Optimale Ergebnisse durch Dreifach-Prophylaxe
Eine Expertenrunde traf sich im Deutschen Ärzteverlag, um die Frage zu diskutieren, wie Biofilmmanagement in den verschiedenen Altersgruppen bei den Patienten funktionieren kann. Moderiert von Dr. Markus Bechtold, Chefredakteur des Dental Online College, sprachen dazu Prof. Dr. Katrin Bekes, Dr. Nicolas Rode und Dentalhygienikerin Sylvia Fresmann.
Optimale Mundgesundheit wünschen sich alle Praxen für ihre Patienten. Doch wie sieht diese Mundgesundheit genau aus? Für Sylvia Fresmann, Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Dentalhygienikerinnen (DGDH), ist es wichtig, dass die Patienten entzündungsfrei sind und auch möglichst wenige schlechte Angewohnheiten (Stichwort: Rauchen) haben. Der Plaqueindex allein habe für sie keine Aussagekraft – nur in Verbindung mit einem Blutungsindex und weiteren parodontalen Befunden könnten relevante Aussagen zur Mundgesundheit getroffen werden.
„Der Patient denkt manchmal, dass gesunde, kariesfreie Zähne auch eine optimale Mundgesundheit bedeuten. Aber es gehört doch etwas mehr dazu“, betonte Prof. Bekes. Für die Leiterin des Fachbereichs Kinderzahnheilkunde der Universitätszahnklinik in Wien ist ausschlaggebend, dass der Patient saniert ist, suffiziente Restaurationen vorhanden sind, die Schleimhäute entzündungsfrei sind, keine Schwellungen oder Fistelungen präsent sind und dass es keine längerfristig vorhandenen Beläge auf den Zähnen gibt.
Wenn Dr. Nicolas Rode, niedergelassen in eigener Praxis im hessischen Kriftel, auf seine tägliche Arbeit blickt, ist für ihn ein gesunder Mund, wenn er bei der Grunduntersuchung des Patienten keinen Handlungsbedarf feststellt – weder aktuell noch zukünftig. „Das gilt sowohl für die Zähne als auch für die Schleimhaut.“ Daher achtet Rode bei der Untersuchung der Schleimhäute auch auf die Wangen und die Zunge.
Generell, darin war sich die Expertenrunde einig, sorgt ein ungesunder Mund für ein höheres Risiko in unmittelbarer Umgebung: steigendes Karies-, Gingivitis- und Parodontitisrisiko. Es sei mittlerweile bekannt, erklärte Rode, dass vor allem gingivale oder parodontale Erkrankungen auch allgemeine Erkrankungen beim Patienten fördern oder bereits vorhandene Erkrankungen negativ beeinflussen können.
Zusammenhänge mit Allgemeinerkrankungen
Entzündungen im Körper, egal wo, könnten immer Allgemeinerkrankungen hervorrufen, sagt Bekes. Betrachte man den Mund, könne man davon ausgehen dass etwa 45 bis 60 Prozent der erwachsenen Patienten an einer Parodontitis leiden. Dann kommt es zu Entzündungen, Bakterienansammlungen folgen, Entzündungsmediatoren werden freigesetzt, und die bleiben nicht nur im Mundbereich, ‧sondern werden über die Blutbahn weitertransportiert. So könne es zu Zusammenhängen zwischen parodontalen Erkrankungen mit Schlaganfällen, Herz-‧Kreis‧lauf-Erkrankungen oder Diabetes mellitus kommen.
Bei der Frage der Mundgesundheit lohnt sich laut Bekes bereits der Blick auf die jungen Patienten. „Kinder, die an frühkindlicher Karies erkrankt sind oder massiven Kariesbefall haben, haben auch mit den negativen Auswirkungen zu rechnen.“ Als Spätfolgen einer frühkindlichen Karies werden ein negativer Einfluss auf die kindliche Entwicklung und die schulische Leistungsfähigkeit sowie eine höhere Infektanfälligkeit beschrieben.
Als Dentalhygienikerin ist Fresmann froh, dass das Thema Parodontitis und systemische Erkrankungen immer mehr in den Fokus rückt. Insbesondere was Patienten betrifft, deren Diabetes oder andere Allgemeinerkrankungen noch unerkannt sind. Die Zahnarztpraxis könnte im Rahmen der parodontalen Behandlung auch eine Screening-Aufgabe mit übernehmen. „Wir sprechen zwar bereits viel über diese Themen, oftmals ist das allerdings noch nicht im Alltag der Praxen implementiert“, beklagt Fresmann.
Bei den erwachsenen Patienten waren sich die Experten auch einig, dass eine Dauermedikation den Behandlern definitiv das Leben schwer mache. „Patienten nehmen heutzutage immer früher dauerhaft Medikamente, sind jedoch häufig nicht sensibilisiert, dass diese nicht nur die gewünschte Wirkung erzielen, sondern auch eine Reihe von Nebenwirkungen haben.“ Auch die Wirkung der Medikamente untereinander sei ein großes Thema bei den Patienten. Generell müsse man Nebenwirkungen, wie etwa Mundtrockenheit, aktiv mit den Patienten managen.
Sensibilisieren fürs Biofilmmanagement
Spricht man mit den Patienten über die Mundgesundheit, kommt man automatisch zum Thema Biofilm. Dieser komme ja überall vor, wo eine feste Oberfläche und Flüssigkeiten aufeinandertreffen, und sei völlig natürlich. Wichtig sei die Frage, wie das Immunsystem des Patienten mit dem Biofilm klarkomme. In den ersten 24 Stunden sei der Biofilm als nicht kariogene Plaque physiologisch. Erst danach komme es im Reifeprozess zur kariogenen Plaque. Für diesen Unterschied müsse man Patienten in der Prävention auch sensibilisieren. „Gerade weil der Biofilm für die Patienten nicht sichtbar ist, anders als der Zahnstein“, so Rode. Deshalb sei es in der Prophylaxe auch unverzichtbar anzufärben und die Biofilme zu zeigen, sagt Fresmann.
Aber wie bekommt man den Biofilm entfernt? Für die Expertenrunde ist die mechanische Reinigung die primäre Lösung. Für Bekes benötigt der Patient als Basis eine altersentsprechende Zahnbürste sowie die altersentsprechende, Fluorid enthaltende Zahnpaste. „Wichtig ist, dass der Patient in der richtigen Putztechnik für die Biofilmentfernung angeleitet wird.“
Bei der Zahnzwischenraumpflege kommt es für Fresmann auf die Größe der Zwischenräume und die Zahnstellung an, ob eine Zahnseide oder eine Zahn‧zwischenraumbürste verwendet wird. Je nachdem, wie die Mitarbeit im Biofilmmanagement der Patienten und Recall-Intervalle sind, ist es sinnvoll, eine Mundspülung für zu Hause zu empfehlen.
Fehlende Konsequenz bei den Patienten
Die Dreifach-Prophylaxe aus mechanischer Reinigung, Zahnzwischenraumreinigung und Mundspülung ist für die Dentalhygienikerin eine gute Option, da die Patienten oftmals Defizite in der mechanischen Reinigung haben. „Was wir in der Prophylaxe zeigen und üben, wird zu Hause in letzter Konsequenz nicht immer durchgeführt“, erklärt Fresmann. Durch die Dreifach-Prophylaxe könne das kompensiert werden.
Bei Kindern und Jugendlichen (ab sechs Jahren) mit hohem Kariesrisiko, unterstützend nach der kieferorthopädischen Behandlung, wenn die mechanische Reinigung nicht mehr so gut umsetzbar ist, und bei Kindern und Jugendlichen mit besonderen Bedürfnissen setzt Bekes die fluoridierte Mundspüllösung mit ein. Immer unter der Voraussetzung, dass sie auch eigenständig ausspülen und ausspucken können.
Rode weist darauf hin, dass er zwischen therapeutischen und prophylaktischen Mundspüllösungen im Praxisalltag unterscheidet. Parodontitispatienten beispielsweise oder frisch operierte Patienten haben ein ganz spezielles Bedürfnis und erhalten die Mundspüllösung therapeutisch, da die mechanische Reinigung bei ihnen über einen bestimmten Zeitraum ausfällt. Grundsätzlich könne die Mundspüllösung die mechanische Reinigung allerdings nicht ersetzen. „Man muss aufpassen, dass nicht dieser Eindruck beim Patienten entsteht.“
Die Dreifach-Prophylaxe ist schon das große Ziel der Motivation bei den Patienten. Allerdings sind alle Experten sich auch bewusst, dass bereits die Zahnzwischenraumreinigung mit Zahnseide oder Bürste bei den Patienten schwer vermittelbar sei. Das Wissen bei den Patienten fehle manchmal, da auch die Prophylaxe nicht von jedem wahrgenommen werde. Der Vorteil der additiven Mundspüllösung liegt für Rode zudem darin, dass es eine unkomplizierte Methode ist. Diese sei „einfach anwendbar“ und „dauert nicht so lang“ und ist „schnell zu besorgen“.
Kommunikation in der Kinderzahnheilkunde
Letztlich braucht es für ein erfolgreiches, langfristiges Biofilmmanagement beim Patienten einige Grundlagen: ein modernes Prophylaxekonzept mit guten Abläufen, die dem Patienten bekannt sind, an das individuelle Risiko des Patienten angepasste Recall-Abstände sowie einen Schwerpunkt mit der Motivation.
In der Kinderzahnheilkunde in Wien gibt es beim Recall eine Sonderregelung. Laut Bekes kommen die Kinder mindestens vierteljährlich zur Behandlung und zweimal im Jahr für die Prophylaxe. „Der Grund ist einfach: Kinder vergessen schnell. Nach sechs Monaten kann ich erneut mit der Desensibilisierung beginnen. Wir wollen aber eine Basis erarbeiten und das Bewusstsein der Kinder und der Eltern für regelmäßige Zahnarztbesuche ansprechen“, sagt Bekes.
Ihr Wunsch ist es, dass Eltern mit dem Kind bereits mit Durchbruch des ersten Zahns, spätestens mit Ende des ersten Lebensjahres, in die Praxis kommen. Dabei gehe es nicht primär um die Behandlung. „Wir wollen mit den Eltern ins Gespräch kommen, wie eine Mundhygiene aussehen kann.“ Dabei werde auch geredet über Zahnputztechniken, das Stillen, die Keimübertragung, die Ernährung, was in die Flasche kommt und wie lange der Schnuller gegeben wird. Später werde das Kind an die Routine des Zahnarztbesuchs gewöhnt.
Verstärkt sollte mit Eltern und Kindern die Prophylaxe betrieben werden, wenn die bleibenden Zähne durchbrechen, empfiehlt Bekes. Dann seien plötzlich größere Flächen bei den Zähnen zu reinigen, was zu Schwierigkeiten führen könne. Kommt irgendwann die Kieferorthopädie (KFO) dazu, hat die Mundhygiene bei Jugendlichen oftmals keine Priorität mehr. Dann seien Anfärbungsprozesse erneut wichtig, man müsse die Eltern mit einspannen und durch additive Mittel wie Fluoridgele sowie Mundspüllösungen reagieren.
Bei allen Patienten müsse, so die Experten, lebenslang auf Risikofaktoren geachtet werden. „Veränderungen im Leben sieht man auch in der Mundhygiene “, sagt Fresmann. In der Prophylaxe gebe es in jeder Altersgruppe Herausforderungen, auf die man flexibel reagieren müsse.
Je weniger die Patienten Mundhygiene betreiben können, sei es aufgrund des Alters oder anderer Einschränkungen der motorischen Fähigkeiten, desto mehr rückt für Fresmann die Mundspülung in den Fokus. Gleiches gelte für schwierig zu reinigende Zahnersatzkonstruktionen. Doch welche Mundspüllösungen kann man dauerhaft im Biofilmmanagement in der Dreifach-Prophylaxe empfehlen? Für Rode ist der Faktor Verfügbarkeit wichtig. „Wenn die Patienten sich die Mundspülung einfach besorgen können, nutzen sie diese auch.“
Langzeitanwendung: Ätherische Öle
Den Vorteil einer Mundspülung mit ätherischen Ölen sehen die Experten darin, dass es bei der Langzeitanwendung keine Verfärbungen gibt. Außerdem gebe es keine Geschmacksirritationen. Wichtig, so Fresmann, sei es, dass man auf den Alkoholanteil in einer Mundspüllösung mit ätherischen Ölen achtet, da es auch einige alkoholfreie Varianten mit ätherischen Ölen gibt. Auch der Geschmack und das Gefühl von Frische sind ausschlaggebend, wenn Patienten eine Mundspülung in ihre Mundhygieneroutine integrieren sollen.
Die additive Mundspülung mit ätherischen Ölen funktioniert aber nur, wenn der Patient sie auch regelmäßig anwendet. Deshalb sind Motivation und Kommunikation mit dem Patienten so wichtig. In der Gesprächsführung versucht Fresmann den Patienten nicht in die Ecke zu drängen. Durch sprachliche Anker gibt sie ihm die Möglichkeit, Fragen zu stellen und ganz neutral und positiv in die Beratung zu gehen. Der Patient will laut Fresmann nicht nur beraten werden, wir müssen ihm auch eine Lösung liefern. Was kann er also machen, damit alle Flächen des Zahns gereinigt werden?
Bekes versucht immer, Eltern und Kind mit ins Boot zu bekommen. Das Kind müsse das Gefühl haben, dass man sich darum kümmert, aber ohne die Eltern geht es nicht. Generell empfehlen alle Experten, den Patienten immer sämtliche Schritte des häuslichen Biofilmmanagements in der Beratung zu zeigen. Denn nur wenn sie es sehen, glauben sie es auch und halten sich an die Empfehlungen.
Rode hat in seiner Praxis die Aufklärung auch aus dem Behandlungsraum ausgegliedert. Er investiert viel Zeit in die Beratung. „Der Patient soll zu jedem Zeitpunkt wissen, was und warum etwas gemacht wird. Das zahlt sich aus.“