Optimale Prophylaxe durch Biofilmmanagement
Schöne und gesunde Zähne ein Leben lang, das ist der Wunsch aller Patienten. Durch regelmäßige und risikoorientierte Prophylaxe lässt er sich auch realisieren. Karies und Parodontitis sind biofilmassoziierte Erkrankungen, die, wenn sie unbehandelt bleiben, zum teilweisen oder vollständigen Verlust der Zähne und des Zahnhalteapparats führen. Damit wird der betroffene Patient zum „Mundkrüppel“.
Er verliert Kaukomfort und Lebensqualität, was er durch den Einsatz von Geld zumindest teilweise wieder kompensieren kann. Voraussetzung: Er findet eine Zahnarztpraxis mit der notwendigen Qualifikation, um ihm langfristig wieder Stabilität zu geben. Was er allerdings unwiederbringlich verloren hat, sind Gesundheit und Lebensjahre, denn die systemischen Kollateralschäden, verursacht durch Parodontitis, sind irreversibel [9].
Etwa 80 Prozent der Erwachsenen leiden unter Parodontitis unterschiedlichen Schweregrades, wobei mit zunehmendem Lebensalter die Gruppe der schwer Erkrankten zunimmt [4]. Wissenschaftlich betrachtet, besteht daher die medizinische Notwendigkeit eines lebenslangen Biofilmmanagements, sprich risikoorientierter Prophylaxe, um Patienten nicht nur die Dentition, sondern insgesamt ihre Gesundheit zu erhalten. Da es permanent zur Reinfektion mit pathogenen Keimen kommt, ist bei Parodontitispatienten eine kontinuierliche Betreuung in regelmäßigen Intervallen erforderlich [6, 8].
Nach ausführlicher Instruktion und Motivation zu Entstehung, Auswirkungen und Möglichkeiten der individuellen, häuslichen Mundhygiene spielt die Compliance des Patienten eine wichtige Rolle [6, 8].
Erfolgreiches Biofilmmanagement ist demnach der stetige Kampf zwischen Desinfektion und Reinigung der Zahnfleischtaschen einerseits und deren nachfolgender Reinfektion andererseits [6]. Ziel ist die qualitative und quantitative Verschiebung der bakteriellen Besiedlung bzw. Infektion hin zu einer möglichst niedrigen Keimzahl insgesamt, mit einem geringen Anteil pathogener Spezies innerhalb des Keimspektrums. Gelingt es, einen Patienten langfristig in diesem Segment zu halten, so ist dies das Resultat einer erfolgreichen Betreuung und ein Höchstmaß an parodontaler Stabilität wird erreicht [5].
Dieser „Kampf“ spielt sich in einem ganz speziellen Gebiet ab: In der Mundhöhle unterscheiden wir zwischen desquamierenden (Schleimhäuten) und nicht desquamierenden (Zahn, Wurzeloberflächen, Zahnersatz, Implantate) Oberflächen. Während es für Biofilme auf abschilfernden Schleimhäuten schwierig ist, sich anzusiedeln und große pathogene Strukturen aufzubauen, sieht die Situation auf den nicht desquamierenden Oberflächen ganz anders aus. Dort können die Biofilme fast ungestört reifen und Erkrankungen hervorrufen und diese auch langfristig unterhalten.
Durch den parodontalen Attachmentverlust kann sich der Anteil nicht desquamierender zu desquamierenden Oberflächen von 23 Prozent beim Gesunden schnell um 100 Prozent erhöhen [6] Daher hat die Reinigung der nicht desquamierenden Oberflächen eine ganz entscheidende, im Grunde strategische Bedeutung.
Das bedeutet, dass es die beste Therapie ist, eine Entstehung der Parodontitis von Anfang zu vermeiden. Dazu muss allerdings bereits der gesunde, junge Patient konsequent in ein Betreuungsprogramm eingebunden werden. Damit hat man fast automatisch auch die Karies therapeutisch im Griff.
Wichtig: Regelmäßige Datenerhebung
Die erfolgreiche Betreuung des Parodontitispatienten setzt regelmäßige Datenerhebung, Remotivation und vor allem neben der professionellen Zahnreinigung (PZR) die Reinigung der Zahnfleischtaschen voraus.
Ohne regelmäßige und gründliche Entfernung des gereiften Biofilms aus den subgingivalen Bereichen wird die Parodontitis trotz regelmäßiger PZR (supragingival) weiter voranschreiten [12]. Da für die Erreichung des oben genannten Therapieziels eine lebenslange und regelmäßige Betreuung (vier Recall-Termine/Jahr oder mehr) notwendig ist [8], ist eine möglichst atraumatische und effiziente Arbeitsweise aus Gründen des Substanzerhalts und der Kostenersparnis anzustreben.
Dazu muss man sich nur immer wieder vor Augen führen, dass im Bereich der zu reinigenden Wurzeloberflächen nur eine dünne Schicht Zement auf dem im Vergleich zum Schmelz sehr weichen Dentin liegt. Eine aggressive Arbeitsweise, beispielsweise mit Küretten oder Natriumbikarbonat in Pulverstrahlgeräten, kann daher längerfristig zu starkem Substanzverlust führen [10, 11]. Klinisch können dann Gingivarezessionen, freiligendes Dentin und Hypersensibilitäten auftreten.
Auch Wurzelkaries kann dann in der Folge mit einer höheren Inzidenz erwartet werden. Ein Reattachment ist nach Verlust der Wurzelzementschicht nicht mehr möglich, es kommt nach der Behandlung nicht zu einer restitutio ad integrum.
Wie lässt sich der Biofilm langfristig substanzschonend, gründlich und gleichzeitig effizient aus den subgingivalen Bereichen entfernen?
- Grundsätzlich werden Oberflächenbehandlungen mittels Druckluft in zwei Gruppen kategorisiert.
- Luftabrasion, das sind Druckluft/Pulver-Anwendungen mit stark abrasiven Pulvern (Aluminiumoxid) zum Oberflächenabtrag wie beispielsweise Sandstrahlen im zahntechnischen Labor oder kinetische Kavitätenpräparation am Zahn.
- Airpolishing, Luft-Pulver-Wasserstrahl-Geräte, die mit weniger abrasiv wirkenden Pulvern (Natriumbikarbonat, Glycin) an Oberflächen anhaftende Beläge (Verfärbungen, Biofilme) entfernen [3].
- Wirkprinzip beider Verfahren ist die Freisetzung kinetischer Energie durch das durch Druckluft beschleunigte Pulver auf der bearbeiteten Oberfläche.
Klinische Indikationsbereiche:
- Entfernung supragingivaler Biofilme, Verfärbungen und substanzschonende Politur der Oberfläche [3]
- Entfernung subgingivaler Biofilme [1, 3]
- Implantatprophylaxe
- Prophylaxe bei kieferorthopädischen Patienten mit festsitzenden Apparaturen (Brackets) (Abb. 2, 3)
Klinische Anwendung
Die klinische Anwendung wird als komfortabel, sicher und schnell beschrieben. Damit dieses Ziel auch so erreicht wird, sind die Auseinandersetzung mit der Technologie und das Üben der Handhabung notwendig. Erfreulicherweise ist die zu durchlaufende Lernkurve kurz. In der Regel wird Airpolishing nach dem Debridement mit feinen Ansätzen in einem Ultraschallgerät (beispielseise P-Max Newtron XS mit nach links und rechts abgewinkelten Spitzen TK2–1L und TK2–1R an natürlichen Zähnen, PH2L und PH2R an Implantatoberflächen. Acteon, Mettmann) eingesetzt.
Es sollte vorher anhand des klinischen Befunds entschieden werden, welche Pulver zum Einsatz kommen und welche Indikationen abgedeckt werden sollen (Tabelle Pulverarten). Die Besonderheit des AIR-N-GO-Handstücks ist, dass sich innerhalb von Sekunden die Pulverbehälter für supra- oder subgingivales Arbeiten austauschen lassen und somit alle Indikationen komfortabel abgedeckt werden können. Je einfacher und zuverlässiger sich ein Gerät anwenden lässt, desto häufiger wird es auch tatsächlich in der Praxis benutzt (Abb. 4).
Das AIR-N-GO-Handstück besteht aus nur sieben Teilen, was die leichte Handhabung, Wartung und Zuverlässigkeit erklärt sowie eine ergonomische Adaptation an unterschiedlich große Hände ermöglicht. Am vorderen Ende ist standardmäßig eine 120°-Supra-Düse montiert. Optional sind auch 90°-Supra-Düse sowie die Perio-Düse für die subgingivale Anwendung mit Glyzin erhältlich. Die dann folgende Griffhülse in zwei Längen ermöglicht die leichte und perfekte ergonomische Anpassung an unterschiedliche Handgrößen. Die zentrale Handstückhülse besteht aus einem vorderen und einem hinteren Teil und umschließt das Bajonett.
Am hinteren Ende wird standardmäßig der blaue Supra-Pulverbehälter (für Natriumbikarbonat) mit einer 90°-Drehung im Uhrzeigerrichtung arretiert bzw. entgegengesetzt gelöst. Optional gibt es für die subgingivale Anwendung mit Glyzin einen Perio-Pulverbehälter in Grün, was Verwechselungen des Pulvers und daraus resultierende Verletzungen von Gingiva und Wurzeloberflächen verhindern soll. Sehr sinnvoll. Der Deckel des Pulverbehälters lässt sich zum Auffüllen leicht lösen. Pulver sollte nur bis zur Max-Markierung aufgefüllt werden.
Der Pulverbehälter hat einen sehr sinnvollen Stop-Powder-Druckknopf, der am Ende der Anwendung für wenige Sekunden gedrückt wird und für die Reinigung der Leitungswege im AIR-N-GO-Handstück sorgt. Nur Wasser und Druckluft strömen dann durch die Leitungen und verhindern wirkungsvoll ein Verstopfen mit feuchtem Pulver.
Subgingivale Anwendung
Der Perio-Behälter (Grün) wird mit AIR-N-GO „Perio“ (Glyzin) befüllt. Dieses Pulver ist resorbierbar und atraumatisch gegenüber den empfindlichen subgingivalen Strukturen.
In der Regel wird zur Erhaltungsthereapie und bei entzündungsarmen parodontalen Verhältnissen die SUPRA-Düse verwendet. Sie wird 5 mm von der Gingiva positioniert und im Winkel von 30° bis 60° zum Sulkus angesetzt. Mit leicht streichenden Bewegungen wird der Biofilm aus der Parodontaltasche entfernt. Dies funktioniert bis zu einer Tiefe von 5 mm sehr gut und mit einem hohen Wirkungsgrad. Dauer etwa 5 Sekunden je Parodontium.
Für besonders tiefe und offene Parodontaltaschen kommt die Perio-Düse zum Einsatz. Dabei handelt es sich um eine sehr feine Düse mit seitlichen Deflektoren, die etwa eine Woche nach einer Vorbehandlung in oben genannten Situationen angewendet werden kann. In kleinen, streichenden Bewegungen wird die Perio-Düse vom Taschenfundus zum Gingivalrand bewegt.
Supragingivale Anwendung
Der SUPRA-Behälter (Blau) wird entweder mit AIR-N-GO „CLASSIC“ (Natriumbikarbonat) oder für noch mehr Patientenkomfort mit AIR-N-GO-„PEARL“ (Kalziumkarbonat) befüllt. Für ein angenehmes Patientenerlebnis stehen fünf Geschmacksrichtungen zur Verfügung. Die SUPRA-Düse wird etwa 5 mm vom Zahnschmelz positioniert. Der Anstellwinkel beträgt zwischen 30° und 60° und ist zur Inzisalkante gerichtet. Mit streichenden und rotierenden Bewegungen werden Verfärbungen und Biofilme von der Schmelzoberfläche entfernt. [1]
Wichtig ist dabei folgendes: Den Pulverstrahl nicht auf Dentin oder Gingiva richten, da das vergleichsweise harte Pulver zu starken Schäden an diesen weichen Geweben führt. Neben Substanzverlust und schmerzhaften Verletzungen sind das Hypersensibilitäten und Rauigkeiten, die für vermehrte Biofilmakkumulation in der Zukunft verantwortlich sind.
Rauigkeiten am Zahnschmelz werden durch Ansatzwinkel um 90° verursacht und sorgen in Zukunft für schnelleres Verfärben der Oberfläche.
Implantatprophylaxe
Gerne wird in der Implantateuphorie von Behandlern und auch Patienten vergessen, dass die rauen Titanoberflächen bei oralen Biofilmen sehr beliebt sind. Vergessen wird ebenfalls, dass dem Implantat die Schutzbarriere eines Bindegewebsfaserapparats fehlt und deshalb eine Periimplantitis weitaus dramatischer und direkter verläuft als eine Parodontitis, auch wenn beide Erkrankungen eine ähnliche Pathogenese mit identischer mikrobieller Besiedlung aufweisen. Aufgrund mangelnder häuslicher sowie professioneller Pflege und/oder unzureichender attached Gingiva nimmt mit der Zeit die Entzündung des Hart- und Weichgewebes um Implantate herum zu. Periimplantitis ist daher inzwischen ein beliebtes Kongressthema.
In der professionellen Betreuung sind Stahlinstrumente wie Küretten oder Ultraschallansätze nicht geeignet, den Biofilm von den vergleichsweise weichen Implantaten zu entfernen, da es zu Schädigungen der Titanoberfläche kommt. Es werden Prädilektionsstellen für Bakterien geschaffen, die in der Zukunft zu mehr Biofilmakkumulation und Entzündung führen.
Neben Kunststoff- und Karbonküretten sind auch Kunststoffansätze für Ultraschallgeräte geeignet, Biofilme von Implantatoberflächen im Recall zu entfernen. Diese Instrumente haben einen gemeinsamen Nachteile: Der Wirkungsgrad ist vergleichsweise gering, da die Zugänglichkeit des Implantatsulkus und damit der Oberfläche bauartbedingt für diese Instrumente eingeschränkt ist. Besonders gilt das für entzündungsfreie Situationen, in denen die Gingivamanschette dem Abutment dicht anliegt.
Eine schonungsvolle, schnelle und hocheffektive Alternative für die Implantatprophylaxe ist die Reinigung mit AIR-N-GO „PERIO“ (Glyzin). Die Anwendung wurde bereits unter „Subgingival“ beschrieben. So lässt sich sehr komfortabel für Patienten der Biofilm mit einem hohen Wirkungsgrad von den Titanoberflächen entfernen, ohne diese zu schädigen.
Ebenso elegant und effektiv kann das AIR-N-GO Handstück mit dem „Perio“-Pulver bei chirurgischen Periimplantitisbehandlungen verwendet werden. Da das Glyzin vollständig resorbierbar ist, kann es gefahrlos im OP-Gebiet eingesetzt werden. So lässt sich die Implantatoberfläche intraoperativ schnell und effektiv von pathogenen Biofilmen befreien. In Kombination mit fotoaktivierter Desinfektion (PAD Plus, Orange Dental, Biberach) und anschließender Augmentation erscheint dieses Vorgehen erfolgversprechend, da es eine sichere Dekontamination der Oberflächen ermöglicht.
Wartung und Pflege
Die Wasserdurchflussmenge sollte 15 ml/min betragen, der Luftdruck bis 3 bar. Das Handstück lässt sich ohne Werkzeug schnell und einfach in seine sieben Einzelteile zerlegen. Diese können im Ultraschallbad gereinigt werden. Handstückhülse, Griffhülse und Düsen sind sterilisierbar.
Die O-Ringe sollten alle vier Wochen mit Silikonspray gepflegt werden.
Dann steht mit dem AIR-N-GO Handstück von Acteon ein zuverlässiges und kostengünstiges Gerät für alle Indikationsbereiche des Airpolishing zur Verfügung.
Fazit
Bei der möglichst lebenslangen Betreuung von Patienten in der Prophylaxe kommt der Vermeidung iatrogener Kollateralschäden eine große Bedeutung zu.
Supragingivale PZR reicht nicht aus, um Patienten vor Parodontitis zu bewahren oder die Progression bei bereits manifester Erkrankung aufzuhalten. Mit feinen Ultraschallansätzen und Pulverstrahlgeräten auch für das subgingivale Debridement können langfristig stabile und vor allem substanzschonende Ergebnisse erzielt werden.
Die schonungsvolle, aber effektive subgingivale Biofilmentfernung ist, neben der langfristigen Integration des Parodontitispatienten in ein stringentes Prophylaxeprogramm, der Schüssel zum Erfolg.
Dr. Carsten Stockleben ist gemeinsam mit seinem Bruder Dirk niedergelassen in eigener Praxis in Hannover. Zusammen erarbeiteten sie ein innovatives Konzept für Prophylaxe und ästhetische, minimal-invasive Zahnmedizin. Regelmäßige Studienaufenthalte in den USA prägen ihren Praxisstil. Stockleben ist als Referent international aktiv. Kontakt: info@institut-stockleben.de