Häusliche Mundhygiene

Wirken Mundspülungen mit ätherischen Ölen wirklich?

Wer zusätzlich zur mechanischen Zahnreinigung mit ätherischen Ölen spült, erhöht seine Chance auf plaquefreie Zähne und gesundes Zahnfleisch. Das belegt eine aktuelle Metaanalyse auf der Basis von 29 Studien. Welche Konsequenzen ergeben sich für die häusliche Mundhygiene? Das DENTAL MAGAZIN fragte Prof. Dr. Michael Noack.



Mangelnde Biofilmkontrolle gilt als eine der Hauptursachen von Zahnfleischproblemen. Ergänzende Mundspülungen mit ätherischen Ölen sollen laut einer Metaanalyse einen Effekt haben. Kann die Metaanalyse Sie überzeugen?
Noack: Mangelnde Biofilmkontrolle hört sich ein wenig nach Schuldzuweisung an die Patienten an, obwohl auch einzelne Ecken und Nischen selbst von Hochmotivierten für die mechanische Mundhygiene schwierig zu erreichen sind. Daher besteht der Bedarf, sich mit antibakteriellen Mundspüllösungen auseinanderzusetzen. Eine Metaanalyse, also die Zusammenfassung aller verfügbaren Studien, ist immer überzeugend, da sie nicht einzelne Standpunkte vermittelt, sondern uns erlaubt, den zu erwartenden Effekt realistisch einzuschätzen. In diesem Fall hat sich der Hersteller vorbildlicherweise erlaubt, alle jemals gesammelten klinischen Daten zur Plaquekontrolle in die Metaanaylse einzubeziehen, und zwar einschließlich der bisher unpublizierten Einzelstudien, bei denen teilweise eher geringere Wirkungen gemessen wurden. Trotzdem war insgesamt der präventive Nutzen klar überzeugend.

Es gibt zahllose Mündspüllösungen. Die eine verspricht Hilfe bei Zahnfleischerkrankungen, die andere will bei der Kariesverhütung unterstützen, das dritte Mittel verschafft schlicht frischen Atem. Fallen Mundwässer unter die „Verordnung für kosmetische Mittel“, können Zutaten und Farbstoffe beliebig zusammengemischt werden, solange das Produkt dem Menschen nicht schadet. Wie lässt sich ausschließen, dass man unwirksame Präparate empfiehlt?

Noack: Wir sollten generell keine Produkte empfehlen, sondern als neutrale Berater die nachgewiesene Wirksamkeit und die Grenzen der verschiedenen Mundhygieneartikel darstellen, so dass der Patient in Absprache mit uns den für ihn überzeugendsten Weg wählen kann. Daher sollte sich das Praxisteam auf dem Laufenden halten, was die klinische Wirksamkeit und Unbedenklichkeit betrifft. Ob der Patient dann Rot- oder Weißwein oder Mineralwasser wählt, sollte er selbst in Abhängigkeit von der gewünschten Wirkung entscheiden. Zu den ätherischen Ölen ist jedenfalls festzuhalten, dass es keine andere antibakterielle Spüllösung für den täglichen Bedarf gibt, die so umfassend untersucht und deren Wirksamkeit von so vielen unterschiedlichen Autoren dokumentiert ist.

Müssen ätherische Öle als medizinische Mundspüllösungen eingestuft werden, wenn sie einen Effekt haben?
Noack: Meiner Meinung nach sind die verschiedenen Kategorien nicht geeignet, den notwendigen Schutz der Verbraucher zu sichern. Patienten sollten einfach bei der nächsten professionellen Zahnreinigung oder Zahnbehandlung nachfragen, ob ihre häusliche Mundhygiene für eine nachhaltige Gesundheit ausreichend ist, oder ob individuell Bedarf für weitere Produkte besteht. Für Patienten, die ätherische Öle und insbesondere Listerine anwenden, kann man jedenfalls aufgrund der Metaanalyse aller klinischen Studien festhalten, dass man im Mittel ein mindestens 5-fach besseres Chancenverhältnis (Odds Ratio) hat, plaquefrei oder gingivitisfrei zu sein, wobei die Höhe des Effekts von der Größe des individuellen Risikos abhängt.

Übertünchen Mundspüllösungen möglicherweise Mundgesundheitsprobleme? Denn die Inhaltsstoffe der Mundwässer zur Zahnfleischpflege lindern zwar Entzündungssymptome, heilen aber nicht die Entzündung.
Noack:
Entzündungen können viele Ursachen haben, kommen in der Mundhöhle aber häufig von einem zu dicken und reifen Bakterienrasen. Mundspüllösungen mit nachgewiesener klinischer Wirkung verändern das ökologische Gleichgewicht zwischen Plaquebiofilm und der Immunantwort günstig. Haben die Entzündungen dagegen ernstere Ursachen, werden die Spüllösungen auch keinen nachhaltigen Effekt erzielen. Eine Gefahr sehe ich also nicht.

Wofür genau eignen sich ätherische Mundspülungen, gibt es eine Art Checkliste?

Noack: Die Bedürfnisse für Mundhygieneprodukte lassen sich nur begrenzt in einzelne Schubladen packen. Sie müssen individualisiert werden. Eine kompetente Beratung zur Mundhygiene hört sich zwar trivial an, ist aber ein komplexer Vorgang, mit dem man langfristig mehr Nutzen stiften kann als mit jeder anderen zahnmedizinischen Maßnahme. Dies ist eine der Kernkompetenzen von Zahnärztinnen und Zahnärzten, die sich im Team mit gut fortgebildeten Praxismitarbeitern dieser wichtigen Aufgabe stellen. Daher halte ich nichts von einfachen Checklisten zur Selbsttherapie. Man kann erwarten, dass Patienten, die täglich ätherische Mundspüllösungen anwenden, weniger Plaque und weniger Entzündungen haben als diejenigen, die nur mit Zahnbürste und Zahnpaste 2 × täglich Zähne putzen. Wer es aber mit 2 × täglich bürsten schafft, plaque- und entzündungsfrei zu sein, braucht keine Mundspüllösungen. Allerdings schaffen es noch nicht mal Zahnmedizinstudierende, immer plaquefrei zu sein. Offenbar ist die biologische Toleranzgrenze nachsichtiger, als wir denken. Jedoch haben ganz viele Patienten trotz intensiver Bemühungen vor dem Badezimmerspiegel weiterhin Probleme mit dem Plaquebiofilm. Für diese kann Listerine eine Möglichkeit sein, die Mundgesundheit zu verbessern.

Aufgeschäumte Zahnpasta statt Mundspülung? Es muss gar kein „richtiges Mundwasser“ sein, wenn es nur um Mundspülung geht, heißt es in einem Infoschreiben der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung: Wenn Sie nach dem Zähneputzen die aufgeschäumte Zahnpasta noch ein bis zwei Minuten durch die Zähne ziehen und dann nur ausspucken, aber nicht nachspülen, erreichen Sie einen vergleichbaren Effekt ohne zusätzliche Geldausgaben. Kann das sein?
Noack: Der Mittelweg ist der einzige Weg, der nicht nach Rom führt (Anton Schönberg). Daher sollte man sich mit einfachen Empfehlungen zurückhalten und die Wirksamkeit verschiedener Optionen in Beratungsgesprächen darstellen. Es gibt aber klinische Studien, die zeigen, dass man ohne Nachspülen möglicherweise eine stärkere Fluoridwirkung und damit auch eine kariesprotektive Wirkung erzielen kann. Andere Autoren konnten den Effekt nicht sicher nachweisen. Trotzdem erwähne ich diesen Effekt bei meinen Patienten.

Wann ist ein medizinisches Mundwasser wie Chlorhexidin ein Muss?
Noack: Chlorhexidin ist für den zeitlich begrenzten Einsatz das Mittel der Wahl insbesondere auch im Rahmen von parodontalchirurgischen Eingriffen. Aber selbst eine Gruppe von Parodontalpatienten, die über Jahre täglich mit Chlorhexidin gespült haben, hat genauso viele Zähne wie die Kontrollgruppe verloren. Allerdings hat das Essen über die Jahre nicht besonders geschmeckt und die Zahnverfärbungen waren deutlich sichtbar.
Obwohl Listerine in einer anderen Metaanalyse hinsichtlich der Entzündungsgrade sogar mit Chlorhexidin bei Langzeitanwendung mithalten konnte, stellt sich immer die Frage nach dem therapeutischen Ziel. Da es für viele Patienten ein Stück Lebensqualität bedeutet, ein gutes Essen zu genießen, bleibt die Chlorhexidinanwendung auf die kurzen Zeitphasen beschränkt, in denen man eine bittere Medizin notgedrungen akzeptiert.

Metaanalyse: Spülen mit ätherischen Ölen

Dass die mechanische Zahnreinigung plus Spülen mit ätherischen Ölen die Chance auf plaquefreie Zähne und gesundes Zahnfleisch erhöht, scheint bewiesen. Beleg dafür ist eine aktuelle Metaanalyse zur Anwendung von Mundspülungen im Rahmen der Prophylaxe mit dem Titel „Meta-analysis of the effect of an essential oil-containing mouthrinse on gingivitis and plaque“ (Marcelo W. B. Araujo et al.). Die Basis bilden 29 teils veröffentlichte und teils unveröffentlichte, randomisierte, placebokontrollierte und beobachterblinde Studien mit mehr als 5.000 Probanden.

Untersucht wurde bei Teilnehmern mit bestehender Plaque über einen Zeitraum von sechs Monaten der Effekt des zweimal täglichen Mundspülens mit ätherischen Ölen zusätzlich zur mechanischen Zahnreinigung. Diesen Effekt verglichen die Autoren Araujo et al. mit dem Effekt der mechanischen Zahnreinigung allein. Die Probanden teilten sich dabei in eine Gruppe, die täglich nach dem Zähneputzen und der Zahnzwischenraumpflege eine Mundspülung anwendete, und eine Kontrollgruppe, die lediglich mechanisch reinigte. Nach sechs Monaten wurden jeweils der Plaqueindex und die prozentuale Veränderung des Zahnbelags an allen Zahnflächen bestimmt und ausgewertet sowie das Zahnfleisch untersucht. Ergebnis: 8-mal höhere Chance auf Plaquefreiheit

Die zusätzliche Anwendung der Mundspülung mit ätherischen Ölen ergänzend zur mechanischen Zahnreinigung führte zu einer fast 8-mal höheren Chance auf plaquefreie Zahnflächen im Vergleich zur mechanischen Reinigung allein. Auch der Plaque‧index wies signifikante Unterschiede auf: Während 83 Prozent der Probanden in der Gruppe, die zusätzlich spülte, einen Rückgang des Plaqueindex um 20 Prozent erreichten, konnte dieser Effekt nur bei einem Viertel der Probanden, die ohne Spülung und lediglich mechanisch reinigten, beobachtet werden. Zudem ermöglichte die zusätzliche Verwendung der Mundspülung eine 5-mal höhere Chance, das Zahnfleisch gesund zu erhalten, als die mechanische Zahnreinigung allein.

(Quelle: Meta-analysis of the effect of an essential oil-containing mouthrinse on gingivitis and plaque. JADA 2015; 146(8): 610–622.)

Prof. Dr. Michael Noack
ist Direktor der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Universitätsklinik Köln.