Prophylaxe

Motivational Interviewing

Die Kommunikationsmethode des Motivational Interviewing, ursprünglich entwickelt für Suchterkrankungen, zeigt in ersten Studien auch Erfolge in der Zahnmedizin, speziell in der Parodontologie. Der Autor skizziert das Konzept.



Fast alle Erkrankungen in der Zahnheilkunde und vor allem parodontale Erkrankungen entstehen multifaktoriell aus verhaltensabhängigen und genetischen Faktoren (Page Kornman 1997). Während zwischen Genetik und Parodontitis immer mehr Bezüge hergestellt werden (vgl. Schaefer et al. 2010), sind es auf der anderen Seite im selben Maße verhaltensabhängige Faktoren wie die suffiziente häusliche Mundhygiene, die Rauchfreiheit oder das regelmäßige Wiedererscheinen des Patienten in der Erhaltungstherapie, die den langfristigen Erfolg der Parodontaltherapie ausmachen (Eickholz et al. 2008). Zudem modifizieren Ernährung und körperliche Aktivität den Entzündungsprozess des Zahnhalteapparats (Shimazaki et al. 2010; Holloway, James Slack 1963). Genau diese verhaltensabhängigen Faktoren sind es, die unseren Patienten in der Beeinflussung so Schwierigkeiten bereiten: Mundhygiene, Rauchfreiheit, Ernährung oder körperliche Aktivität sind oft in höchstem Maße ambivalent betrachtete Verhaltensweisen. Im Bereich der Mundhygiene ist insbesondere die Interdentalraumhygiene eine immer noch selten durchgeführte Maßnahme trotz regelmäßiger Instruktionen durch das zahnärztliche Team (Schüz et al. 2006; Johansson, Oster, Hamp 1984).

Herkömmliche Gesprächsstrategien

In der Regel bestand die Motivation bisher aus direkten Anweisung an den Patienten, er möge doch bitte mehr Zahnseide verwenden, gründlicher reinigen, aufhören zu rauchen, häufiger in die Praxis kommen und dankbarer sein für unser zahnärztliches Bemühen. Diese direktive Art der Verhaltensverordnung hat nur geringe Effekte wie Miller Sanchez (1994) am Beispiel von Alkoholikern zeigen konnten. Der Haupteffekt einer direktiven Anweisung ist in der Regel das Erzeugen von Widerstand. So hören wir vom Patienten oft die Antwort „Ja, aber …“ oder „Weiß ich doch, aber …“. Jedes Verhalten ist ein ambivalentes Geschehen, das mit Vor- und Nachteilen bezüglich der Durchführung verbunden ist, vergleichbar mit einer Waage (Abbildung 1). Wenn der zahnärztliche Experte nur eine Seite des Verhaltens betont, wird der Patient versuchen, die Ambivalenz ausgleichen und die andere Seite des Verhaltens hervorzuheben. Der Patient wird dadurch erst gedanklich kreativ und aufführen, was ihn eigentlich alles abhält davon, regelmäßiger die Zahnzwischenraumbürste zu benutzen, oder warum er gerne raucht.

Motivational Interviewing

Auf der Grundlage der nur wenig erfolgreichen Therapieergebnisse der konfrontativen Methoden in der Suchtentwöhnung entwickelten Miller and Rollnick (1991) die Methode des Motivational Interviewing (MI, Motivierende Gesprächsführung). Die Technik basiert auf der Grundlage der klientenzentrierten Therapie und des aktiven Zuhörens nach Carl Rogers (1983). Sie zielt darauf ab, Verhaltensänderungen des Patienten durch bedingungslose Akzeptanz und Empathie hervorzurufen. Ein kommunikatives Merkmal des klientenzentrierten Ansatzes ist das Ausdrücken von Empathie durch das Spiegeln oder Reflektieren der Patientenaussagen:

Im Unterschied zum rein non-direktiven Vorgehen des klientenzentrierten Ansatzes werden im MI gezielt selbstmotivierende Aussagen reflektiert:

Grundhaltungen des Behandlers im MI

Grundlage des MI ist ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen zahnärztlichem Experten und dem Patienten. Diese Partnerschaft findet auf Augenhöhe statt und bildet eine Art therapeutische Allianz. Eine weitere Grundlage ist, dass der Zahnarzt die Autonomie des Patienten wahrt und auch betont:

Ohne Autonomie kann nur wenig intrinsische Motivation entwickelt werden, auf die es letztendlich ankommt, um ein Verhalten längerfristig und widerstandsfähig aufrechtzuerhalten.

Allein schon das Akzeptieren von Verhaltensweisen kann die Möglichkeit zur Veränderung schaffen. Ein weiteres, für uns zahnärztliche Experten oft nur schwer auszuhaltendes Ziel des MI ist die Evocation der Verhaltensänderung. Evocation bedeutet, dass der Patient die Veränderung selbst aussprechen und nicht vom Gegenüber vorgelegt bekommen sollte.

Ein für uns so schwieriges Ziel, da der Praxisalltag so oft von Hektik und Zeitnot geprägt ist und es viel einfacher und schneller geht, dem Patienten einfach zu sagen, dass er häufigere Interdentalraumreinigung betreiben sollte.

Allerdings ist eine Veränderungsabsicht, auf die der Patient selbst gekommen ist, weitaus effektiver als ein Ziel, das von außen vorgegeben wurde.

Ratschläge sind nach den Prinzipien des MI nur auf Nachfragen des Patienten zu geben:

Kommunikative Basisstrategien des MI

Die kommunikativen Basisstrategien des MI sind:

Offene Fragen stellen,

Reflektieren und

aktives Zuhören,

selbstmotivierende Aussagen hervorrufen und

den Patienten dabei bestätigen.

Offene Fragen zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht nur mit ja oder nein beantwortet werden können, sondern den Patienten zum Erzählen und weiteren Explorieren einladen. Statt zu fragen: „Fällt es Ihnen schwer, die Zahnzwischenraumbürstchen anzuwenden?“, bietet sich eine Frage an wie: „Wie kommen Sie mit den Zahnzwischenraumbürstchen zurecht?“In der nachfolgenden Antwort des Patienten können dann gezielt die Inhalte reflektiert und bestätigt werden, die selbstmotivierende Aussagen enthalten.

Das ausgewogene Zusammenfassen der Vor- und Nachteile des Verhaltens durch den zahnärztlichen Experten kann dem Patienten die Möglichkeit geben, weitere selbstmotivierende Aussagen zu tätigen.

Die Unterschiede zwischen einem paternalistischen Vorgehen und MI sind in Tabelle 1 aufgezeigt.[]

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Evidenz und aktuelle Studierendenausbildung, Abteilung für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie der Uniklinik Freiburg

Motivierende Gesprächsführung bietet die Möglichkeit, strukturiert eine Kommunikationsmethode zu erlernen, die nachweislich die intrinsische Motivation von Patienten erhöhen kann (Rubak et al. 2005).

Im Bereich der Zahnmedizin sind erste Studien erschienen, die eine vielversprechende Aussicht auf die Effektivität von MI zeigen (Godard et al. 2011; Jönsson et al. 2010).

In einer selbst durchgeführten Befragung von Studierenden, Zahnärzten und Patienten zeigte sich zudem, dass alle Beteiligten der zahnärztlichen Kommunikation einen wesentlichen Anteil am Therapieprozess beimessen (Woelber et al. 2012). In der Abteilung für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie der Uniklinik Freiburg und im Rahmen des MasterOnline Parodontologie Periimplantäre Therapie werden die Studierenden und Postgraduierten mit theoretischen Seminaren und aktiven Gesprächen mit Simulationspatienten im Bereich der zahnärztlichen Kommunikation geschult (Abb. 2). Das praktische Erlernen von Kommunikation mittels Simulationspatienten, die speziell in verschiedenen Rollen und dem Geben von Feedback trainiert wurden, bietet die einmalige Möglichkeit, die eigene Kommunikation durch die Patientensicht zu reflektieren und zu verbessern.

Dr. Johan Wölber ist seit 2007 Assistenzzahnarzt und wissenschaftlicher Mitarbeiter, Abteilung für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie des Universitätsklinikums Freiburg i. Br.

2010 promovierte er mit dem Titel „Evaluation zweier computergestützter Lernprogramme in der Parodontologie“.

Kontakt: johan.woelber@uniklinik-freiburg.de