Der Schein trügt
Sind Tiefenmarkierer überflüssig oder fordert der steigende Anteil keramischer Restaurationen diese seit Jahren bekannten Instrumente in einem neuen Maße? Eine aktuelle Standortbestimmung.
Der Erhalt gesunder Zahnsubstanz hat in den letzten Jahren einen immer höheren Stellenwert in der Behandlungsplanung erhalten. Die Versorgung mit festsitzendem Zahnersatz sollte daher immer unter diesem minimalinvasiven Gesichtspunkt geplant und umgesetzt werden. Dabei hat es sich bewährt, vor der Präparation, wenn möglich, eine kieferorthopädische Behandlung mit Alignersystemen durchzuführen, um so einen optimalen Verlauf des Zahnbogens zu erzielen und die notwendige Substanzentfernung zum Erreichen des funktionell und ästhetisch perfekten Ergebnisses zu minimieren. Auf der anderen Seite werden häufig Funktion und Ästhetik der Zahnersatzversorgung durch Platzmangel beeinträchtigt, der aufgrund zu geringer Substanzentfernung entsteht.
Ästhetik und Funktion als Einheit
Unterschiedlichste Hilfsmittel sollen dem Zahnarzt helfen, eine ausreichende Schichtstärke der Restauration für die jeweiligen Materialien zu gewährleisten. Während sich Tiefenanschlagsmarkierer für die vestibuläre Substanzentfernung insbesondere bei Veneerversorgungen mit dem Tiefenanschlag in ein Mock-up bewährt haben, stellt die okklusale Substanzreduktion den Zahnarzt vor enorme Herausforderungen. Silikonstrips sind da keine Lösung, da sie tendenziell zu einer Überpräparation führen. Eine rein optische Kontrolle der okklusalen Reduktion führt jedoch ebenso wie eine Kontrolle über eine Bissnahme oft zu einer zu geringen Substanzentfernung im Bereich der Zentralfissur. Abbildung 1 zeigt die Modellsituation einer Präparation. Sowohl bei der Sichtkontrolle im Mund des Patienten als auch beim Durchtasten einer Kontrollbissnahme kann es zu der Fehleinschätzung kommen, dass im Bereich der Zentralfissur ausreichend Platz geschaffen wurde. Abbildung 2 zeigt die Kontaktpunkte zum Antagonisten, die Unterkieferbewegungen, aber auch die nötigen Freiräume, die für eine einwandfreie Okklusionsdynamik gebraucht werden.
In Abbildung 3 wird deutlich, dass aufgrund der zu geringen Substanzentfernung im Bereich der Zentralfissur das Gerüst schon über dem Bereich liegt, wo früher die Zentralfissur verlief, obwohl noch Platz zwischen dem Gerüst und dem Antagonisten vorhanden ist. Nicht selten hat das Gerüst schon jetzt einen leichten Kontakt zum Antagonisten. Schon bei dünnem Aufschichten der Keramik (Abb. 4) entsteht oft ein großflächiger Kontakt in der Zentrik aber auch bei der dynamischen Okklusion. Je größer die Kontakt- bzw. Reibungsflächen bei der Seitwärtsbewegung sind, desto geringer ist der Flächendruck, was wiederum für einen erhöhten Kaudruck bei der Nahrungszerkleinerung sorgt. Dabei wird der Zahnhalteapparat bei den Seitwärtsbewegungen zu stark belastet. Zusätzlich wird deutlich, dass praktisch kein freier Bewegungsraum in der Seitwärtsbewegung existiert.
Größere Kontaktfläche, stärkere Abnutzung
Patienten, bei denen man die Rekonstruktion der okklusalen Kontaktflächen nicht punktförmig gestalten kann, leiden (wie auch Knirscher und Bruxer) unter Parodontalschäden, Kiefergelenkbeschwerden usw. Zusätzlich tragen die größeren Kontaktflächen zu einem beschleunigten Verschleißprozess bei. Es gilt: Je größer die Kontaktfläche, desto stärker ist auch deren Abnutzung. In solchen Fällen passiert es oft, dass die Höcker nach dem Zementieren flach geschliffen werden, weil die Patienten die Situation als unangenehm oder störend empfinden. Es kommt zu fehlenden Kontakten mit den Antagonisten bei der Lateralbewegung, wodurch die Nachbarzähne stärker belastet werden. Auch optisch wirken die Höcker der Kronen in der vertikalen Ebene kürzer als die der Nachbarzähne. In diesem Fall hat die Krone meist fehlende Kontakte in der Zentrik bei den Arbeitshöckern, was wiederum zu den exzentrischen Belastungen führt.
Für die Zerkleinerung der Nahrung wird bei punktförmigen Kontakten weniger Kraft benötigt als bei flächenförmigen. Dabei erhalten die Nahrungsbestandteile mehr Freiräume, um nach der Zerkleinerung zu entweichen. Oft sorgen fehlende Freiräume und zu starker Kaudruck für das Abplatzen der Keramik im Höckerbereich. Im schlimmsten Fall können sie das Brechen einer Vollkeramikkrone durch zu starke Verschlüsselung und insgesamt gesehen zu konkav gestaltete Okklusalflächen zur Folge haben. Es ist also nicht nur die Ästhetik, die darunter leidet, wenn zu wenig Platz für den Zahnersatz vorhanden ist, sondern vor allem die Funktion. Ästhetik und Funktion sind hier untrennbar miteinander verbunden.
Instrumente zur Tiefenmarkierung
Es gilt also eine sichere und vorhersagbare Methode zu verwenden, um bei Präparationen sowohl im anterioren als auch im posterioren Bereich ausreichend Platz für eine funktionell und ästhetisch optimale Versorgung zur Verfügung zu stellen, ohne unnötig gesunde Zahnsubstanz zu entfernen. Bewährt haben sich dazu seit vielen Jahren Tiefenmarkierer, die in unterschiedlichen Ausführungen zur Verfügung stehen, um für unterschiedliche Restaurationsformen und Materialien immer den optimalen Platz zur Verfügung zu stellen.
Auch hat sich der Einsatz der Mock-up-Technik bewährt, um eine maximale Substanzschonung der gesunden Zahnsubstanz zu erzielen. Dabei wird zunächst mittels Silikonwall und provisorischen Kunststoffs das angestrebte Endergebnis hergestellt und dann die Tiefenmarkierung direkt in den provisorischen Kunststoff gelegt. Tiefenmarkierungen werden bislang – je nach Geschmack des Behandlers – mit Spezialinstrumenten durchgeführt, die 1–3 diamantierte Bereiche aufweisen und so 1–3 Orientierungsrillen anlegen.
Probleme der Tiefenmarkierer
Die Verwendung dieser Tiefenmarkierer führt jedoch zu zwei Problemen. Zum einen sind sie nicht geeignet, um eine Tiefenmarkierung im Bereich der Zentralfissur durchzuführen, zum anderen ist es leicht möglich, durch einen falschen Anstellwinkel zu tief in die Zahnsubstanz einzudringen (Abb. 5). Abhilfe schafft hier der neue PrepMarker von Komet Dental, Lemgo (Abb. 6). Die Tiefenmarkierung erfolgt nicht wie üblich über einen Ring, sondern über ein diamantiertes Arbeitsteil, das die Länge der gewünschten Tiefe aufweist. Durch dieses Design ist es nun bei Präparationen im posterioren Bereich möglich, eine okklusale Tiefenmarkierung sicher vorzunehmen. Je nach Situation wird die Tiefenmarkierung entweder direkt in der Zahnsubstanz oder zum Beispiel im Fall der Notwendigkeit einer Bisshebung in dem Mock-up (Abb. 7) vorgenommen, um nur den tatsächlich notwendigen Substanzabtrag durchzuführen.
Auch bei ästhetisch komplexen Versorgungen im Frontzahnbereich hat sich das Design der PrepMarker bewährt. Während mit konventionellen Tiefenmarkierern leicht durch einen falschen Anstellwinkel zu tief in die Zahnsubstanz eingedrungen werden kann, ist dies hier praktisch ausgeschlossen, da ein Verkanten kaum möglich ist.
Patientenfall
Abbildung 8 zeigt die Ausgangssituation eines Patienten, bei dem die Überkronung des aufgrund eines Unfalls in der Kindheit des Patienten endodontisch behandelten Zahns 21 geplant war. Auf den ersten Blick ist der hohe zahntechnische Schwierigkeitsgrad erkennbar. Diverse Sprünge, White Spots, komplexe inzisale Transluzenzen im Nachbarzahn bilden für sich allein betrachtet schon eine enorme Herausforderung. Insbesondere die massive Verfärbung des Stumpfes (Abb. 9) ist jedoch ein zusätzlicher Schwierigkeitsgrad, da der Zahntechniker die Verfärbung mit der Keramik abdecken muss (Anmerkung: Auf eine Revision des Metallstiftes und Neuversorgung mit Glasfaserstift und zahnfarbenem Aufbau wurde aufgrund des Frakturrisikos bewusst verzichtet). Daher war es von entscheidender Bedeutung, dem Zahntechniker ausreichend Platz für die Keramik zur Verfügung zu stellen.
Im vestibulären Bereich wurde der PrepMarker DM15 verwendet, der eine Tiefenmarkierung von 1,5 mm erzeugt (Abb. 10), während im inzisalen Bereich der 2,0-mm-Tiefenmarkierer (PrepMarker DM20) zur Anwendung kam. Um ein ästhetisch perfektes Ergebnis zu erzielen, erfolgte neben der üblichen Bestimmung der Stumpffarbe die Kommunikation der aktuellen Zahnfarbe mittels des Dragonshade Tools (Arnold Drachenberg/Jan-Holger Bellmann). Wie üblich wurde sowohl ein normales als auch ein kreuzpolarisiertes Foto (Abb. 11) aufgenommen. Das Käppchen für die Krone wurde aus IPS e.max MO1 (Ivoclar Vivadent) hergestellt. Verblendet wurde mit IPS e.max Ceram, die Effekte wurden mit den neuen IPS e.max Ceram Selection Effektmassen (ebenfalls Ivoclar Vivadent) erzielt. Abbildung 12 zeigt das ästhetisch perfekte Endergebnis. Dank exakter Planung und Präparation hatte der Zahntechniker ausreichend Platz zur Verfügung, um das gewünschte Behandlungsergebnis zu erzielen. Hier geht der Dank an Jan-Holger Bellmann (Bellmann Dentalstudio, Rastede) für seine exzellente Arbeit.
Resümee
Keramische Restaurationen stellen hohe Anforderungen an das Präparationsdesign. Auf der einen Seite soll eine minimalinvasive Präparation erfolgen, auf der anderen Seite sind für die unterschiedlichen Materialien und Befestigungsarten ausreichende Schichtstärken erforderlich. Neuartige Tiefenmarkierer stellen eine hocheffiziente Methode dar, auch bei unterschiedlichen Restaurationstypen ausreichend Platz für eine langzeitstabile Versorgung zu generieren und ein funktionell wie ästhetisch perfektes Ergebnis zu erreichen.
Dr. Jürgen Wahlmann
ist Past Präsident der Deutschen Gesellschaft für kosmetische Zahnheilkunde (DGKZ) und seit 1989 niedergelassen in eigener Praxis in Edewecht.
info@drwahlmann.de
ZTM Arnold Drachenberg
Zahntechnikermeister mit eigenem Labor in Windhagen