PZR: Nutzen und Schaden sind ausgewogen
Die PZR steht seit einiger Zeit in der Kritik. Besonders die Ergebnisse des IGeL-Monitors sorgten für Unruhe. Zeit, sich dem Thema wissenschaftlich zu nähern und zu beruhigen. Aber auch Zeit, in der Prophylaxe und der Parodontitistherapie umzudenken.
Der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e. V. (MDS) prüft im IGeL-Monitor regelmäßig individuelle Gesundheitsleistungen. Da die Professionelle Zahnreinigung (PZR) ein privat zu bezahlendes Angebot ist, das über das Angebot der gesetzlichen Krankenkassen hinausgeht, sah der MDS dies als Ansatz, um die PZR überprüfen zu lassen. Ergebnis: Die PZR bei Erwachsenen ohne Parodontitis wird als „unklar“ bewertet. Sprich: Nach Ansicht des IGeL-Monitors aus dem Oktober 2013 sind Nutzen und Schaden der PZR ausgewogen, oder es finden sich keine ausreichenden Daten, um Nutzen und Schaden zu beurteilen.
Für den „Grundpfeiler der Prophylaxe“ ein Schlag ins Gesicht. Ein genauerer Blick auf die Untersuchung des IGeL-Monitors sorgte aber schnell für Beruhigung, auch wenn in einigen Praxen Unsicherheit bei den Patienten seit diesen Aussagen herrscht. Die Analyse des MDS war eine Klasse 2b-Studie, also eine randomisierte, kontrollierte Studie. Die Defin‧ition der PZR erfolgte streng nach der GOZ-Nummer 1040 – also als rein supragingivale oder gingivale Reinigung. In der Studie waren zudem nur parodontal gesunde Patienten enthalten. Ein weiterer Kritikpunkt war die Gruppeneinteilung, die ebenfalls zu einem unklaren Nutzen der Studie führte.
Zumindest einen Punkt hat der IGeL-Monitor mit seinen Aussagen angeschnitten, bei dem sich Paro-Experten einig sind: Supragingivale PZR ist als alleinige parodontale Erhaltungstherapie für parodontal Erkrankte ungeeignet. „Ich würde die supragingivale PZR in diesem Fall sogar als Behandlungsfehler bezeichnen“, betont Prof. Dr. Ulrich Schlagenhauf, Leiter der Abteilung für Parodontologie in der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie des Universitätsklinikums Würzburg. Es gibt laut Schlagenhauf eine ganze Reihe weiterer Studien und Metaanalysen von Studien, die aber für die professionelle supragingivale Reinigung von parodontal Gesunden ebenfalls kein signifikantes oder ein völlig unklares Nutzen-Schaden-Verhältnis nachweisen konnten.
Bessere Ergebnisse bei subgingivaler Reinigung
Eindeutig lasse sich wissenschaftlich zeigen, dass die subgingivale Reinigung bei der PZR bessere Ergebnisse erzielte als die rein supragingivale. Nur die subgingivale Mikroflora ist überhaupt in der Lage, Entzündungen auszulösen, die die Integrität des Saumepithels gefährden und damit den Startpunkt parodontaler Zerstörungen bilden. Eine Entfernung der supragingivalen Beläge hat nur einen geringen bis keinen Einfluss auf die Vitalität und das Wachstum subgingivaler Bakterien, da diese die von innen nach außen strömende Sulkusflüssigkeit als Nahrungsquelle nutzen, deren Fließstärke auch durch eine gründliche supragingivale Reinigung fast nicht verändert wird.
Hier ist ein Umdenken in den Praxen gefordert, das teilweise bereits begonnen hat. Hin zur subgingivalen Reinigung in der parodontalen Nachsorge als Pflicht. Doch eine effektive subgingivale Reinigung erfordert Zeit und handwerkliches Können, das man sich üblicherweise nur durch eine solide praktische Ausbildung unter Anleitung parodontologisch erfahrener Zahnärzte und Dentalhygienikerinnen aneignen kann. „Solche Ausbildungsgänge und Ausbildungsstätten sind in Deutschland immer noch viel zu selten, um den sehr großen und weiter steigenden Behandlungsbedarf auch nur annähernd abdecken zu können. Der Masse der präventiv tätigen Assistenzkräfte in Deutschland fehlt es daher leider an der Möglichkeit, ihre parodontalpräventive Kompetenz an entsprechenden Ausbildungszentren im Bereich der effektiven subgingivalen Reinigung weiter zu entwickeln“, sagt Schlagenhauf.
Gleiches gelte für die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die dafür gesorgt haben, dass auch „weiche Faktoren“ wie Ernährung und Lebensstil immer wichtiger für die parodontale Nachsorge werden. Bereits den parodontologischen Pionieren der Arbeitsgemeinschaft für Paradentosenforschung in den 20er Jahren des letzten Jahrhundert sei laut Schlagenhauf klar gewesen, dass die eigentlichen Ursachen für parodontale Erkrankungen letztlich systemischer Natur sind. „Nur war das Detailwissen darüber damals so unvollständig, dass daraus keine klinisch brauchbaren Therapiekonzepte abgeleitet werden konnten.“
Erst das in den skandinavischen Ländern entwickelte Konzept der effektiven Plaquekontrolle bot die Möglichkeit, die Progression parodontaler Erkrankung signifikant zu verlangsamen. Daraus sei dann leider die weit verbreitete falsche Vorstellung entstanden, dass schlechte Mundhygiene per se die primäre Ursache der Erkrankung sei. „Erst die Vielzahl neuer Forschungsergebnisse im Bereich der mukosalen Immunologie und vor allem im Bereich der Gastroenterologie hat unser Bild über die Bedeutung bakterieller Biofilme für die Entstehung chronischer Entzündungen gründlich verändert und den Fokus nun erneut auf die Themen Ernährung und Lebensstil gerichtet“, so der ehemalige Präsident der DGParo.
Ein Umdenken hat in den Zahnarztpraxen bereits begonnen
Schlagenhauf erhält gerade von niedergelassenen Kollegen sehr viele positive Rückmeldungen nach Vorträgen zu diesem Thema. „Ich denke schon, dass dieses Umdenken auch die Praxen erreicht hat.“ Auch die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) arbeitet aktuell an mehreren Leitlinien zu dieser Thematik – federführend ist hier die DGParo.
Als ganz wesentliche Voraussetzung für ein in der Praxis erfolgreiches Prophylaxekonzept sowie eine erfolgreiche Parodontitistherapie sieht Schlagenhauf die Verfügbarkeit von Mitarbeitern, die in der praktischen Umsetzung präventiver Maßnahmen wirklich kompetent ausgebildet wurden. „Darüber hinaus ist die Kontrolle der Effektivität durchgeführter Therapiemaßnahmen durch zumindest jährlich wiederholte Befunde, die nicht nur die Erfassung der Taschentiefen, sondern auch der Blutung auf Sondierung umfassen, unerlässlich.“ Nicht zuletzt sollte auch stets ein Blick auf die medizinische Gesamtsituation der Patienten geworfen werden. „Im Zweifelsfall sollten mögliche extraorale Krankheitsursachen in Kooperation mit ärztlichen Kolleginnen und Kollegen identifiziert und wo möglich einer Behandlung zugeführt werden.“