Eigenblutpräparate in der Zahnarztpraxis
Eigenblutpräparate erlauben auf einfachste Art, die natürliche Regeneration zur Herstellung biologischer Gewebe zu nutzen. Die regenerativen Eigenschaften von Biomaterialien, Knochenersatzmaterialien und Membranen lassen sich mit der Matrix verstärken. Die Basis solcher Konzepte ist die Konzentration peripheren Bluts durch Zentrifugation. Was muss die Zentrifuge dafür „können“, und welche rechtlichen Voraussetzungen müssen erfüllt sein?
Lassen sich Eigenblutpräparate mit jeder Zentrifuge herstellen, oder braucht es eine speziell für Zahnarztpraxen zugelassene Zentrifuge?
Rocker: Zum einen muss das Gerät die technischen Parameter des gewünschten medizinischen Protokolls erfüllen. Bei einigen Geräten sind die Parameter einstellbar, das Gerät ist also offen für alle Protokolle, bei anderen fest vorprogrammiert und einem Protokoll zugeordnet. Zum anderen muss der Anwender eines Medizinprodukts auf dessen Zweckbestimmung achten. Wichtig zu wissen in diesem Zusammenhang ist, dass der Hersteller die Einordnung der Zentrifuge als Medizinprodukt durch die Zweckbestimmung, die sich aus der Kennzeichnung, der Gebrauchsanweisung und den Werbematerialien ergibt, festlegt. Ebenso ist der Hersteller verantwortlich für die Klassifizierung des Produkts, die nach den Klassifizierungsregeln des Anhangs IX der EU-Richtline 93/42/EWG erfolgen muss. Die Art der Verwendung der Zentrifuge muss also von der deklarierten Zweckbestimmung des Geräts abgedeckt sein. Unabhängig davon muss man grundsätzlich beachten, dass sich die Zentrifugalkraft und die Dauer des Prozesses auf die Qualität und die Quantität der Fibrinmatrizes auswirken.
Gibt es Unterschiede zwischen Labor- und Praxiszentrifugen?
Rocker: Die Begriffe Labor- und Praxiszentrifuge werden oft fälschlich gebraucht und missverstanden. Es gibt verschiedene Zulassungen/Medizinprodukteklassen für die jeweiligen Produkte. Die Zulassung/Medizinprodukteklasse der Zentrifuge richtet sich, wie bereits gesagt, nach der vom Hersteller festgelegten Zweckbestimmung. Mit der „Laborzentrifuge“ ist oftmals eine sogenannte In-vitro-Diagnostika-Zulassung gemeint, die zu rein diagnostischen Untersuchungen der Blutbestandteile im Labor bestimmt ist. Als „Praxiszentrifugen“ werden umgangssprachlich Zentrifugen bezeichnet, die zur therapeutischen Behandlung eingesetzt werden, etwa zur Herstellung von Eigenblutpräparaten. Aufgrund dieser Zweckbestimmung werden diese Zentrifugen als Medizinprodukte der Klasse 2a klassifiziert. Die Zweckbestimmung muss in der Bedienungsanleitung des Herstellers unter „Zweckbestimmung“ oder „Intended Use“ angegeben werden.
Muss der Zahnarzt bei Eigenblutpräparaten bestimmte regulatorische Vorschriften beachten?
Rocker: Die Anwendung von Eigenblutpräparaten muss der zuständigen Bezirksregierung angezeigt werden. Eine Genehmigungspflicht besteht nicht. Dazu reicht ein einfaches Faxformular, das oftmals vom Hersteller oder Händler bei der Auslieferung und Einweisung beigefügt wird.
Gibt es in diesem Zusammenhang aktuelle Änderungen?
Rocker: Es wird derzeit vielfältig über Eigenblutpräparate diskutiert. In der Schweiz laufen interkantonale Abklärungen der entsprechenden Fachstellen mit der zuständigen Bundesagentur zu diesem Thema. Soweit wir wissen, wurde vor einiger Zeit in Italien eine Zentrifuge sogar vom Markt genommen, da sie nicht zulassungskonform war. Das hat für viel Wirbel gesorgt.
Wie unterscheiden sich die Workflows von Zentrifuge zu Zentrifuge?
Rocker: Bei den Workflows kann man grob zwischen zwei Systemen unterscheiden: zum einen rein autologe Systeme und zum anderen Systeme mit Antikoagulanzien und Zusätzen. Rein autologe Systeme wie das IntraSpin (L-PRF) System haben neben den medizinischen Vorteilen folgende Pluspunkte:
- keine chemischen Zusätze
- hohe Patientenakzeptanz
- einfache Anwendung
- einmaliger kurzer Zentrifugationsprozess für solide und flüssige Matrix
- geringe Kosten für Verbrauchsmaterialien
- begrenzte Aufbewahrungszeit nach Herstellung der Matrizes
Systeme mit Antikoagulanzien punkten zwar durch flexiblere Verarbeitungsmöglichkeiten der Matrizes, die Kosten für Verbrauchsmaterialien liegen aber häufig höher und die Herstellungsprozesse der Matrizes nehmen mehr Zeit in Anspruch.
Was kann bei der Anwendung von Eigenblutpräparaten schiefgehen?
Rocker: Kontraindikationen sind mir nicht bekannt.
Wer haftet bei Misserfolgen, der Hersteller oder der Zahnarzt?
Rocker: Diese Frage kann man pauschal nicht beantworten, weil es vor allem bei so sensiblen haftungsrechtlichen Fragen stark auf den Einzelfall ankommt, der zunächst genau geprüft werden müsste. Das vorausgeschickt, hat es jedoch nach unserem derzeitigen Kenntnisstand nicht zwingend zur Folge, dass der Anwender haftet, wenn das jeweilige Medizinprodukt negativ auffällt. Das wäre laut Auskunft einer Bezirksregierung nur dann der Fall, wenn die Anwender das Medizinprodukt falsch betreiben würden, insbesondere entgegen der in der Bedienungsanleitung festgelegten Zweckbestimmung.
- Eigenblutpräparate wie Leukozytenplättchenreiche Fibrinmatrizen fördern auf eine einfache und unkomplizierte Art die natürliche Wundheilung und Regeneration von Hart- und Weichgewebe – ohne Zugabe von Antikoagulanzien und anderen Additiven. Eigenblutpräparate können sowohl in einer soliden als auch in einer flüssigen Matrix hergestellt werden und bestehen aus Fibringerüsten mit einer konzentrierten Zahl an Leukozyten, Thrombozyten und Wachstumsfaktoren.
- Durch diesen konzentrierten Einsatz der natürlicherweise im Blut vorkommenden Wachstumsfaktoren wird die Wundheilung beschleunigt. Neben einer verbesserten Wundheilung führt der Einsatz von Eigenblutpräparaten oft zu geringeren ostoperativen Schmerzen und Schwellungen sowie zu einem verringerten Infektionsrisiko.
- Die regenerative Eigenschaft sowie das Handling von Biomaterialien, Knochenersatzmaterialien und Membranen lässt sich mit der Matrix erheblich verstärken, indem man vor der Anwendung diese mit körpereigenen Zellen, Plasma und achstumsfaktoren in Form von flüssigen und/oder festen Matrizes „biologisiert“.
Fortbildungsevent „L-PRF State of the Art“
cherrymed veranstaltet in Kooperation mit CAMLOG am 30. Oktober 2019, 13. Mai 2020 und am 18. November 2020 die Fortbildung „L-PRF: State of the Art der natürlichen Beschleunigung der Wundheilung“ mit Dr. Sebastian Becher in Düsseldorf. Der Kurs findet in der Kieferchirurgie Königsallee statt, dauert von 14 bis 19 Uhr und ist mit sechs Fortbildungspunkten bewertet. Folgende Inhalte sind u. a. Bestandteile der Veranstaltung:
- Die Biologie der Wundheilung
- Das L-PRF Fibrinnetz: Thrombozyten, Leukozyten, Wachstumsfaktoren
- Wissenschaftlich fundierte und klinisch relevante Vorteile von L-PRF
- Blutentnahme
- Herstellung von fl üssigen und soliden Matrices
- Herstellung von Plugs
- Herstellung eines Augmentats aus Fibrin und Biomaterial (Steak – Technik)
- Anwendung am Modell
Weitere Informationen und die Anmeldemöglichkeit finden Sie in diesem Flyer:
cherrymed L-PRF Kursflyer Dr. Becher
Der Experte
Robin Rocker
ist Geschäftsführer der Kölner Rocker & Rocker GmbH und hat für CAMLOG den Exklusivvertrieb des IntraSpin Systems für die Herstellung Leukozytenplättchen-reicher Fibrinmatrizen (L-PRF) in Deutschland, Österreich und der Schweiz übernommen.