Trabecular Metal

Tantal-Implantate: Osseoinkorporation statt Osseointegration?

Tantal-Implantate werden zwar nicht zum Standard aufsteigen, aber sicherlich mehr Einsatzgebiete finden als in der Vergangenheit, meint Langzeitanwender Dr. Torsten Kamm. Denn die Verarbeitung des Materials wird kostengünstiger und das spezielle Implantatdesign schafft eine enorme Primärstabilität.


Zustand mehr als zehn Jahre nach Implantation TMT Regio 26, 27 mit simultanem externen Sinuslift; Ausheilung der Mukozele in der Kieferhöhle. © Kamm


Herr Dr. Kamm, 2011 kam das Trabecular-Metal-Implantat (TM) von Zimmer Biomet Dental auf den Markt. Seit wann setzen Sie Tantal-Implantate wie das TM ein?

Kamm: Wir waren lange vor der Markteinführung des Trabecular Metal bereits Erprober und damit eine der ersten Praxen weltweit, die es angewendet haben. TM war eine ganz neue Idee, die Zimmer damals entwickelt hatte, eine richtige Revolution. Es hatte ja seit der SLA-Oberfläche von Straumann 1998 (Anm. d. Red.: Die SLA-Oberfläche von Straumann ist eine Titanoberfläche, die durch grobe Sandstrahlung eine Makrorauheit erhält. Anschließend wird durch Säureätzung eine Mikrorauheit erzeugt) keine grundsätzlich neue Implantat-Oberfläche mehr gegeben. Es gab kleine Änderungen, indem man auf die bestehenden Oberflächen etwas aufbrachte, zum Beispiel Fluorid (Osseo Speed von Astra Tech 2004) und anderes. Die meisten Oberflächen waren also ziemlich gleich. Dann kam Trabecular Metal, bei dem etwas Grundsätzliches komplett anderes gemacht worden war. Denn Tantal-Implantate wie das TM sind keine Implantate, die ein Aufwachsen auf den Knochen, sondern ein Einwachsen in den Knochen gewährleistet. Das war sehr interessant für uns.

Hielt das TM, was es versprochen hatte?

Kamm: Bereits die ersten Studien erbrachten sehr gute Erfolgsraten für den Einsatz im normalen Knochen, vergleichbar mit den Studien zu bestehenden Implantatsystemen. Das TM ist jedoch insofern schwer vergleichbar, da es besonders bei Risikopatienten eingesetzt wird, deren Verlustraten allgemein höher sind. Gerade bei schwierigen Knochenverhältnissen hat uns die Performance des TM absolut überzeugt. Hier ist es den vorhandenen normalen Systemen überlegen.

Implantieren Sie in Ihrer Praxis mehr Risikopatienten als früher?

Kamm: Für die Implantation haben wir in unserer Praxis nahezu keine Ausnahmeindikation mehr. Die Patienten werden immer älter und möchten auf festsitzenden Zahnersatz nicht verzichten. So hatten wir bereits Implantatpatienten, die mehr als 90 Jahre alt waren. Selbstverständlich hat man ein höheres Verlustrisiko bei zum Beispiel Rauchern, Osteoporosepatienten oder Diabetikern. Aber gerade für diese Risikogruppen ist das TM-Implantat sehr gut geeignet, weil es einfach sehr schnell einwächst.

TM ist aus dem Element Tantal hergestellt. Macht das Tantal aus Ihrer Sicht den Unterschied oder eher die dreidimensionale Struktur?

Kamm: Beim TM bedingt das Design das Material, denn der Ring mit seiner feinen Netzstruktur kann nur aus Tantal sein. Aus Titan wäre diese Struktur nicht stabil genug und nicht herstellbar. Tantal ist generell dem Titan überlegen. Wenige wissen, dass die ersten Implantate von Brånemark in den 1960er-Jahren auch aus Tantal waren. Das Material wurde dann nur aufgegeben, weil es in der Verarbeitung damals sehr teuer war. Das ist jetzt anders.


Wie sieht der typische TM-Patient in Ihrer Praxis aus?

Kamm: Es gibt zwei Typen: Der eine hat wenig Zeit, kommt von weit her, wünscht wenige Behandlungstermine; der andere gehört zu den Spezialfällen: hohes Alter, Osteoporose, Diabetiker und ähnliches. Generell ist das TM für alle Indikationen grundsätzlich problemlos einsetzbar und bei Spezialindikationen weit überlegen. So verwenden wir das TM in unserer Praxis vor allem dann, wenn Wundheilungsstörungen zu erwarten sind oder wenn wir sehr schnell belasten wollen. Für die unkomplizierten Fälle nutzen wir Titan-Implantate, da sie einen Preisvorteil haben.

Inwiefern verhalten sich Tantal-Implantate wie das TM anders als andere Implantate?

Kamm: Tantal-Implantate wie das TM haben eine hohe Primärstabilität und lassen sich auch viel früher belasten als andere Systeme. Das Einwachsen des Knochens in die Implantatstruktur – man nennt das Osseoinkorporation – geht so schnell, dass man ein TM bereits nach etwa zwei Wochen belasten kann. Bei einem normalen Implantat dauert das viel länger, weil es nach dem Erreichen der Primärstabilität erst einmal wieder etwas an Stabilität verliert, bevor es sich komplett festigt. Beim TM hingegen bleibt die sehr gute Primärstabilität über diese Zeit komplett erhalten.

In welchen Fällen setzen Sie das Trabecular-Metal-Implantat nicht ein?

Kamm: Es gibt nur eine Kontraindikation, und das ist die sehr harte Knochenstruktur eines Patienten, etwa eine Knochendichte von D1 im Unterkiefer. In diesem Fall ist das Einbringen eines TM schwierig. Das liegt daran, dass der Tantal-Ring des TM selbst kein Gewinde hat. Die meisten Implantatpatienten sind aber älter und haben ohnehin einen eher weicheren Knochen. Sobald das Gewinde unter oder oberhalb des ‧mittleren Abschnitts greift, ist das Einbringen kein Problem und verhält sich wie die normalen Systeme.

Wie ist das TM in der Handhabung?

Kamm: Für das TM brauchen wir nichts Besonderes und müssen auch nichts Besonderes beachten – weder in der Prothetik noch in der Chirurgie. Die Innenverbindung ist die gleiche wie bei den normalen Implantatsystemen von Zimmer Biomet, und man braucht auch kein spezielles Instrumentarium. Wir nutzen alle Instrumente, die wir auch für die TSV-Linie nehmen.

Einzigartiges Design und Material
  • Das Trabecular-Metal-Implantat besteht aus einer dreidimensionalen Materialstruktur mit sehr hoher Biokompatibilität und verfügt über den sogenannten Bio-Boost-Effekt für schnelle Rehabilitation, Risikomanagement und Revisionstherapie.
  • Mehr als 30 klinische Publikationen belegen den Erfolg dieses Implantats in den drei R-Bereichen: schnelle Rehabilitation, Risikomanagement und Revisionstherapie. Im Unterschied zu den meisten Implantaten aus Titan besteht das TM-Implantat aus Tantal, einem sehr biokompatiblen und korrosionsbeständigen Metall – Element Nummer 73 im Periodensystem. Das Trabecular-Metal-Material hat mehr als 80 Prozent Porosität und ist mit der Struktur eines spongiösen Knochens vergleichbar.
  • Herkömmliche strukturierte oder beschichtete Implantatoberflächen erreichen einen Knochen-Implantat-Kontakt oder ein Anwachsen. Das gleichmäßige, offene und untereinander verbundene Netzwerk von Poren des Trabecular-Metal-Materials wurde sowohl für das Anwachsen als auch das Einwachsen, die sogenannte Osseoinkorporation, entwickelt.

Quelle: Zimmer Biomet

Wie können Tantal-Implantate wie das TM entfernt werden? Ist das besonders schwierig?

Kamm: Ich habe wenig Erfahrung mit der Herausnahme von TM-Implantaten, weil wir bisher nur einen einzigen Verlust hatten. Ich gehe davon aus, dass TM-Implantate wie andere Implantate, die in der Einheilphase nicht richtig angewachsen sind, ganz einfach herausgedreht werden können. Zum Ausdrehen braucht man kein spezielles Instrument, sondern kann das Einbringinstrument nutzen. Wenn das TM jedoch fest in den Knochen eingewachsen ist, lässt es sich nicht so einfach entfernen wie ein normales Implantat. In unserer Praxis kam das einmal vor. Der Patient war jahrelang nicht mehr erschienen, und wir können nicht beurteilen, was in der Zwischenzeit passiert war. Für diesen Fall hatte ich mir einen speziellen Trepanbohrer machen lassen, der exakt die richtige Breite hatte und eng am Tantalrand entlangführte, um möglichst wenig Knochenverlust zu haben.

Wie verhalten sich Tantal-Implantate wie das TM im digitalen Workflow?

Kamm: Tantal-Implantate wie das TM sind dafür bestens geeignet, vor allem in Kombination mit Encode. Dieser Gingivaformer ist kompatibel mit dem TM-Implantat und mit dem Intraoralscanner abformbar. Encode gibt die exakte Implantatposition und weitere Informationen mittels einer Codierung weiter, so dass ein Abutmentwechsel unnötig ist. In Kürze kommt das neue Encode auf den Markt. Die Vorgängerserie kennen wir bereits und werden auch beim Nachfolger wieder in die Erprobung gehen. Es ist eine clevere Lösung, die Geld und Zeit spart sowie den Patienten schont.

Sie nutzen auch Intraoralscanner in Ihrer Praxis. Arbeiten Sie konsequent digital?

Kamm: In unserer Praxis arbeiten wir im High-End-Bereich und haben die höchsten Qualitätsansprüche. Daher machen wir unsere Arbeiten nur dann im volldigitalen Workflow, wenn wir damit eine bessere Genauigkeit und einen besseren Workflow erzielen können. Bei kleineren Fällen arbeiten wir volldigital und nutzen verschiedene Scanner, beispielsweise den iTero Element, von dem ich einen sehr guten Eindruck habe. Bei großen, komplexen Versorgungen dauert es bei gleicher Genauigkeit mit jedem Intraoralscanner einfach länger, und man kommt in puncto Genauigkeit nicht auf das gewünschte Niveau. In diesen Fällen machen wir nach wie vor einen analogen Abdruck, den wir extraoral scannen, um dann im digitalen Workflow weiterzuarbeiten.

Wie ist Ihre Langzeiterfahrung mit dem TM?

Kamm: Wir haben über die Jahre schätzungsweise rund 400 TM-Implantate gesetzt und lediglich eines verloren. Mittlerweile haben wir eigene Ergebnisse des Tapered Screw-Vent-Implantats (TSV) aus fast 15 Jahren und in Kürze auch 10-Jahresergebnisse vom TM. Im Vergleich gibt es bei beiden Systemen keine Unterschiede. Verluste hatten wir ausschließlich bei Patienten, die gewisse Vorerkrankungen hatten oder die Hygienemaßgaben nicht beachtet haben. Die aktuellen Studien von Zimmer Biomet geben für das TM-System eine Erfolgsrate von 98 Prozent an. Das passt zu unseren Erfahrungen und ist absolut überzeugend.


Der Experte

Foto: Privat

Dr. Torsten Kamm
hat 2004 gemeinsam mit seinem Bruder Prof. Dr. Karsten Kamm die Privatpraxis Zahngesundheit mit zwei Standorten in Baden-Baden gegründet. Seitdem hat er sich auf die Implantologie und Parodontologie spezialisiert. Zusammen mit seinem Bruder hat er auch ein An-Institut zur Fortbildung von Zahnärzten an der Universität Luxemburg geschaffen.
info@z-b-b.de