Sofortimplantation in der ästhetischen Zone
Die Zahnmedizin wird infolge der zunehmenden Digitalisierung immer vorhersagbarer. Das ermöglicht, zunächst ein für den Patienten zufriedenstellendes Endergebnis festzulegen und darauf basierend den Behandlungsplan zu gestalten. Wie das nach Verlust eines mittleren Schneidezahns mittels Sofortimplantation gelingt, zeigt das Fallbeispiel.
Patienten haben heutzutage sehr hohe Ansprüche: Nicht nur gesunde und funktionelle Zähne werden gewünscht, sondern auch die Ästhetik ist für die meisten zu einem oder sogar dem entscheidenden Aspekt geworden. Schöne Zähne und eine harmonische Zahnreihe leisten einen großen Beitrag zur Ausstrahlung und zum Aussehen und damit wiederum zum allgemeinen Selbstbewusstsein. Dies macht Zähne ausschlaggebend dafür, wie ein Mensch von anderen wahrgenommen wird. Hinzu kommt, dass der Faktor Zeit immer mehr an Bedeutung gewinnt. Ginge es nach den Vorstellungen des Patienten, sollte eine Behandlung nicht nur nachhaltig und ästhetisch hochwertig sein, sondern auch möglichst wenig Zeit in Anspruch nehmen. Um dies zu ermöglichen, ist ein tadelloses Zusammenspiel verschiedener Disziplinen der Zahnmedizin unabdingbar. In der modernen Zahnmedizin, die infolge der zunehmenden Digitalisierung immer vorhersagbarer wird, hat es sich etabliert, zunächst ein für den Patienten zufriedenstellendes Endergebnis festzulegen und dann, auf dieses festgelegte Ergebnis gestützt, den Behandlungsplan zu gestalten. Das Fallbeispiel zeigt die Wiederherstellung einer ästhetisch ansprechenden Oberkieferfront nach Verlust eines mittleren Schneidezahns durch die Kombination aus schablonengeführter, sofortiger Implantatchirurgie, mikrochirurgischer Hart- und Weichgebeaugmentation und minimalinvasiver prothetischer Präparation.
Der konkrete Fall
Der Patient stellte sich aufgrund eines stark gelockerten Zahns 21 und mit dem zusätzlichen Wunsch der Verbesserung der Ästhetik seines Oberkiefer-Frontzahnbereichs vor (Abb. 1). Nicht nur eine parodontale Untersuchung, die Taschentiefen von bis zu 11 mm in Verbindung mit Lockerungsgrad 3 zeigte, sondern auch die erstellte DVT-Aufnahme (Abb. 2) zeigte einen starken Rückgang (fast 100 % Knochenabbau) der bukkalen Konchenlamelle in Regio 21. Dieser klinische und röntgenologische Befund des bereits wurzelgefüllten Zahns 21 führte zum Entschluss, dass dieser nicht erhaltungswürdig sei und entfernt werden müsse. Der ebenfalls parodontal stark angegriffene Zahn 22 erwies sich klinisch als stabil und wurde daher als erhaltungswürdig erklärt. Da der Patient mit dem Gesamterscheinungsbild seiner Frontzähne nicht zufrieden war, wurde gemeinsam mit ihm beschlossen, den Zahn 21 durch ein Implantat mit einer verschraubten Keramikkrone zu ersetzen und die Nachbarzähne 12, 11 und 22 durch Veneers bzw. Teilkronen ästhetisch an die neue Implantatkrone anzugleichen und dadurch eine harmonische Oberkieferfront zu gewährleisten.
Die Entscheidungsfindung hinsichtlich der angewandten Technik, um sowohl Funktion als auch Ästhetik vorhersehbar wiederherstellen zu können, ist sowohl vom parodontalen Zustand der Nachbarzähne als auch von der Gewebedefektanatomie abhängig. Nach einer funktionellen Analyse wurde sich für eine Kombination von minimalinvasiver Extraktion mit direkter Sofortimplantation und Sofortbelastung in Verbindung mit simultaner Hart- und Weichgewebeaugmentation mittels Multi-Layer-Technik entschieden. Die prothetische Versorgung der Nachbarzähne sollte nach vollendeter Einheilungsphase des Implantats und im Zusammenhang mit dem Einsetzen der finalen Implantatkrone geschehen. Zunächst wurde der bereits gelockerte Zahn 21 minimalinvasiv extrahiert (Abb. 3).
Sofortimplantation
Vor den augmentativen Maßnahmen erfolgte zunächst die Sofortimplantation. Die Pilotbohrung und die Aufbereitung des Bohrstollens auf einen Durchmesser von 2,0 mm und die angestrebte Bohrungstiefe von 16,0 mm wurden geführt, mithilfe der Bohrschablone, durchgeführt (Abb. 4). Die weitere Aufbereitung und die Insertion des durchmesserreduzierten Implantats (3,5 × 16 mm NobelReplace CC, Straumann, Basel, Switzerland) wurden ohne Führung durchgeführt. Die dreidimensionale Positionierung eines Implantats in allen Ebenen (mesiodistal,vestibulooral, vertikal) ist der entscheidende Erfolgsfaktor für ein voraussagbares langfristiges und ästhetisches Ergebnis und für die ideale Kontur, Farbe und Stabilität des Weichgewebes. Der ideale horizontale Abstand zwischen Implantat und Zahn sollte 1,5–2,0 mm, zwischen zwei Implantaten 3,0–3,5 mm betragen. In der Vertikalen sollte das Implantat 3–4 mm apikal zum angestrebten bzw. erwarteten Gingivarand gesetzt werden. Die falsche Positionierung eines Implantats in nur einer dieser drei Ebenen führt zu einer Inkongruenz zwischen Kronen- und Implantatposition. Aus diesem Grund sollte sich die dreidimensionale Implantatposition immer nach der vom Techniker digital oder manuell aufgestellten Restauration richten.
Augmentation
Nach erfolgreicher Sofortimplantation folgte die simultane Hart- und Weichgewebeaugmentation mittels der Multi-Layer-Technik. Zunächst wurde ein Spaltlappen in Regio 11–22 tunnelierend operiert, der als Transplantatbett für das aus dem Gaumen entnommene, subepitheliale Bindegewebetransplantat diente. Das Transplantat wurde in den Spaltlappen eingelegt und mit mikrochirurgischen, nichtresobierbaren Nähten (Seralene 6/0, Serag-Wiessner, Naila, Germany) fixiert. Diese Weichgewebeaugmentation entspricht dem ersten Layer der Multi-Layer-Technik.
Anschließend wurde direkt mit dem Hartgewebeaufbau fortgefahren. Dafür wurde zusätzlich bukkal ein Mukoperiostlappen bis in die Nachbarzahnregionen hinein über den Knochendefekt hinaus präpariert. Dann wurde der zweite Layer in Form einer haltestabilen Membran (OsteoBiol soft cortical Lamina, Tecnoss, Torino, Italy) unter das Periost eingebracht. In den dabei entstandenen Spalt zwischen Membran und Implantat und in den restlichen knöchernen Defekt rund um das Implantat wurde xenogenes, porcines Knochenersatzmaterial (OsteoBiol MP3,Tecnoss, Torino, Italy) eingefüllt. Da sich für eine geschlossene Einheilung entschieden wurde, wurde nun das vorher fixierte Bindegewebstransplantat so vernäht, dass ein primärer, speicheldichter Wundverschluss der Extraktionsalveole sichergestellt werden konnte (Abb. 5). Zusätzlich wurde die Lücke mittels einer laborgefertigten Maryland-Brücke, befestigt an 11 und 22, temporär versorgt.
Einheilphase
Nach vier Monaten Einheilphase zeigte sich im Vergleich zur Ausgangssituation eine weitaus bessere Weichgewebesituation (Abb. 6). Zur Konturierung des Empfängerbetts wurde die Deckschraube durch einen schmalen, 7,5 mm hohen Gingivaformer ersetzt (Slim Temporary Abutment NP 7,5 mm CC, Nobel Biocare, Kloten, Switzerland) (Abb. 7). Da der Patient eine erneute Bindergewebeentnahme am Gaumen ablehnte, wurde eine xenogene Kollagenmembran (Derma, Tecnoss, Torino, Italy) in den Spaltlappen und um den Gingivaformer eingebracht, um eine erneute Gewebeverdickung zu erreichen (Abb. 8). Die Maryland-Brücke wurde wiedereingesetzt und zusätzlich auf dem speziell konzipierten Gingivaformer zementiert. Um die Papillen besser auszuformen, wurden beidseitig umschlingende Hochziehnähte (Seralene 6/0) durch die Papillen und die Kollagenmembran über die Approximalkontakte vernäht (Abb. 9).
Nach acht weiteren Wochen Heilungsphase wurde ein verschraubtes Provisorium zum finalen Ausformen des Empfängerbetts eingeschraubt. Das Emergenzprofil wurde durch das verschraubte Provisorium optimal ausgeformt (Abb. 10). Die Zähne 22, 12, und 22 wurden nun für Teilkronen und Veneers präpariert und zusammen mit einem individuell hergestellten Abformpfosten mit einem niedrigviskosen, hochpräzisen Abformmaterial auf Polyetherbasis abgeformt (Abb. 11). Nach erfolgreicher Gerüsteinprobe wurden einen Monat später zunächst die Keramikveneers und die Teilkrone adhäsiv befestigt, anschließend wurde die finale Implantatkrone eingeschraubt. Auch 19 Monate später zeigt sich eine harmonische Oberkieferfront, mit der der Patient sehr zufrieden ist (Abb. 12).
Resümee: Ergebnis der Sofortimplantation
Durch das minimalinvasive Vorgehen konnte mit der Multi-Layer-Technik und durch Sofortimplantation ein stabiles und ästhetisch ansprechendes Ergebnis erreicht werden. Das Weichgewebe betreffend, konnten beide Papillen zu fast 100 % regeneriert werden. Zahn 21 zeigt im Vergleich zu Zahn 11 immer noch eine geringe Rezession von ca. 1–2 mm. Die Behandler sind der Meinung, dass auch dieser geringe verbleibende Defekt hätte aufgebaut werden können, wenn statt der xenogenen Kollagenmembran erneut ein autogenes subepitheliales Bindergewebetransplantat verwendet worden wäre. Mit einer weiteren Transplantation kann mit hoher Wahrscheinlichkeit ein perfekter marginaler Gingivaverlauf geschaffen werden.
Die Experten
Dr. Christian Maischberger
implaneo Dental Clinic, München
Prof. Dr. Hannes Wachtel
implaneo Dental Clinic, München
Dr. Paul Leonhard Schuh
implaneo Dental Clinic, München