Schmerz- und angstreduzierte Anästhesie

Nicht nur die Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) hat sich zu einem hochaktuellen Thema entwickelt, das Zahnmediziner weltweit vor große klinische Aufgaben stellt. Generell scheinen sich die Parameter in der Kinderzahnheilkunde leicht verändert zu haben. Ängste und Sensibilitäten haben zugenommen, wie auch die Herausforderung, mit begleitenden Elternteilen umzugehen.



Wir sprachen mit Prof. Dr. Katrin Bekes (Medizinische Universität Wien) über den Umgang mit Ängsten in Bezug auf aktuelle Möglichkeiten schmerzreduzierter und angstvermeidender Anästhesieverfahren.

Frau Prof. Bekes, in Ihrer Klinik verwenden Sie spezielle Geräte für die digitale, computergesteuerte Anästhesie bei Kindern. Weshalb haben Sie sich hierfür entschieden?
PROF DR. KATRIN BEKES: In der Kinderzahnmedizin kann die Gabe einer Lokalanästhesie durchaus eine Herausforderung sein. Obwohl sie das wichtigste Hilfsmittel für die Schmerzkontrolle darstellt, ist die Angst von Kindern vor einer Spritze teilweise immer noch groß. Vor allem die klassische Infiltrationsanästhesie oder die Leitungsanästhesie können Ängste beim Kind hervorrufen. Eine computergesteuerte Durchführung kann da eine gute Alternative darstellen, um eine atraumatische und schmerzfreie Anästhesie zu erzielen.

Welche Anästhesiearten können Sie digital gesteuert durchführen?
BEKES: Je nach gewähltem Applikationssystem ist es möglich neben der klassischen Infiltrations- oder Leitungsanästhesie auch intraligamentäre oder intraossäre Anästhesietechniken durchzuführen.

Entstehen bei der Verwendung dieser Geräte für spezielle Indikationen besondere Vorteile im Gegensatz zu der bewährten Anästhesie mittels Spritze und Kanüle?
BEKES: Die computergesteuerte, digitale Lokalanästhesie ermöglicht eine schmerzarme, gewebeschonende und präzise Betäubung und ist daher besonders für Kinder und ängstliche Erwachsene geeignet. Ein weiterer Vorteil ist eine kontrollierte, langsame Injektionsrate mit geringem Druck, wodurch größere Mengen des Anästhetikums in das Desmodont platziert werden können. Gleichzeitig wird einer „überdruckbedingten“ Gewebeschädigung effektiv vorgebeugt. Zudem fließt das Anästhetikum der Nadel voraus, sodass die Oberfläche des Gewebes bereits vor dem Einstich betäubt ist. Die Wirkung des Betäubungsmittels setzt sofort ein.

Haben Sie die Erfahrung gesammelt, dass bereits der optische Wegfall der Spritze einen positiven psychologischen Einfluss in der Behandlung von ängstlichen Patienten mit sich bringt?
BEKES: Computergesteuerte Systeme werden in der Regel von den Kindern aufgrund der unauffälligeren Gestaltung nicht direkt mit den bekannten „Spritzen“ verknüpft. Auch die Eltern erkennen diese Geräte nicht sofort und übertragen so nicht ihre eigenen Ängste auf das Kind.

Gibt es auch Nachteile?
BEKES: Da nur sehr geringe Anästhetikamengen injiziert werden und sich das Anästhetikum nur begrenzt ausweitet, ist die intraligamenäre Anästhesie beispielsweise nur bedingt für länger dauernde und ausgedehnte dentoalveoläre chirurgische Eingriffe geeignet. Diese sind jedoch in der Kinder- und Jugendzahnheilkunde selten.

Wird die digitale Anästhesie nur bei Kindern verwendet, oder erhalten auch Erwachsene diese Möglichkeit?
BEKES: Wir sind in unserer Abteilung auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren spezialisiert. Aus diesem Grund bieten wir diese Art der Anästhesie momentan nur dieser Altersgruppe an. Selbstverständlich würden jedoch auch Erwachsene – wenn sie bei uns behandelt würden – die digitale Anästhesie angeboten bekommen.