Wann Keramikimplantate statt Titan?
Wer unter Allergien leidet, sollte vor einer Implantation einen Titan-Stimulationstest durchführen lassen. Dazu rät Dr. Frank Hoffmann. Seit einem Jahr bietet der Hamburger Implantologe Patienten auch Keramikimplantate an. Im Vorfeld erfolgt ein intensives Aufklärungsgespräch.
Kann Titan Allergien auslösen?
Hoffmann: Nicht im klassischen Sinn. Aber manche Menschen reagieren empfindlich auf Titan.
Wie lässt sich das herausfinden?
Hoffmann: Mit einem Titan-Stimulationstest. Vor einer geplanten Implantation erläutere ich den Patienten die Vor- und Nachteile der Implantatmaterialien Titan und Zirkon und beschreibe mögliche Risiken. Menschen mit einer Metallsensibilität rate ich zum Beispiel, einen Titan-Stimulationstest durchzuführen.
Bieten Sie das in Ihrer Praxis an?
Hoffmann: Ja, eine Ärztin, die mit uns zusammenarbeitet, nimmt dem jeweiligen Patienten in unserer Praxis Blut ab. Die Blutprobe lassen wir von Berliner Labor IMD, das auf umweltmedizinische Fragestellungen spezialisiert ist, auswerten.
Was sagt der Test aus?
Hoffmann: Er dokumentiert die Reaktion des Immunsystems auf Titan. Stellt Titan für das Immunsystem des Patienten einen Reiz dar, haben wir jetzt Alternativen zu Titanimplantaten.
Welche Alternativen?
Hoffmann: Keramikimplantate, seit einem Jahr haben wir diese Implantate im Sortiment.
Warum erst seit einem Jahr?
Hoffmann: Die Risiken waren mir bislang einfach zu hoch. Et‧liche Studien haben ein mechanisches Versagen von Keramikimplantaten nachgewiesen. Ich habe deshalb abgewartet, obwohl ich Patienten mit Titan-Überempfindlichkeiten vertrösten musste. Die Firma Straumann hat für das Pure Ceramic Implantat die mechanische Stabilität nun nachweislich dokumentiert. Außerdem ist die Oberfläche durch ein besonderes Verfahren für die Osseointegration verbessert.
Was konkret hat Sie überzeugt?
Hoffmann: Die wiederholten Tests vor der Markteinführung. Danach hat das Pure Ceramic Implantat sogar eine höhere Ermüdungsfestigkeit als ein Titanimplantat mit Sekundärteil.
Es handelt sich um ein einteiliges Keramikimplantat – wie steil ist die Lernkurve? Was müssen Newcomer beachten?
Hoffmann: Für echte Einsteiger ist das nichts. Einteilige Keramikimplantate gehören in die Hände erfahrener Implantologen. Denn das A und O ist die detaillierte präimplantologische Planung, vor allem weil ein nachträgliches Individualisieren durch Beschleifen mit erheblichen Risiken verbunden ist.
Was kann passieren? Schließlich gibt es Hersteller, die ein Individualisieren einteiliger Zirkonimplantate durch Beschleifen ausdrücklich empfehlen …
Hoffmann: Wer Zirkon kennt, weiß, dass ein nachträgliches Beschleifen zur Beschädigung des Implantats führen kann. Die Firma Straumann rät deshalb davon ab, und unnötige Risiken sollte man vermeiden.
Auch in der Einheilphase kann es zu Fehlbelastungen und weiteren Komplikationen kommen. Wie lässt sich das verhindern?
Hoffmann: Mit einer speziellen Schiene, die Patienten nach Insertionen zum Schutz der Implantate in der Einheilphase tragen.
Immer wieder wird die ästhetische Komponente der weißen Implantate hervorgehoben, auch von Behandlern. Welche Rolle spielt die Ästhetik bei der Indikation „Keramik“ in Ihrer Praxis?
Hoffmann: Definitiv eine untergeordnete. Die Titan-Unverträglichkeit und spezielle Bedürfnisse der Patienten – manche Patienten lehnen Metallversorgungen grundsätzlich ab – bilden in unserer Praxis die Hauptindikation. Vor allem im Frontzahnbereich lassen sich mit zweiteiligen Titan-Implantaten mit dem richtigen Abutment wesentlich einfacher perfekte ästhetische Ergebnisse erzielen. Das gilt selbst für Patienten mit dünner Gingiva.
In welchen Regionen favorisieren Sie „einteilige Keramik“?
Hoffmann: In Schaltücken, zum Beispiel im Seitenzahnbereich. Mein Fallbeispiel zeigt die Versorgung der Schaltücke 36. Der Patient(49) hatte sich aufgrund einer Metallsensibilität für Keramik entschieden. Er stellte sich mit einer seit drei Jahren bestehenden Schaltlücke in Regio 36 vor. Seine Mundhygiene war gut. Der Patient wurde über die Besonderheiten der Versorgung aufgeklärt. Die Ausgangssituation zeigte ein ausreichendes transversales Knochenangebot, gute gingivale Verhältnisse und einen optimalen interokklusalen Abstand zur Verwendung eines einteiligen Implantats. Eine Panoramaschichtaufnahme maß einen großen Abstand zum Nervkanal. Dem Patienten war bewusst, dass das Implantat während der Einheilphase geschützt werden muss. Dazu bekam er eine im zahntechnischen Labor hergestellte Miniplastschiene, die er ganztags trug Freiendsituationen sind komplizierter.
Setzen Sie einteilige Keramik-Implantate auch im Frontzahnbereich?
Hoffmann: Nein, im Frontzahnbereich eher nicht. Ich hoffe, dass es bald gut dokumentierte zweiteiligen Keramik-Implantaten gibt. Einer meiner Patienten wartete zum Beispiel so lange mit der Implantation bis gut dokumentierte zweiteilige Keramikimplantate angeboten werden.
Titan-Hypersensibilität
- Titan hat eine im Vergleich zu anderen Metallen sehr geringe allergene Potenz. Die Ursache ist, dass aus Implantaten herrührende Titanionen aufgrund ihrer hohen Oxidationstendenz unmittelbar nach Freisetzung oxidiert werden. Oxidierte Titanpartikel sind im Gegensatz zu Metallionen nicht mehr in der Lage, über die Modifikation von Proteinen zum Allergen zu werden, d.h. sie haben keine Haptenwirkung.
- Die Titanunverträglichkeit ist Folge einer gesteigerten Entzündungsbereitschaft.
- Die häufigste Ursache der individuellen Überempfindlichkeit gegenüber Titan ist eine überschießende proentzündliche Reaktivität der Gewebemakrophagen. Bei Patienten mit „überschießendem Immunsystem“ können in der Umgebung von Implantaten Entzündungserscheinungen auftreten, die auch zur fehlenden knöchernen Integration, Perigingivitis und Periimplantitis führen. Die Folgen sind nicht nur Schmerzen sondern auch ein vorzeitiger Implantatverlust.
- Beim Titan-Stimulationstest wird untersucht, ob die Monozyten/Makrophagen des Patienten nach Kontakt mit Titanpartikeln mit einer gesteigerten Entzündungsantwort reagieren.
- Dieser Test erfolgt im Vorfeld einer geplanten Implantation. Wird eine Prädisposition für eine gesteigerte Entzündung auf Titanoxidpartikeln nachgewiesen, rät Hoffmann zu Zirkon-Implantaten. Denn mit steigendem Entzündungsgrad steigt auch das Risiko für ein Titan-assoziiertes Entzündungsgeschehen/Implantatverlust.
Dr. Frank Hoffmann
studierte Zahnmedizin in Hamburg und ist in einer Gemeinschaftspraxis in Hamburg niedergelassen. Er implantiert seit mehr als 20 Jahren, seit einem Jahr setzt er auch Keramikimplantate.
Kontakt: zahnarztpraxis@borgweg.de