlung.

 

Quelle: CP GABA


Literatur

1 Kampf et al., „Persistence of coronaviruses on inanimate surfaces and their inactivation with biocidal agents”, J of Hosp Infect 104, 2020
2 Peng et al., Transmission routes of 2019-nCoV and controls in dental practice”, Int J Of Oral Sci, 2020
3 Alberto Consolaro, “Mouthwashes with hydrogen peroxide are carcinogenic…”, Dental Press J. Orthod. vol.18 no.6 Maringá, Nov./Dec. 2013
4 Auschill, Sälzer, Arweiler et al., S3-Leitlinie „Häusliches chemisches Biofilmmanagement in der Prävention und Therapie der Gingivitis“, AWMF-Registernummer: 083-016, November 2018


Die Expertin

Prof. Dr. Nicole Arweiler

© Silvia Kriens

Prof. Dr. Nicole Arweiler

Direktorin der Abteilung für Parodontologie der Philipps-Universität Marburg