Periimplantäres Weichgewebe

Periimplantäres Weichgewebe: So lässt es sich optimieren

Der Erhalt der periimplantären Weichgewebsstrukturen steht im Mittelpunkt jeder Implantattherapie. Nicht nur bei Sofortversorgungen ist das optimale Weichgewebe erfolgsentscheidend. Welche Hilfsmittel bieten sich an, um sowohl ein ästhetisches Outcome zu erreichen als auch die Behandlungszeiten und Patiententermine zu reduzieren? Dr. Inga Boehncke MSc, Bremen, liefert Antworten


Eingesetzter individuell hergestellter PEEK-Gingivaformer © Boehncke


Ein naturkonformes Emergenzprofil zu erzielen, stellt eine der größten Herausforderungen in der Implantattherapie dar. Was genau sind die Knackpunkte?

Boehncke: Zunächst einmal ist die korrekte Implantatpositionierung und eine sichere zirkuläre knöcherne Bedeckung der Implantatoberfläche die Voraussetzung, um auch das Weichgewebe langzeitstabil zu halten.

Nach dem Grundsatz: „Weichgewebe folgt dem Hartgewebe“?

Boehncke: Genau, aber auch dem periimplantären Weichgewebe und dessen Stabilität im Hinblick auf Breite und vertikale Höhe um Implantate kommt eine wachsende Bedeutung zu. Denn eine geringe befestigte Breite sowie eine geringe supracrestale Gewebehöhe (< 2mm) machen das Hart- und Weichgewebe anfälliger für entzündliche Prozesse, woraus Weich- und Hartgewebsabbau resultieren. Das Erkennen des patienteneigenen Gewebetyps – dünner oder dicker Gingivatyp, Anteil an keratinisiertem und befestigtem Gewebe – stellen wichtige Faktoren für eine etwaige Gewebetypmodifikation bei Implantation mit patienteneigenem Gewebe oder xenogenen Matrizes dar. Besonders azelluläre dermale Matrizes gewinnen meiner Meinung nach in diesem Zusammenhang weiter an Bedeutung, um den Anteil an befestigtem Gewebe um die Implantate zu erhöhen und dem Patienten eine zusätzliche Entnahme zu ersparen.

Wie gestalten Sie in Ihrer Praxis die entsprechende Implantatplanung?

Boehncke: Die klinische Inspektion, besonders im Hinblick auf die oben genannten Parameter Gingivatyp und knöcherne Beschaffenheit der zu implantierenden Region spielen die entscheidende Rolle. In der ästhetischen Zone sind die Bestimmungen dieser Parameter besonders wichtig. Eine entzündungsfreies Weichgewebe ist selbstverständlich die Voraussetzung.

Weiterhin erfolgt eine 2D-oder 3D-Röntgendiagnostik, je nach Diagnosesicherheit und gewünschtem Aufwand. Ein Overtreatment versuchen wir allerdings zu vermeiden. Wann immer möglich favorisieren wir die Sofortimplantation, um die umgebenden Gewebe zu erhalten bzw. zu stützen. Dabei führen wir stets intraoperativ einen intraoralen Scan der Implantatposition durch, um individuelle Gingivaformer sowie Abformpfosten und später auch die Abutments mit ausgeformtem Emergenzprofil mit Kronenversorgung zeitnah herstellen zu können. Das erspart dem Patienten etliche zusätzliche Termine.


Welche Hilfsmittel nutzen Sie für die Gestaltung des Emergenzprofils?

Boehncke: Bei Sofortimplantationen setzen wir zunächst konfektionierte Gingivaformer ein, die nach intraoperativem intraoralem Scan gegen individuelle PEEK-Gingivaformer getauscht werden. Wir erreichen so einen zusätzlichen Wundverschluss und ein anatomisch ausgeformtes Emergenzprofil. Generell arbeiten wir mit individuellen Gingivaformern und individuellen Abutments, die auf Basis intraoperativer Scans designt werden.

Bei Spätversorgungen setzen wir auch beim Freilegen gleich das individuelle Abutment mit Krone ein. Das Emergenzprofil bildet sich nach ca. 14 Tagen um die Struktur aus, ähnlich wie bei einem individuellen Gingivaformer. Entscheidend ist auch dabei die ausreichende zirkuläre knöcherne Bedeckung des Implantates und genügend dickes Weichgewebe. Das entsprechende Emergenzprofil stellt sich in jedem Fall ein und ist nach ca. vier bis sechs Monaten abgeschlossen und stabil.

CAMLOG bietet neben individuellen PEEK-Gingivaformern auch individuelle PEEK-Abformpfosten. Was sind die Vorteile mit Blick auf das Weichgewebe im Vergleich zu den herkömmlichen Gingivaformern und Abdruckpfosten?

Boehncke: Wir verwenden die individuellen PEEK-Gingivaformer, die nach intraoralem intraoperativem Scan designt werden. Das Design legen wir selber fest und schicken den Datensatz an das DEDICAM-Fräszentrum der Firma Camlog. Der klare Vorteil liegt in der Möglichkeit der individuellen, anatomischen Ausformung des Emergenzprofils gegenüber den recht schmalen konfektionierten Gingivaformern.

Da wir ausschließlich individuelle Abutments einsetzen, sind die daran angepassten Gingivaformer die optimale Vorbereitung. Gleichzeitig wird damit bei Sofortimplantationen ein optimaler Wundverschluss ermöglicht, der einer provisorischen Sofortversorgung nahekommt.

Verwenden Sie auch die neuen individuellen Abformpfosten, um das Weichgewebe zu optimieren?

Boehncke: Eher selten, da wir meistens intraoperativ die Übertragung mittels Scanbodies durchführen.

Bei größeren prothetischen Arbeiten, zum Beispiel bei mehreren Teleskopen, können aber auch die individuellen Abformpfosten angewendet werden, die das Weichgewebe weder irritieren noch in seiner Dimension verändern, da sie aus dem gleichen Datensatz wie die Gingivaformer hergestellt werden.

Weiterhin sehe ich hier einen Vorteil für Praxen mit Überweiserstruktur, da diese theoretisch dem Weiterbehandler nach Freilegung und Insertion von individuellen Gingivaformern gleich den passenden Satz an individuellen Abformpfosten für die prothetische Weiterversorgung zur Verfügung stellen könnten.

Als Alternative könnte dem Überweiser der digitale intraoperativ ermittelte Datensatz ausgehändigt werden und der Chirurg übergibt den Patienten mit dem individuellen Gingivaformer zur prothetischen Weiterversorgung. So kann individuell entschieden werden, ob konventionell oder bereits digital weitergearbeitet wird.

Welche Vorteile für das Weichgewebe bietet PEEK als Material für die Sulkusausformung?

Boehncke: PEEK ist biokompatibel und bietet einen ästhetischen Vorteil gegenüber den Titangingivaformern. Gleichzeitig lassen sich die PEEK-Gingivaformer in einem gewissen Rahmen nachbearbeiten.

Nutzen Sie den DEDICAM-Service oder managen Sie den Workflow in Eigenregie?

Boehncke: Wir designen unsere individuellen Gingivaformer und etwaige Abformpfosten in Eigenregie. Wir haben zwei Designparameter entwickelt, die für solche Fälle individuell zur Anwendung kommen.

  • Einen abutmentanalogen Gingivaformer
  • Einen rein konvexen aufweitenden Gingivaformer, den ich besonders gerne im Seitenzahnbereich verwende.

Die Expertin

Foto: Privat

Dr. Inga Boehncke MSc.
seit 2009 niedergelassen in eigener
Praxis in Bremen
info@zahnarzt-boehncke.de