Frontzahnrestauration leicht gemacht
Direkte Versorgungen im Front- und Seitenzahnbereich sollten sich für Zahnarzt und Patient möglichst unkompliziert, zuverlässig und funktionell einwandfrei gestalten lassen. Die Versorgung kariöser Läsionen unterliegt dabei jedoch gleichsam dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit. Bei dem neuartigen thermoviskosen Komposit VisCalor sind in diesem Zusammenhang die idealen Verarbeitungseigenschaften im Rahmen von Adaptation und Modellierung besonders hervorzuheben.
Schwer zugängliche Kavitäten oder tiefe Präparationen lassen sich besonders mit thermoviskosen Kompositen minimalinvasiv versorgen, wobei auch ästhetische Versorgungen im anterioren und posterioren Bereich, wie bei der Frontzahnrestauration, problemlos realisierbar sind. VisCalor ergänzt die bisherige thermoviskose Variante VisCalor bulk, die durch die höhere Transluzenz in ästhetischen Zonen mitunter ihre Grenze findet.
Frontzahnrestauration: Der konkrete Fall
Ein 68-jähriger männlicher Patient erschien zur jährlichen Routineuntersuchung. Bei ansonsten klinischer Unauffälligkeit äußerte der Patient den Wunsch nach einer möglichst schnellen Neuversorgung aus ästhetischen Gründen der laut Anamnese bereits 20 Jahre alten Frontzahnversorgungen im Oberkiefer. Es wurden verschiedene Behandlungsalternativen mit dem Patienten diskutiert. Von einer prothetischen Rehabilitation mit indirekt hergestellten keramischen Kronen oder Veneers wurde aufgrund der geringen Substanzdefekte abgeraten. Hingegen hat sich eine direkte konservierende Therapie mit dem neuartigen Nano-Hybrid Komposit VisCalor unter Zuhilfenahme der Thermo-Viscous-Technology (TVT) als bestmögliche Lösung angeboten. Die Erwartungen des Patienten nach einer schnellen, kostengünstigen aber dennoch ästhetischen Langzeitversorgung können somit ebenfalls berücksichtigt werden.
Befund und Diagnose
Klinisch imponierten bei den Zähnen 13 bis 23 insuffiziente Kompositfüllungen mit Randspaltbildung und Verfärbungen an den Übergängen (Abb. 1). Es lagen altersbedingt bei reizloser Gingiva geringgradige vestibuläre Rezessionen vor. Alle Zähne waren bei einem Lockerungsgrad I vital und perkussionsunempfindlich. Lediglich Zahn 11 wurde vor ca. zwei Jahren fixiert und mit einer palatinal befestigten Schienung (GrandTEC-Glasfaserstrang, VOCO GmbH, Cuxhaven) mit Zahn 21 adhäsiv verblockt. Es wurde nach einem eingehenden Aufklärungsgespräch über die anstehenden adhäsiven Kompositrestaurationen mit dem Patienten ein Behandlungstermin vereinbart.
Therapie
Zunächst wurde das Komposit VisCalor (Farben A1, A2, A3, A3.25 und B1) in den Caps sowie Futurabond U als Universalbonding (VOCO GmbH, Cuxhaven) für die Anwendung am Patienten vorbereitet. Da im vorliegenden Fall zur Erzielung eines bestmöglichen Ergebnisses in der ästhetischen Zone mit Mehrfarbentechnik gearbeitet werden sollte, kamen sowohl der Caps Warmer als auch der VisCalor Dispenser (VOCO GmbH, Cuxhaven) zum Einsatz (Abb. 2).
Nach erfolgter Infiltrationsanästhesie wurden die Oberflächen der zu versorgenden Zähne mit der fluoridfreien Prophylaxepaste Cleanic (KERR GmbH, Biberach) gereinigt. Danach konnten die vorhandenen Füllungen und alle kariösen Areale unter relativer Trockenlegung minimalinvasiv mit Diamant- und Rosenbohrer entfernt und die Kavitäten exkaviert werden (Abb.3). Die Zahnfarbe wurde am feuchten Zahn bereits vor dem Anlegen des Kofferdams ermittelt.
Die absolute Trockenlegung mithilfe eines Kofferdams, Ligaturen und Wedges erfolgte dergestalt, dass das Risiko der Traumatisierung der Gingiva möglichst gering gehalten werden konnte (Abb. 4). Auf die ausreichende Möglichkeit der uneingeschränkten Nasenatmung wurde während der Füllungstherapie geachtet. Das Arbeitsfeld war konstant gegen Kontamination isoliert. Zum Schutz der Pulpa wurde im Rahmen einer indirekten Überkappung an Zahn 23 Kerr Life (KERR GmbH, Biberach) in die Kavität über dem Pulpendach appliziert (Abb. 4).
Im Schmelz-/Dentinbereich konnte nachfolgend des Weiteren die Total-Etch-Technik angewendet werden. Hierbei wurde die 35 %ige Phosphorsäure in Gelform (Vococid, VOCO GmbH, Cuxhaven) zunächst für 15 Sekunden auf den Schmelz und dann für weitere 15 Sekunden ergänzend auf die Dentinareale aufgetragen (Abb. 5).
Es folgte das Absprühen der Phosphorsäure und herausgelösten Bestandteile mit einem Luft-Wasser-Gemisch für 20 Sekunden. Anschließend wurden die Kavitäten mit ölfreier Druckluft vorsichtig getrocknet (Abb. 6).
Um möglichst hohe Haftwerte an Schmelz und Dentin für einen dauerhaften randspaltfreien Verbund zwischen Hartsubstanz und Komposit erzielen zu können, wurde das dualhärtende Futurabond U in der SingleDose-Variante verwendet. Hierzu wurde es zunächst aktiviert, durchmischt, aufgetragen und anschließend mit dem Microbrush für 20 Sekunden in die Zahnhartsubstanz einmassiert (Abb. 7).
Durch die Total-Etch-Technik können im Vergleich zur Self-Etch-Technik nachweislich höhere Haftwerte erzielt werden [Ahmed et al., 2018; Torres, 2013]. Nach dem Trocknen des Lösungsmittels mit ölfreier Luft für 5 Sekunden wurde der Haftvermittler für 10 Sekunden mit der Polymerisationslampe lichtgehärtet (Abb. 8). Die nach der Polymerisation in die Dentinkanälchen hineinragenden Tags (Harzzapfen) tragen zur Adhäsion bei und reduzieren postoperative Sensitivitäten [Toshniwal et al., 2019; VOCO GmbH, 2017].
Bevor das Komposit in die Kavität eingebracht wird, muss die flächige und lückenlose Benetzung der Kavität mit dem Bonding durch ihren signifikanten Glanz überprüft werden. Um postoperative Sensivitäten zu vermeiden, ist bei Bedarf an matten und freien Stellen der Vorgang mit dem Bonding zu wiederholen.
Zur Applikation von VisCalor wurde in diesem Fall mit dem Caps Warmer und ergänzend mit dem VisCalor Dispenser gearbeitet. Der Caps Warmer wurde auf die Temperaturstufe von 68 °C circa 30 Minuten vor Beginn der Applikation aufgeheizt. Der Caps Warmer ermöglicht das Erwärmen von vier einzelnen Kapseln gleichzeitig sowie von zwei Handinstrumenten. Entsprechend wurden die benötigten Caps mit den Farben A1, A3, A3.5 und B1 für 3 Minuten vor der Applikation im Caps Warmer erwärmt.
Die Einstellung für VisCalor im Programm 1 beträgt 30 Sekunden, so dass mit dem VisCalor Dispenser das erwärmte Material im Caps bereits schon nach kurzer Zeit zur Verarbeitung bereitsteht. Die schmale Spitze des Caps lässt eine zielgerichtete, exakte und punktgenaue Applikation zu. Die Verwendung des Dispensers ermöglicht zügig eine erste Schicht im Sinne einer Grundlage, auch in mehreren Kavitätenböden (Farbe A3). Für die weitere individuelle Schichtung wurde dann mit ergänzenden Farben aus dem Caps Warmer gearbeitet, um ein bestmögliches ästhetisches Ergebnis erzielen zu können. Die maximale Schichtstärke beträgt bei VisCalor 2 mm.
Das erwärmte Material weist eine optimale Applikation und Adaptation in der Tiefe der Kavität auf, so dass auf einen Liner oder ein Flow-Komposit verzichtet werden kann. Nach dem Abkühlen weist VisCalor darüber hinaus eine hervorragende Modellierbarkeit auf (Abb. 10).
Die Lichthärtung erfolgte mit einer handelsüblichen Polymerisationslampe (1200 mW/cm2) für je 10 Sekunden, wobei das Lichtaustrittsfenster so nah wie möglich an der Kompositoberfläche positioniert werden sollte.
Nach kompletter Füllungslegung und -polymerisation in Mehrschicht- und Mehrfarbentechnik wurde die Gestaltung der Restaurationen in ihrer Form und Oberfläche überprüft, da ein Nachlegen von Komposit nach Entfernung des Kofferdams in jedem Fall vermieden werden sollte (Abb. 11).
Die Ausarbeitung erfolgte zunächst mithilfe von rotierenden Rotring- und Gelbring-Diamanten. Die Politur wurde anschließend mit hochflexiblen Polierscheiben und -streifen mit grober bis extrafeiner Körnung (Super-Snap, SHOFU Dental GmbH, Ratingen) durchgeführt. Hierbei wurden ebenso die Okklusion und Artikulation überprüft (Abb. 12 u. 13).
Für die Hochglanzpolitur kamen die diamantimprägnierten Polierer Dimanto (VOCO GmbH, Cuxhaven) bei einer Drehzahl von 5000 U/min unter Wasserspraykühlung und reduziertem Anpressdruck zur Anwendung. Final wurden die Zähne mit der Polierpaste CleanJoy fein (VOCO GmbH, Cuxhaven) ebenfalls nur unter leichtem Anpressdruck poliert (Abb. 14).
Ergebnis der Frontzahnrestauration
Das Endergebnis der Frontzahnrestaurationen im vorliegenden Behandlungsfall ist äußerst zufriedenstellend (Abb. 15). Die Ausgangssituation vor Beginn der Behandlung zeigte insuffiziente und verfärbte Füllungen im Bereich der Zähne 13 bis 23 auf. Durch die Wahl des neuartigen Kompositmaterials VisCalor und mithilfe der Thermo-Viscous-Technology (TVT) konnte eine hochästhetische und substanzschonende Rehabilitation direkt und in nur einer Sitzung erreicht werden. Der Vergleich der Vorher-Nachher-Situation zeigt eine deutliche Verbesserung in Form und Farbe. Es zeigt sich direkt nach Hochglanzpolitur und Fluoridierung mit Bifluorid 10 (VOCO GmbH, Cuxhaven) ein individuelles, ästhetisches und natürliches Erscheinungsbild.
Diskussion
Der Grundgedanke für die anstehende Behandlung war einerseits minimalinvasiv zu arbeiten und andererseits möglichst nur ein Kompositsystem verwenden zu müssen, ohne die separate Anwendung von Linern oder Flow-Kompositen, wie bei tiefen Kavitäten üblich. Auch der Wunsch des Patienten nach einer schnell zu realisierenden, wirtschaftlichen und „unsichtbaren“ ästhetischen Lösung sollte hinreichend berücksichtigt werden.
Die Thermo-Viscous-Technology (TVT) ermöglicht durch die Erwärmung des Materials auf etwa 68 °C im Vergleich zur Verwendung herkömmlicher Komposite eine optimale Applikation und Adaptation eines zunächst fließfähigen und danach stopfbaren Füllungsmaterials [Braun, 2019; Yang et al., 2020]. Dabei sind sowohl die Veränderung der Materialeigenschaften als auch der thermische Einfluss auf Zahn und Pulpa als unbedenklich zu bewerten, wie die Untersuchungen ergeben haben. Durch den natürlichen Blutfluss erreicht die Wärme das Pulpagewebe nur minimal [VOCO, 2019].
Das Material ist für alle Indikationen im anterioren, posterioren und auch im ästhetischen Bereich geeignet. Es weist die kombinierten Eigenschaften des Fließverhaltens eines Flow-Komposites direkt bei Applikation, mit der Modellierbarkeit eines stopfbaren Komposites nach kurzer Abkühlphase auf Körpertemperatur auf. Dadurch nimmt es die Stellung eines universell einsetzbaren Komposites ein und ist im Besonderen sowohl bei untersichgehenden und sehr tiefen Kavitäten als auch bei optisch bzw. manuell schwer zugänglichen Kavitäten indiziert [Federlin et al, 2017; [Manhart et al, 2017]. Wegen des initial gesteigerten Fließverhaltens kann aufgrund der reduzierten Viskosität auf einen Liner in Form eines Flow-Composites verzichtet werden. Auch die minimalinvasive Zahnheilkunde wird durch die besonderen Eigenschaften des Materials unterstützt.
Wichtige Aspekte bei der Verwendung eines Komposites im Rahmen der Füllungstherapie stellen eine leichte Verarbeitung und die stets reproduzierbare Verwendung im Sinne einer Fehlervermeidung sowie ein möglichst geringer materieller und zeitlicher Aufwand dar. VisCalor weist im Vergleich mit 1,4 % eine sehr geringe Schrumpfung auf, wodurch ein Langzeiterfolg und die Vermeidung von Microleakages gegeben sind. Die hervorragende Modellierbarkeit und Adaptation sowie die einfache Polierbarkeit des Materials ermöglichen ein angenehmes Handling und tragen zu einer ästhetisch durchaus vorzeigbaren Restauration bei. Der minimale zeitliche und organisatorische Mehraufwand für Füllungen mit einem thermoviskosen Komposit ist im Vergleich zu der herkömmlichen adhäsiven Komposit-Technik unerheblich [Manhart et al, 2021; Gernhardt et al, 2020], da es durch den Wegfall der Komponente des separaten Flow-Komposits oder Liners mehr als nur kompensiert wird. Sowohl mit dem Caps Warmer, der besonders bei Anwendung der Mehrfarbentechnik zu empfehlen ist, als auch dem VisCalor Dispenser, beispielsweise für Bulk-Füllungen, stehen sowohl zwei unterschiedliche Möglichkeiten als auch eine zusätzlich zeitsparende Möglichkeit der Erwärmung von Kompositen zur Verfügung.
Fazit zur Frontzahnrestauration
Der Patient war mit dem Ergebnis und der Ästhetik ebenfalls sehr zufrieden, da gleichsam hoher Zeitaufwand und kostenintensive Maßnahmen vermieden werden konnten. Die exzellenten physikalischen Eigenschaften werden zum Langzeiterfolg der Restauration und damit zur lang andauernden Zufriedenheit des Patienten beitragen.
Das neue VisCalor ist nach Auffassung des Autors besonders empfehlenswert, da es sich um ein anwenderfreundliches, effizientes und ästhetisches Material handelt. Die Kosten-Nutzen-Analyse fällt durch Zeit- und Materialersparnis deutlich zugunsten des Nutzens aus. Der Mehrwert liegt darüber hinaus in der einfachen Applikation und Modellierbarkeit des Materials. Die Materialeigenschaften von VisCalor erfüllen alle Erwartungen an ein hochmodernes Füllungskomposit.
Der Experte
Dr. Hanke Faust
Zahnarzt und Zahntechniker, niedergelassen in eigener Praxis in Otterndorf
drhankefaust@aol.com