Die direkte Versorgung von Einzelzahnlücken
Einzelzahnlücken entstehen durch Nichtanlagen, Frakturen, parodontale Erkrankungen oder durch kariöse Geschehen. Moderne Behandlungskonzepte bieten eine ganze Reihe an Optionen für die Versorgung einer Einzelzahnlücke an.
Die nachfolgende klinische Falldokumentation soll die Versorgung einer Einzelzahnlücke mithilfe von Glasfasersträngen und Komposit im Rahmen einer direkten Restauration beschreiben.
Einleitung
Vornehmlich bei jüngeren Patienten ist oftmals die Indikation zur Versorgung einer Einzelzahnlücke durch die Aplasie von permanenten Zähnen oder durch einen traumatisch bedingten Verlust von einzelnen Zähnen gegeben. Um auch der Forderung nach minimalinvasiven Eingriffen gerecht werden zu können, kommen vor allem substanzschonende Behandlungskonzepte wie die Versorgung durch Einzelzahnimplantate, sofern das Kieferwachstum abgeschlossen ist, der kieferorthopädische Lückenschluss oder die Rehabilitation mithilfe der Adhäsivtechnik zum Einsatz. Bei älteren Patienten hingegen ist die Ausgangssituation häufig eine andere. Bei ihnen können auch Parodontalerkrankungen und kariöse Defekte zum Verlust von Einzelzähnen führen. Welcher Weg im Rahmen der Rehabilitation sowohl bei jüngeren als auch bei älteren Patienten eingeschlagen wird, bedarf einer sorgfältigen Analyse und Planung. Dabei sollten auch immer das Alter, der Wunsch und monetäre Aspekte des Patienten berücksichtigt werden.
Ausgangssituation
Der 55-jährige Patient stellte sich in der Zahnarztpraxis mit Schmerzen im Oberkiefer rechts vor (Abb. 1). Zudem störte ihn die Lücke weiter hinten, ebenfalls im rechten Oberkiefer, da man diese oftmals beim Lachen sehen könnte. Allgemeinanamnestisch litt der Patient nach eigenen Angaben unter einer bekannten Koronaren Herzerkrankung (KHK) und rauchte ungefähr eineinhalb Schachteln Zigaretten pro Tag. Der Patient gab ferner an, dass er im Verlauf seines Lebens einige Zähne durch Karies verloren habe. Der Patient bat um eine kostengünstige und pragmatische, aber unbedingt festsitzende Versorgung.
Befund
Die eingehende Untersuchung ergab eine nur mäßige Mundhygiene mit massiven Raucherbelägen. Zahn 13 wies eine singuläre parodontale Tasche und einen PSI von 2,4,2,2,2,2 auf. Die Röntgendiagnostik ergab eine fadenähnliche Aufhellung im Sinne eines Frakturspalts axial entlang der Wurzel an Zahn 13.
Diagnose
Wurzellängsfraktur des daher nichterhaltungsfähigen Zahns 13 bei Kennedy Klasse III und bestehende, ältere Einzelzahnlücke regio 016.
Behandlungsplanung
Zahn 13 musste extrahiert werden. Vorab sollte eine Zahnreinigung mit Instruktion und Motivation erfolgen, sowie die Anfertigung einer Abformung. Mit einem Wax-up auf dem aus der Abformung erstellten Situationsmodell sollten Silikonschlüssel als Hilfsmittel für die spätere direkte Versorgung angefertigt werden. Der Lückenschluss in regio 013 und 016 konnte abschließend mithilfe der Adhäsivtechnik im direkten Verfahren mit kompositimprägnierten Glasfasersträngen zur Stabilisation erfolgen (Abb. 2a bis e) [13, 1, 10].
Therapie
In der ersten Behandlungssitzung wurde die professionelle Zahnreinigung mit Instruktion und Motivation durchgeführt. Zur Vorbereitung der späteren, direkten Versorgung erfolgte ebenfalls am Ende der Sitzung eine Abformung zur Anfertigung eines Situationsmodells. Auf diesem wurden vom Zahntechniker ein Wax-up sowie darüber Schlüssel als Schablonen aus Silikon angefertigt.
Unter Infiltrationsanästhesie in regio 13 mit 3 ml Ubistesin 1:200.000 (3M) im computergesteuerten Calaject-Verfahren (Rønvig Dental) wurde in der nachfolgenden Behandlungssitzung der Zahn 13 extrahiert. Dabei kam ein Periotom zur Anwendung, um die parodontalen Fasern des Ligamentum circulare zu lösen. Die festsitzende Versorgung sollte in der Folgesitzung stattfinden, sofern die Extraktionswunde komplikationslos verheilt war. Direkt hergestellte glasfaserverstärkte Kompositbrücken können heutzutage zuverlässig mit den auf dem Markt erhältlichen kompositimprägnierten Glasfasersträngen hergestellt werden [11, 8, 12]. In Abhängigkeit von den Platzverhältnissen im Rahmen der Lücke 013 wurde zunächst die Lage des zu befestigenden Glasfaserstrangs bei statischer und dynamischer Okklusion bestimmt. Die Länge des Strangs kann dabei ganz einfach mit einem Wetjets (Hygienic Corp) ausgemessen und bestimmt werden. Nach den vorbereitenden Maßnahmen wurden die vorhandenen Füllungen an den Zähnen 12 und 14 entfernt und eine Kastenpräparation durchgeführt (Abb. 3). Nach der Konditionierung des Schmelzes mit 35%iger Orthophosphorsäure (Total Etch, Ivoclar Vivadent) und der Konditionierung des Dentins mit Adhese Universal (Ivoclar Vivadent) wurde der mit Komposit vorimprägnierte Glasfaserstrang GrandTEC (VOCO) mit einem fließfähigen Komposit (Tetric flow, Ivoclar Vivadent) auf der zuvor gereinigten Palatinalfläche des mesialen Pfeilerzahns 12 in Abhängigkeit vom Platzangebot mehr oder weniger flächig befestigt. Vor der Lichtpolymerisation war darauf zu achten, dass der Glasfaserstrang von inzisal betrachtet einen geschwungenen Verlauf einnahm, sodass der Strang im Bereich des Zwischenglieds mittig zu liegen kam und nachfolgend beidseitig von Komposit ummantelt werden konnte (Abb. 4). Ist der Glasfaserstrang nicht vollständig mit Komposit bedeckt, kann er bei Feuchtigkeitszutritt aufquellen und somit instabil werden, vergleichbar mit einem glasfaserverstärkten Wurzelstift (Abb. 12–14). Ebenso wurde das andere Ende des Glasfaserstrangs im mesialen Anteil des Zahns 14 adaptiert (Abb. 5 und 6). Zur Gestaltung der Zervikalfläche des Zwischenglieds (Abb. 7) eigneten sich die zuvor im zahntechnischen Labor angefertigten Silikonschlüssel (Abb. 8). Das Komposit (Tetric, Ivoclar Vivadent) wurde gemäß Schichttechnik in den Silikonschlüssel appliziert (Abb. 15 und 17). Während der Lichtpolymerisation sollten sich die Silikonschlüssel nicht in situ befinden (Abb. 16). Durch die Verwendung der Schlüssel lässt sich bei der Modellation auch ein gewisser Gegendruck erzeugen, was zu einer straffen Auflage des Zwischenglieds auf der Gingiva führt, wodurch sich eine vorausgehende elektrochirurgische Modellation der Ponticauflage vermieden ließ. Während sich zu den natürlichen Zähnen passend in die vestibulär gelegenen Flächen des Zwischenglieds leichte Oberflächenstrukturen einarbeiten ließen, wurde bei den palatinalen beziehungsweise okklusalen Flächen im Bereich der Glasfaser-Komposit-Ausläufer darauf für eine bessere Hygienefähigkeit verzichtet sowie auf Hochglanz glattpoliert (Abb. 9–11; 18–20) [4, 6, 7, 3].
Behandlungsergebnis
Die gute Verteilung der Lücken hat es ermöglicht, die verloren gegangenen Zähne auf einfache Weise in Form und Funktion ästhetisch zufriedenstellend zu ersetzen. Unter Berücksichtigung der Funktion konnte der Zahn 13 morphologisch und symmetrisch neu aufgebaut werden. Mithilfe von Kompositfüllungen an den Zähnen 12 und 14 war es möglich, den zu ersetzenden Zahn in einer realistischen Größe zu gestalten. Unter Verwendung der mit Komposit vorimprägnierten Glasfaserstränge konnten die Zähne 13 und 16 in der direkten Schichttechnik morphologisch richtig und ästhetisch unauffällig mit beidseitig befestigten Glasfaser-Komposit-Brücken ersetzt werden. Beurteilt man die Form und die Stellung der Frontzähne abschließend, entsprechen sie einem natürlichen Erscheinungsbild. Die Gingiva in regio 013 weist einen reizfreien Zustand und einen nahezu gleichmäßigen, girlandenförmigen Verlauf im sichtbaren Frontzahnbereich auf. Die beidseitige Befestigung der glasfaserverstärkten Kompositbrücken begünstigt nicht nur die bessere Haltbarkeit, sondern ermöglicht durch entsprechende Gestaltung der Zwischenglieder dem Patienten auch eine einfache Reinigung mit Interdentalbürstchen.
Diskussion
Ein wichtiges Element für die Retention von minimalinvasiven, glasfaserverstärkten Kompositbrücken ist die Adhäsion. Aufgrund enormer Fortschritte in den vergangenen Jahren im Bereich der Adhäsivtechnik konnten zuverlässige Schmelz- und Dentinadhäsive entwickelt werden, die den Verlust der Retention bei adhäsiven Ankerelementen auf ein Minimum reduzieren können. Im Gegensatz zu herkömmlichen, unverstärkten Kompositbrücken scheinen sich glasfaserverstärkte Kompositbrücken robuster und widerstandsfähiger zu verhalten. Unter klinischen Bedingungen können sie dank einer gewissen Flexibilität sogar noch bruchfester sein als minimalinvasive, adhäsiv befestigte Brücken aus Vollkeramik [2, 9]. Ein Problem, das mit faserverstärkten Kompositbrücken einhergehen kann, ist der Haftverlust zwischen der Glasfaserverstärkung und dem Verblendkomposit.
Dieses Problem wird jedoch zum Teil durch die mikromechanische Adhäsion zwischen den silanisierten Glasfasern und dem Verblendkomposit zusätzlich zur chemischen Adhäsion revidiert, wodurch bessere mechanische Eigenschaften erzeugt werden. Das Problem des Chippings von Verblendkompositen kann auch auftreten, wenn bei der intraoralen Anfertigung der Brückenkonstruktion die Glasfasern an der Oberfläche der Restauration freigelegt werden und es zum Kontakt mit Speichel kommt. Der Kontakt mit Feuchtigkeit oder Speichel führt zu einer hydrolytischen Spaltung und Zersetzung der Silanschicht. Daher sollte während der intraoralen Verarbeitung idealerweise ein Kofferdam verwendet (Flexi Dam non latex, Roeko) und darauf geachtet werden, dass keine Glasfaserbündel an die Oberfläche der Restauration gelangen. Darüber hinaus sollte beachtet werden, dass Glasfasern abrasive Eigenschaften gegenüber den natürlichen Zähnen aufweisen, weshalb bei der Einstellung der Okklusion ebenfalls darauf geachtet werden sollte, dass keine Glasfaserbündel freigelegt werden. Ein anderer kritischer Aspekt bei der Verwendung von glasfaserverstärkten Kompositbrücken ist die Verschleißfestigkeit und gegebenenfalls Farbstabilität des Verblendkomposits, wobei man durch die Verwendung eines Ormocers diesem Problem derweil auch adäquat begegnen kann. Ormocere hingegen sind geringfügig teurer, dafür aber mit einer höheren Biokompatibilität ausgestattet und lassen sich genauso verarbeiten wie herkömmliche Komposite.
Schlussfolgerung
Glasfaserverstärkte Kompositbrücken bieten Zahnarzt und Patient gleichermaßen in einer Reihe von klinischen Situationen die Zahnhartsubstanz sehr schonende Alternative zu traditionellen Versorgungsmöglichkeiten, zum Beispiel metallkeramischen Brücken oder implantatgetragenem Zahnersatz an. Auch wenn glasfaserverstärkte adhäsive Kompositbrücken wegen der bis heute nur eingeschränkten klinischen Erfahrung und der beschriebenen Probleme noch nicht als definitive Therapiemethode empfohlen werden können, wäre diese Art der Versorgung zumindest als semipermanenter Zahnersatz aufgrund ihrer ausgezeichneten Ästhetik, minimaler Invasivität und der relativ niedrigen Kosten gerechtfertigt. Mit den heute zur Verfügung stehenden direkten Restaurationstechniken ist es gut möglich, unter Einbezug der Nachbarzähne und insbesondere bei Patienten mit begrenztem Budget äußerst substanzschonend zu restaurieren. So können sowohl die die Lücke begrenzenden Zähne in ihrer Form und Stellung ästhetisch verbessert [5] als auch fehlende Zähne ersetzt werden. Es können betroffene Zähne ohne Präparation rein additiv und bedarfsorientiert mit Aufbauten aus Komposit korrigiert und nicht angelegte oder fehlende Zähne ersetzt werden. Nichtanlagen lassen sich heutzutage ebenfalls atraumatisch und ästhetisch unauffällig in einer Sitzung mit einseitig befestigten glasfaserverstärkten Kompositbrücken versorgen. Dabei erweisen sich die kompositimprägnierten Glasfaserstränge sowohl in ihrer Applikation als auch in ihrer Stabilität als sicher. Die Verwendung von Glasfaser- anstatt Metallgerüsten ermöglicht es, einen farblich unauffälligen Zahnersatz herzustellen. Durch den Verzicht auf eine ausgedehnte Präparation können eine Irritation der Pulpa-Dentin-Einheit und ein späteres Sichtbarwerden der Präparationsgrenzen vermieden werden.
Fazit
Bei einem nicht ausreichenden Knochenangebot und bei nicht abgeschlossenem Wachstum stellt die mittel- bis langfristige Versorgung z.B. mit Kompositaufbauten und glasfaserverstärkten Kompositbrücken häufig die Restaurationsmöglichkeit im kindlichen bzw. jugendlichen Gebiss dar. Moderne Komposite oder Ormocere zeichnen sich durch eine sehr gute Polierbarkeit, Farb- und Oberflächenstabilität aus. Oftmals ist bei den Nachkontrollen lediglich die Erneuerung des leicht abgestumpften Oberflächenglanzes indiziert.
Dr. Sohar Flisfisch
niedergelassener Zahnarzt in eigener ‧Praxis in Basel,
Spezialist in Implantologie und Parodontologie
info@dent-basel.ch