Implantatprothetik aus Vollkeramik
Die klinische Langzeitstabilität vollkeramischer Restaurationen ist vom Einsatzbereich, dem verwendeten Material sowie der Einhaltung materialspezifischer Anforderungen abhängig. Ein Überblick über die heute verfügbaren CAD/CAM-Werkstoffe mit Fokus auf Suprakonstruktionen.
Die Vielfalt an CAD/CAM-Materialien ist heute sehr groß. Um fall- bzw. patientenspezifisch das bestmögliche Mate‧rial für eine Versorgung zu wählen, sollte grundsätzlich die Frage gestellt werden: Ist das jeweilige Material hinsichtlich der klinischen Langzeitstabilität mit bewährten metallkeramischen Versorgungen oder Restaurationen aus Gold vergleichbar? Dafür ist die Betrachtung klinischer Studien interessant.
Langzeitergebnisse
In einer klinischen Langzeitstudie der Universität Graz wurden 385 zwei- und dreiflächige Inlays hinsichtlich ihrer Komplika‧tionswahrscheinlichkeit und Überlebensraten untersucht. Die Inlays wurden im Zeitraum von 1988 bis 1990 inkorporiert. Bei den Gold- sowie laborgefertigten Keramik- und computergefertigten Inlays kamen folgende Materialien zur Anwendung: Dicor, Optec, Hi-Ceram, Duceram sowie VITABLOCS, die im CEREC-1-System (Sirona Dental GmbH, A-Wals) geschliffen wurden. Es erfolgte die adhäsive Befestigung. Die Restaurationen der Kontrollgruppe (Goldinlay, Degulor C) wurden mit Zinkphosphat-Zement eingegliedert.
Während eines Zeitraums von rund 15 Jahren traten in allen Gruppen partielle Frakturen am Schmelz sowie Karies und Vitalitätsverlust auf. Bei den laborgefertigten Keramikinlays waren partielle und totale Brüche die häufigste Komplikation. Hochverdichtete industriell gefertigte Keramiken wiesen im Gegensatz zur Kontrollgruppe keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich der Überlebensraten auf (p<0,05). Die Inlays aus der VITABLOCS Feldspatkeramik (Abb. 1) zeigten mit einer Überlebensrate von 93 Prozent nach 15 Jahren gegenüber individuell hergestellten Keramikinlays signifikant höhere Überlebensraten (Überlebensrate von 68 %) [1].
Erfolgsfaktoren
Neben den Werkstoffeigenschaften sind für die klinische Langzeitstabilität unter anderem Präparation, Formgebung, Befestigung und Nachbearbeitung von zentraler Bedeutung. Zum Beispiel können durch eine konvexe Gestaltung des Kavitätenbodens Kerbspannungen vermieden und Zug- in Druckspannungen umgewandelt werden. Zudem ist auf eine einfache Gestaltung der Restauration ohne tiefe Fissuren zu achten. Es ist zahn‧achsenkonform zu präparieren und eine Restdentinstärke von 0,7 bis 1 mm einzuhalten. Ausführliche Hinweise dazu sind in der Broschüre „Klinische Aspekte in der Vollkeramik“ (VITA Zahnfabrik) nachzulesen [Download: www.vita-zahnfabrik.de].
Implantatprothetik
Sind vollkeramische Suprastrukturen auch auf Implantaten geeignet? Um eine Antwort zu finden, ist eine Risikozuordnung hilfreich (Abb. 2). Zahlreiche Stu‧dien thematisieren die Problematik im‧plan‧tat‧getragener vollkeramischer Restaura‧tionen. Die Literatur belegt gelegentlich bis wahrscheinlich auftretende Frakturen [2, 3, 4]. Demzufolge kann auf dem Risikographen eine Zuordnung getroffen und eine Schadensausmaß-Ebene definiert werden. Die gewählte Therapieform ist in dieser Materialkonstellation mit mittlerem Risiko zu bewerten. Der Risikograph lässt sich in der Eintrittswahrscheinlichkeits- und der Schadensausmaßskala weiter differenzieren und ermöglicht so eine noch präzisere Risikozuordnung. Damit steigen die Entscheidungsqualität des Zahnarztes und die forensische Sicherheit, denn dem Patienten kann ein mög‧liches Risiko verständlich erläutert werden.
Grundsätzlich ist bei der Wahl des Materials zu hinterfragen, von welchem physikalisch-mechanischen Standpunkt aus die Bewertung der einzelnen Kriterien erfolgt: Härte, Biegefestigkeit, Weibull-Modul, Risszähigkeit, E-Modul und Resilienz. Um beispielsweise eine Überlastung der Suprastruktur zu vermeiden, erscheint es angezeigt, die Resilienz (Widerstandsfähigkeit) über Materialien mit niedrigem Elastizitätsmodul (hohe Elastizität) in das starre Gesamtsystem aus Knochen, Implantat und Prothetik einzubringen. Dazu sind aktuelle Publikationen zu Polymer-Abutments interessant. Diese zeigen, dass Materialien mit niedrigem Elastizitätsmodul die gleiche Beständigkeit wie Zirkondioxid-Abutments aufweisen. Zudem zeigen sie in der Kombination mit Keramikversorgungen höhere Erfolgsraten [5]. Vor diesem Hintergrund lassen vergleichsweise elastische Restaurationsmaterialien wie die Hybridkeramik VITA ENAMIC (VITA Zahnfabrik) und Kompositwerkstoffe wie Lava Ultimate (3M ESPE) und GC Cerasmart (GC Europe) eine gute Eignung für implantatgetragene Kronenversorgungen erwarten.
Neue Hybridkeramik
VITA ENAMIC zeichnet sich als eine Hybridkeramik durch eine Dual-Netzwerk-Struktur aus. Das dominierende keramische Netzwerk und das verstärkende Polymernetzwerk durchdringen sich dabei gegenseitig. Die Biegefestigkeit liegt bei 150–160 MPa und ist damit im Vergleich zu anderen Materialien nicht auffallend hoch. Der Elastizitätsmodul (30 GPa) der Hybridkeramik liegt jedoch im Bereich des menschlichen Dentins. Dank der intelligenten Kombination aus Festigkeit und Elastizität erreicht der Werkstoff in In-vitro-Tests enorm hohe Belastungswerte nach der adhäsiven Befestigung und verfügt zudem über kaukraftabsorbierende Materialeigenschaften. Somit verfügt VITA ENAMIC über Charakteristika, die beispielsweise bei der Versorgung eines devitalen Zahns von Vorteil sein können (Abb. 3). Dem Hersteller ist es damit gelungen mit diesem Werkstoff ein CAD/CAM-Material zu entwickeln, das in seinen Eigenschaften (z. B. dentinähnliche Elastizität, schmelzähnliche Abrasionseigenschaften) den natürlichen Zahn nachbildet.
Materialvielfalt
Ein Blick auf das Produktportfolio der VITA Zahnfabrik zeigt die große Vielfalt der CAD/CAM-Materialien. Zur Herstellung von Zahnersatz für Einzelzahnversorgungen kann aus den Werkstoffklassen Feldspatkeramik (VITABLOCS), zikondioxidverstärkte Lithiumsilikatkeramik (VITA SUPRINITY) und Hybridkeramik (VITA ENAMIC) gewählt werden. Für die Fertigung von Gerüstkonstruktionen und vollanatomischen Brücken wird heute meist Zirkondioxid (VITA YZ) eingesetzt. Bei temporären Versorgungen kommen häufig Kompositrohlinge (VITA CAD-Temp) zum Einsatz.
Als weiteres Beispiel sei eine Patientin mit einer Amelogenesis imperfecta (Schmelzentwicklungsstörung) vorgestellt (Abb. 4 bis 6). Die restaurative Versorgung wurde schrittweise vorgenommen. Nach der Stabilisierung der Biss-Situation erfolgte die Sanierung der Seiten- sowie der unteren Frontzähne. Die Oberkieferfrontzähne wurden mit Veneers restauriert. Als Material der Wahl entschieden wir uns anhand des Risikoprofils für einen multichromatischen Feldspatkeramik-Rohling (VITABLOCS TriLuxe). Nach der CAD/CAM-gestützten Umsetzung (CEREC-System) erfolgten eine Charakterisierung mit Malfarben (VITA AKZENT Plus) und der Glanzbrand. Sechs Jahre nach Eingliederung ist die Versorgung weiterhin voll in Funktion und in ihrem ästhetischen Erscheinungsbild einwandfrei.
Fazit
Für das Erreichen einer mit Metallkeramik und Gold vergleichbaren klinischen Langzeitstabilität müssen diverse Faktoren berücksichtigt werden. Neue Werkstoffe wie die Hybridkeramik VITA ENAMIC bieten zahlreiche neue Chancen und Möglichkeiten.
Für die erfolgreiche klinische Anwendung sind die materialspezifischen Parameter und die gründliche Beurteilung der Ausgangssituation (Risikoanalyse) ausschlaggebend. Klinische Daten sind zu bewerten, Risiken abzuwägen und die ästhetischen Herausforderungen zu berücksichtigen.
Prof. Dr. Gerwin Arnetzl
Klinische Abteilung für Zahnersatzkunde,
Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Medizinischen Universität Graz. Schwerpunkt: CAD/CAM-Technologien
gerwin.arnetzl@medunigraz.at